EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019 (ehemals: EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz)

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrAugust 2019

Wirksame Beilegung von Streitigkeiten aufgrund von Doppel- oder Mehrfachbesteuerungen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes durch Vorgabe eines Zeitrahmens, innerhalb dessen ein Verständigungsverfahren zu beenden ist; Strafverschärfung bei Steuer- und Zolldelikten; Sanktionierung von grenzüberschreitendem Umsatzsteuerkarussellbetrug

Inkrafttreten

1.9.2019

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

5.8.2019

Betroffene Normen

BAO, BFGG, EU-BStbG, FinStrG

Betroffene Rechtsgebiete

Steuerrecht

Quelle

BGBl I 2019/62

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union und das Bundesgesetz über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen erlassen werden sowie die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Alternativfinanzierungsgesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz, das Glücksspielgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden (EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019 – EU-FinAnpG 2019), BGBl I 2019/62 vom 22. 7. 2019 (AA-107 BlgNR 26. GP ; AB 644 BlgNR 26. GP ).

Überblick

Die Änderungen im nunmehrigen EU-Finanz-Anpassungsgesetz 2019 entstammen zum Teil unterschiedlichen Ministerialentwürfen, so va dem Ministerialentwurf zum EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz vom 23. 1. 2019, 116/ME NR 26. GP . Die Änderungen zum FinStrG stammen hingegen zum Teil vom Ministerialentwurf zum Abgabenbetrugsbekämpfungsgesetz 2020 vom 8. 5. 2019, 150/ME NR 26. GP .

Mit dem EU-FinAnpG 2019 sollen nun einige EU-Richtlinien (etwa die RL (EU) 2017/1852 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union) und eine EU-Verordnung (VO (EU) 2017/1129 ) umgesetzt und Beanstandungen der Europäischen Kommission ausgeräumt werden.

Neben zahlreichen wirtschaftsrechtlichen Änderungen kommt es aus steuerrechtlicher Sicht im Wesentlichen zu den folgenden Änderungen:

EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz

Dieses neue Bundesgesetz legt Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten fest, die durch die Auslegung und Anwendung von Abkommen und Übereinkommen entstehen, die die Beseitigung der Doppelbesteuerung von Einkommen und gegebenenfalls Vermögen vorsehen.

Die unterschiedliche Auslegung oder Anwendung von Bestimmungen bilateraler Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung („Doppelbesteuerungsabkommen“) oder des Übereinkommens 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen („EU-Schiedsübereinkommen“) durch Mitgliedstaaten der EU, führt für grenzüberschreitend tätige natürliche oder juristische Personen zu Streitigkeiten wegen Doppel- oder Mehrfachbesteuerungen.

Die Verfahren nach dem EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz sollen nun für eine wirksame Beilegung von Streitigkeiten aufgrund von Doppel- oder Mehrfachbesteuerungen sorgen. Um ein faireres steuerliches Umfeld zu schaffen und die Rechtssicherheit zu erhöhen, ist es erforderlich zu gewährleisten, dass Streitbeilegungsverfahren umfassend, effektiv und nachhaltig gelöst werden. Hierzu wird einer betroffenen Person (natürliche oder juristische Person), die einer derartigen Doppel- oder Mehrfachbesteuerung unterliegt, die Möglichkeit der Einbringung einer Streitbeilegungsbeschwerde gegeben. In einem ersten Schritt sollen die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten mit dem Fall befasst werden, damit sie die Streitigkeit in einem Verständigungsverfahren beilegen können.

Kommt es zu keiner Einigung innerhalb einer bestimmten Frist, kann auf Antrag der betroffenen Person ein schiedsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden. Den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten ist es vorbehalten, die Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen Verfahrens in einem konkreten Anlassfall festzulegen, wobei entweder das schiedsgerichtliche Verfahren vor einem Beratenden Ausschuss oder das Verfahren vor einem Ausschuss für Alternative Streitbeilegung gewählt werden kann.

Der Beratende Ausschuss setzt sich aus unabhängigen Personen zusammen, die von der zuständigen Behörde jedes betroffenen Mitgliedstaates aus einer EU-weiten Liste ausgewählt werden, sowie aus Vertretern jeder zuständigen Behörde jedes betroffenen Mitgliedstaates. Gemeinsam geben sie innerhalb einer bestimmten Frist eine unabhängige Stellungnahme dazu ab, wie eine Streitigkeit gelöst werden soll. Der Ausschuss für Alternative Streitbeilegung hingegen ist hinsichtlich seiner Zusammensetzung, seiner Form und seines Verfahrens zur Abgabe der Stellungnahme frei wählbar. So ist es beispielsweise denkbar, anstelle eines ad hoc Gremiums, welches für jeden Streitfall neu gebildet werden muss, ein ständiges Gremium mit der Abgabe einer Stellungnahme und somit mit der Lösung einer Streitigkeit zu betrauen. Die Verfahren enden mit einer für die betroffene Person verbindlichen und durchsetzbaren, abschließenden Entscheidung.

Das Bundesgesetz über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union soll am 1. 9. 2019 in Kraft treten.

Bundesabgabenordnung

Die mit 1. 9. 2019 in Kraft tretenden Änderungen der BAO dienen der Umsetzung der RL (EU) 2017/1852 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union. Zur Verbesserung der Verfahrensökonomie und Erhöhung der Rechtssicherheit ist der Großteil dieser Bestimmungen auch auf Verständigungsverfahren anzuwenden, die auf einer anderen Grundlage als dem EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG) geführt werden, also beispielsweise einem Doppelbesteuerungsabkommen oder dem EU-Schiedsübereinkommen.

Finanzstrafgesetz

Im Finanzstrafgesetz kommt es ua zu den folgenden Änderungen:

  • Grenzüberschreitender Umsatzsteuerbetrug („Karussellbetrug“): Die Nichtabfuhr von Umsatzsteuer soll im neuen § 40 FinStrG unter Strafe gestellt werden, sofern von Vornherein der Vorsatz besteht, keine Umsatzsteuer abzuführen und der Einnahmenausfall im Gemeinschaftsgebiet mindestens 10 Mio € beträgt.
  • Strafverschärfung bei Steuer- und Zolldelikten: Verdoppelung der maximal möglichen Freiheitsstrafe von zwei auf vier Jahre bei Abgabenhinterziehung, Schmuggel oder Abgabenhehlerei von mehr als € 100.000,- sowie Entfall des § 38 FinStrG (Gewerbsmäßige Tatbegehung); Strafbarkeit auch der Abgabenhehlerei nur mehr bei grober Fahrlässigkeit
  • Senkung der Betragsgrenze für die Zuständigkeit des Spruchsenats von € 15.000,- auf € 10.000,-

Bundesfinanzgerichtsgesetz

Die ebenfalls mit 1. 9. 2019 in Kraft tretenden Änderungen des BFGG sind erforderlich zur Umsetzung der RL (EU) 2017/1852 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union.

Hinweis
Siehe zu diesem Bundesgesetz auch die Übersichten in den Bereichen Steuerrecht und Wirtschaftrecht.

 



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