Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden; BGBl I 2025/77 (AB 230 BlgNR 28. GP , RV 210 BlgNR 28. GP , 37/ME NR 28. GP )
1. Beitragsrechtliche Berücksichtigung von Trinkgeldern
Trinkgelder stellen beitragspflichtiges Entgelt iSd § 44 Abs 1 und § 49 Abs 1 ASVG dar (zur Steuerfreiheit siehe § 3 Abs 1 Z 16a EStG 1988). Die der Verwaltungsvereinfachung dienende, in § 44 Abs 3 ASVG vorgesehene Möglichkeit, Trinkgelder in pauschalierter Form der Bemessung der SV-Beiträge zugrunde zu legen, wird im Sinne der Rechtssicherheit in mehrfacher Hinsicht angepasst:
Zum einen wird die Grundlage für die Festsetzung bundesweit einheitlicher Pauschalbeträge ab 1. 1. 2026 geschaffen, die jährlich aufzuwerten sind (erstmalig mit 1. 1. 2029). Zum anderen wird gesetzlich klargestellt, dass die Pauschalbeträge Maximalbeträge sind. Damit ist sichergesellt, dass die tatsächlich vereinnahmten Trinkgelder nur dann herangezogen werden können, wenn sie geringer ausfallen als der festgesetzte Pauschalbetrag. Mögliche Härtefälle bereits nachverrechneter trinkgeldbezogener Beiträge sind in der Selbstverwaltung der betroffenen Träger zu prüfen. Beitragsgrundlagen der Versicherten bleiben jedenfalls unberührt.
Die in § 42 Abs 3 ASVG normierte Schätzungsbefugnis der Versicherungsträger bezüglich der Höhe von Trinkgeldern wird mit der Höhe des Maximalbetrag begrenzt, sofern ein solcher festgelegt wurde.
Die Festsetzung von bundesweit einheitlichen Trinkgeldpauschalen erfolgt für Dienstnehmer, die üblicherweise Trinkgelder erhalten. Diesen gleichgestellt sind auch Dienstnehmer, die an Trinkgeldern innerbetrieblich wie etwa durch betriebliche Trinkgeld-Verteilsysteme (wie Tronc-Systeme) beteiligt werden. Die Trinkgeldpauschalierung für Dienstnehmer erfolgt somit nicht in Betrieben, in denen typischerweise kein Trinkgeld anfällt (beispielsweise Teile der Systemgastronomie und Altersheime).
Die Festsetzung hat für einzelne Erwerbszweige gesondert zu erfolgen. Dabei ist auf die Art der Tätigkeit (etwa mit oder ohne Inkasso) sowie auf das Ausmaß der Arbeitszeit Bedacht zu nehmen. Für Fälle, in denen die Arbeitszeit im Beitragszeitraum unter der Normalarbeitszeit liegt, ist ein entsprechend aliquoter Betrag festzusetzen. Die beitragsrechtliche Behandlung von längeren Abwesenheitszeiten ist durch die SV-Träger zu regeln.
Hinweis
Für den Bereich des Hotel- und Gastgewerbes liegt bereits ein Vorschlag der Interessenvertretungen vor: Dieser sieht für das Jahr 2026 eine bundesweit einheitliche monatliche Trinkgeldpauschale iHv € 65,- für Mitarbeiter mit Inkasso bzw iHv € 45,- für Mitarbeiter ohne Inkasso vor. Im Jahr 2027 soll die Pauschale für Mitarbeiter mit Inkasso auf € 85,- steigen und im Jahr 2028 für Mitarbeiter mit Inkasso auf € 100,- und für Mitarbeiter ohne Inkasso auf € 50,-.
2. Information über bargeldlos eingehobenes Trinkgeld
Arbeitnehmer, die Trinkgeld nicht in bar erhalten, haben es deutlich schwerer, einen Überblick über dieses Trinkgeld zu erlangen; das Gleiche gilt bei betrieblichen Trinkgeld-Verteilsystemen. Dies wird durch neue Informations- und Auskunftsrechte in § 2j AVRAG gelöst, was auch der Transparenz im Betrieb dienen soll.
Arbeitnehmer, die an einem Trinkgeld-Verteilsystem beteiligt sind, müssen am Beginn des Arbeitsverhältnisses über den Aufteilungsschlüssel informiert werden. Die Information kann auch auf elektronischem Weg erfolgen (Abs 1).
Weiters sollen Arbeitnehmer auf Anfrage eine schriftliche und vollständige Auskunft über bargeldlos eingenommene Trinkgelder in einem bestimmten Zeitraum (Angabe der Gesamtsumme der in diesem Zeitraum gegebenen Trinkgelder und des Aufteilungsschlüssels) bekommen. Diese Auskunft kann auch auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden. Das Auskunftsrecht entfällt, solange die bargeldlos gegebenen Trinkgelder am selben Arbeitstag oder zeitnah in bar ausgezahlt werden, wobei die Verteilung durch einen Arbeitnehmer, der in die am jeweiligen Arbeitstag eingehobenen Trinkgelder Einsicht nehmen kann, erfolgt. Erfolgt die Verteilung durch einen leitenden Arbeitnehmer iSd § 36 Abs 2 Z 1 oder Z 3 ArbVG oder durch eine andere Person, so bleibt das Auskunftsrecht bestehen (Abs 2). Eine „zeitnahe“ Verteilung kann sich etwa aus betrieblichen Notwendigkeiten ergeben. Endet zB die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers, bevor die zuständige Person das erhaltene Trinkgeld verteilt, ist eine Auszahlung am nächsten Arbeitstag des Arbeitnehmers zulässig.
Für Zeiträume von höchstens einem Jahr kann im Voraus vereinbart werden, dass das gesamte bargeldlos gegebene Trinkgeld erst am Ende dieses Zeitraumes ausbezahlt wird. Während dieses Zeitraumes besteht kein Auskunftsrecht des Arbeitnehmers.
Das Auskunftsrecht kann für maximal 3 Jahre im Nachhinein verlangt werden. Es kann durch Arbeitsvertrag oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht aufgehoben oder beschränkt werden, allerdings können im Kollektivvertrag nähere Regelungen zur Umsetzung des Auskunftsrechts getroffen werden.
§ 2j AVRAG tritt mit 1. 1. 2026 in Kraft. Für zu diesem Zeitpunkt aufrechte Arbeitsverhältnisse gilt das Informationsrecht nach Abs 1 mit der Maßgabe, dass die Information spätestens bis 28. 2. 2026 zu erfolgen hat. Das Auskunftsrecht nach Abs 2 bezieht sich nicht auf Zeiträume, die vor 2026 liegen.
