Verwaltungsstrafverfahren (Novelle)

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrJänner 2019

ua Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz und Transparenz bei Verwaltungsstrafverfahren;  Einführung des Grundsatzes "beraten vor strafen", soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und bestimmte Voraussetzungen vorliegen; Abkehr von der Verschuldensvermutung nach § 5 Abs 1 VStG, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über € 50.000,- bedroht ist

Inkrafttreten

1.1.2019

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

2.11.2018

Betroffene Normen

AVG, EGVG, VStG, VwGVG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht, Verwaltungsrecht

Quelle

BGBl I 2018/57

Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert werden, BGBl I 2018/57 vom 14. 8. 2018 (AA-32 BlgNR 26. GP ; AB 227 BlgNR 26 - GP; RV 193 BlgNR 26. GP ).

Aktualisierte Fassung des in ARD 6619/17/2018 erschienenen Beitrags.

Übersicht

Die vorliegende Novelle der Verwaltungs(straf)verfahrensgesetze hat neben einer Entlastung der Tätigkeit der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und einer Klarstellung ihrer Befugnisse vor allem zum Ziel, Verwaltungsstrafverfahren effizienter, transparenter und einheitlicher zu gesatlten und den Verwaltungsaufwand für die Verwaltungsstrafbehörden zu reduzieren. Aus Unternehmersicht sind vor allem folgende zwei Aspekte interessant, die mit 1. 1. 2019 in Kraft treten:

Grundsatz "Beraten statt strafen"

In Anlehnung an § 371c GewO 1994 (eingeführt mit BGBl I 2017/96) soll nun auch im Verwaltungsstrafverfahren durch einen neuen § 33a VStG der Grundsatz "Beraten statt strafen" in allgemeiner Form verwirklicht werden. Stellt die Behörde eine Übertretung fest und sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering, so hat ihn die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Beendigung des strafbaren Verhaltens oder der strafbaren Tätigkeiten zu beraten und ihn schriftlich unter Angabe der festgestellten Sachverhalte aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist den den Verwaltungsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen.

Wird der schriftlichen Aufforderung entsprochen, ist die weitere Verfolgung wegen der betreffenden Übertretungen unzulässig. Wird der schriftlichen Aufforderung nicht entsprochen, hat die Behörde das Strafverfahren einzuleiten oder fortzuführen. Ein Absehen von der Einleitung eines Strafverfahrens oder der Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG wird in einem solchen Fall idR ausscheiden, weil das Verschulden des Beschuldigten nicht gering sein wird.

Die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes ist kraft gesetzlicher Anordnung jedenfalls dann nicht gering, wenn die Übertretung nachteilige Auswirkungen auf Personen oder Sachgüter bewirkt hat oder das Auftreten solcher Auswirkungen bei auch nur kurzem Andauern des strafbaren Verhaltens oder der strafbaren Tätigkeiten zu erwarten ist. Hingegen gilt die Intensität der Beeinträchtigung dann als gering, wenn nur geringfügige Abweichungen von technischen Maßen festgestellt wurden und keine der zuvor genannten Umstände vorliegen (Abs 3 und Abs 4).

Keine Anwendung des Grundsatzes "Beraten statt strafen" erfolgt gemäß § 33a Abs 5 VStG bei:

  • Übertretungen von Verwaltungsvorschriften, die zur Strafbarkeit vorsätzliches Verhalten erfordern;
  • Übertretungen, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Feststellung der Übertretung bereits Gegenstand einer Beratung und schriftlichen Aufforderung durch die Behörde waren oder zu denen einschlägige noch nicht getilgte Verwaltungsstrafen bei der Behörde aufscheinen;
  • Übertretungen, die Anlass zu in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen einstweiligen Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen geben;
  • Übertretungen, für die die Verwaltungsvorschriften die Maßnahme der Entziehung von Berechtigungen vorsehen.

Zur Abgrenzung zwischen der Beratung in § 33a VStG und der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens in § 45 VStG hat der Verfassungsausschuss festgestellt, dass der wesentliche Unterschied darin liegt, dass eine Beratung dazu dient, den Beschuldigten anzuleiten, einen rechtmäßigen Zustand herzustellen. Der Beschuldigte hat binnen einer bestimmten Frist das rechtswidrige Verhalten abzustellen. Stellt er das Verhalten ab, dann ist er nicht zu bestrafen. Die Frage, ob das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 VStG einzustellen ist, stellt sich überhaupt nicht. Eine Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 VStG ist nicht möglich, wenn der Beschuldigte in der strafbaren Handlung verharrt.

Mit „Beratung“ ist keine umfassende Rechtsberatung verbunden, wie sie aus der anwaltlichen oder gerichtlichen Praxis bekannt ist; vielmehr ist darunter zu verstehen, dass die Behörde den Beschuldigten darauf hinweist, eine Verwaltungsübertretung zu begehen, und ihm mitteilt, wie das rechtswidrige Verhalten eingestellt werden kann.

Schließlich hielt der Verfassungsausschuss noch fest, dass „Beraten statt strafen“ nicht zusätzlich zu einem nachfolgenden Strafverfahren stattfindet, sondern statt des Verwaltungsstrafverfahrens. Es wird nämlich in der Mehrzahl der Fälle zu keinem nachfolgenden Strafverfahren kommen, weil der Beschuldigte den rechtmäßigen Zustand herstellen wird.

Ungehorsamsdelikte - Kontrollsystem

Nach § 5 Abs 1 VStG reicht für eine verwaltungsstrafrechtliche Strafbarkeit - soweit nichts Gegenteiliges bestimmt ist - Fahrlässigkeit aus. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne Weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (sogenannte Ungehorsamsdelikte) und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die Bestimmung normiert sohin eine Vermutung der Fahrlässigkeit für Tathandlungen, die als schlichte Tätigkeitsdelikte normiert sind. In solchen Fällen geht der VwGH vom Verschulden des Täters in Form fahrlässigen Verhaltens aus, das durch den Täter zu widerlegen ist.

Durch die nunmehr beschlosse Novelle bleibt zwar § 5 Abs 1 VStG unverändert, wonach zur Strafbarkeit grundsätzlich fahrlässiges Verhalten genügt, das vermutet wird, wenn zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Diese widerlegliche gesetzliche Vermutung von Fahrlässigkeit gilt nach dem neuen § 5 Abs 1a VStG künftig aber nicht mehr, „wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50.000 Euro bedroht ist“. Die ErläutRV weisen diesbezüglich darauf hin, dass eine Verwaltungsübertretung mit einer derart hohen Strafdrohung derart schwerwiegend ist, dass ein Verschulden nicht ohne Weiteres anzunehmen ist.

Außerdem möchte der Gesetzgeber mit dieser Änderung der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zum Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems entgegenwirken: Die ErläutRV (193 BlgNR 26. GP   5) führen dazu aus, dass „in Abkehr von dieser Rechtsprechung ein Verschulden nicht anzunehmen sein soll, wenn der Verantwortliche nachweist, dass er eine qualitätsgesicherte Organisation eingerichtet und geführt hat, die durch externe Prüfung oder durch interne Überwachung (zB durch Betrauung geeigneter Mitarbeiter mit Kontrollaufgaben, fortlaufende Schulungen, den Einsatz automatisierter Überwachungsinstrumente etc) regelmäßig kontrolliert wird. Eine qualitätsgesicherte Organisation liegt etwa vor, wenn ein verlässlicher Mitarbeiter geschult und mit einer entsprechenden Kontrollaufgabe betraut wird. Kontrollsysteme wie beispielsweise die Sicherstellung des Vier-Augen-Prinzips, regelmäßige Stichproben usw stellen weitere Maßnahmen dar, die geeignet sein können, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften sicherzustellen. In diesen Fällen ist anzunehmen, dass die juristische Person ausreichende Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den zuständigen Mitarbeiter (den unmittelbaren Täter) zu verhindern, weswegen eine Strafbarkeit als verantwortliches Organ gemäß § 9 Abs 1 VStG ausgeschlossen ist“.

Hinweis

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die vom Gesetzgeber offensichtlich gewünschte Auswirkung von Kontrollsystemen aus dem Gesetzeswortlaut nicht ableiten lässt und es daher zweifelhaft ist, dass der VwGH die Gesetzesänderung zum Anlass einer Änderung seiner ständigen Rechtsprechung zu wirksamen Kontrollsystemen nehmen wird.11Siehe dazu auch Muzak, Die Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 2018, ZVG 2018, 359.



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