V.1 Der Schutz des Vertrauens in die bestehende Rechtslage als reines Gleichheitsproblem
V.1.1 Demokratische Befugnis zur Änderung der Rechtslage vs. Schutz der Rechtssicherheit
Eine Analyse der Zeit im Ertragsteuerrecht wäre unvollständig, ohne Fragen zur Rückwirkung und zum verfassungsrechtlichen Dispositionsschutz im Kontext von Steuergesetzen zu behandeln.1563 Die Relevanz des Themas ist anhand folgender Problemstellung erkennbar: Der auf dem Grundwert der Rechtssicherheit beruhende Rechtsstaat steht in einem Interessenskonflikt mit dem demokratischen Bedürfnis, neue Regelungen zu treffen und sich den ständig wandelnden und somit laufend neuen Verhältnissen anzupassen.1564 Das Vertrauen in die bestehende Rechtslage steht also im grundsätzlichen Widerspruch zur Freiheit des Gesetzgebers, die Rechtslage jederzeit und auch zum Nachteil des Rechtsunterworfenen zu verändern.1565 Der sogenannte „verfassungsrechtliche Vertrauensschutz“1566 versucht dabei, einen Ausgleich dieser widersprüchlichen Anforderungen zu finden. Er bildet damit die Richtschnur im rechtspolitischen Spannungsfeld zwischen Rechtsstaat und Demokratie.1567 Diese Richtschnur erfolgt unter Zugrundelegung des Gleichheitssatzes, wie sich zeigen wird. Vorweggenommen werden kann, dass niemand ein Vertrauen in den unveränderten ewigen Fortbestand der Rechtsordnung haben kann. Ein solcher würde zu einem massiven Demokratieproblem führen. Der Gesetzgeber kann nur in Ausnahmefällen an das gebunden sein, was der Gesetzgeber selbst davor beschlossen hat.

