Änderung von AVG, VStG und VwGVG

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrJuli 2023

Gleichstellung von mit der Post und im elektronischen Verkehr eingebrachte Anbringen hinsichtlich des Fristenlaufs; Einführung der Möglichkeit, Verhandlungen bei Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen

Inkrafttreten

21.7.2023

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

31.7.2023

Betroffene Normen

AVG, VStG, VwGVG

Betroffene Rechtsgebiete

 

Quelle

BGBl I 2023/88

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert werden, BGBl I 2023/88 vom 20. 7. 2023 (AB 2108 BlgNR 27. GP ; RV 2081 BlgNR 27. GP ; 269/ME NR 27. GP )

1.  Möglichkeit virtueller/hybrider Verhandlungen

Die mit dem Verwaltungsrechtlichen COVID-19-Begleitgesetz (BGBl I 2020/16) geschaffene Möglichkeit der Durchführung von Verhandlungen (und anderen Amtshandlungen) in verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung hat sich bewährt und wurde nun unabhängig von der epidemischen Lage in das Dauerrecht übernommen.

Dabei sind die unterschiedlichen Zielsetzungen der bisherigen im Vergleich zur nunmehr geltenden Rechtslage zu beachten: Während mit dem COVID-19-VwBG gesichert werden sollte, dass Verhandlungen trotz der bestehenden Kontaktbeschränkungen überhaupt stattfinden können und es somit auch während der Pandemie zu keinem Stillstand bei der Führung von Verwaltungsverfahren kommt, soll die neue Regelung in erster Linie die Verfahrenseffizienz fördern. Entsprechende Möglichkeiten wurden auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeräumt. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde diese Möglichkeit eröffnet, wobei sichergestellt wurde, dass das (Grund-)Recht auf ein faires Verfahren (gemäß Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) in jedem Fall gewährleistet ist. 

2.  Fristenlauf bei im elektronischen Verkehr eingebrachte Anbringen

Außerdem wurden mit der Post und im elektronischen Verkehr eingebrachte Anbringen hinsichtlich des Fristenlaufs gleichgestellt: 

Für im elektronischen Verkehr eingebrachte Anbringen (E-Mail, Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise) sowie – im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und dem VwGH – Schriftsätze wird künftig die Zeit von der Versendung eines solchen an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser nicht in die Frist eingerechnet. Zur Wahrung von (verfahrensrechtlichen) Fristen ist es künftig ausreichend, wenn das Anbringen (der Schriftsatz) am letzten Tag der Frist an die Behörde (an das Gericht) versendet worden ist. Ob diese Versendung während der Amtsstunden oder nach ihrem Ende erfolgt ist und wann das Anbringen (der Schriftsatz) bei der Behörde (beim Gericht) eingelangt ist, ist künftig rechtlich ohne Belang, vorausgesetzt, das Anbringen (der Schriftsatz) langt überhaupt bei der Behörde (beim Gericht) ein und geht nicht auf dem Übermittlungsweg „verloren“. Die Gefahr des „Verlustes“ des Anbringens (des Schriftsatzes) auf dem Übermittlungsweg hat also, ebenso wie bei durch einen Zustelldienst übermittelten Anbringen (Schriftsätzen), nach wie vor der Einschreiter zu tragen. 

Zu beachten ist aber, dass der elektronische Verkehr auch künftig auf bestimmte Formen der elektronischen Übermittlung und auf bestimmte elektronische Adressen beschränkt werden kann. Zu faktischen Verkürzungen der Frist durch Regelungen, wonach am letzten Tag der Frist nach dem Ende der Amtsstunden eingelangte elektronische Anbringen erst mit Beginn der Amtsstunden am nächsten Arbeitstag als „eingebracht“ gelten, kann es jedoch künftig nicht mehr kommen. Auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Einlangens des (fristgebundenen) elektronischen Anbringens (Schriftsatzes) bei der Behörde (beim Gericht) oder ein fiktives Einlangen zu einem späteren Zeitpunkt kommt es hinsichtlich der Rechtzeitigkeit ebenso wenig an wie nach geltenden Rechtslage bei durch einen Zustelldienst übermittelten Sendungen. Durch entsprechende (organisatorische) Beschränkungen kann allerdings weiterhin der Beginn von allfälligen Pflichten der Behörde verschoben werden, da diese in der Regel an das Einlangen anknüpfen (etwa § 73 AVG). Sind Amtsstunden festgelegt, so gilt (wie bisher, sofern keine Sonderbestimmungen bestehen) ein Anbringen erst mit deren Wiederbeginn als eingelangt; an das Einlangen anknüpfende Pflichten beginnen daher erst zu diesem Zeitpunkt (siehe beispielhaft für kurze Entscheidungsfristen etwa § 352 Abs 2 BVergG 2018). Das elektronische Anbringen gilt nun aber auch bei Versendung am letzten Tag der Frist nach Ende der Amtsstunden als rechtzeitig, weil die Zeit bis zum Einlangen bei der Behörde nicht einzurechnen ist.

Sofern bei Behörden Bedenken hinsichtlich der Manipulierbarkeit des Versendungszeitpunktes insbesondere hinsichtlich E-Mails und Telefaxes bestehen, steht es diesen weiterhin frei, E-Mail als zulässige Übermittlungsform auszuschließen (so etwa in § 1 Abs 1 Schlussteil der VwGH-elektronischerVerkehr-Verordnung, BGBl II 2014/360), und sind diese aufgrund des AVG nicht zur Herstellung eines Telefaxanschlusses verpflichtet.

Hinzuweisen ist noch darauf, dass die vorgeschlagene Änderung für die Rechtzeitigkeit von Einwendungen gemäß § 42 Abs 1 AVG zu keiner Änderung führt, weil in § 42 Abs 1 AVG ein Zeitpunkt festgelegt und keine Frist bestimmt wird. Schriftliche Einwendungen müssen daher weiterhin spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bis zum Ende der Amtsstunden bei der Behörde einlangen.



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