Brexit-Begleitgesetz 2019

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrApril 2019

Vorkehrungen des Bundesgesetzgebers für den Fall, dass Großbritannien ohne Austrittsabkommen aus der EU austritt

Inkrafttreten

 

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

2.4.2019

Betroffene Normen

AuslBG, BMSVG, NÄG, Rechtsanwaltsordnung

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht

Quelle

BGBl I 2019/25

Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Studienförderungsgesetz 1992, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Integrationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das EIRAG und das Marktordnungsgesetz 2007 geändert werden sowie ein Bundesgesetz zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland registrierten Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich erlassen wird (Brexit-Begleitgesetz 2019 – BreBeG 2019), BGBl I 2019/25 vom 25. 3. 2019 (AB 506 BlgNR 26. GP ; RV 491 BlgNR 26. GP ; 113/ME NR 26. GP ; 115/ME 26. GP )

Überblick

Das Brexit-Begleitgesetz 2019 dient der Schaffung von Vorkehrungen im Bereich der Bundesgesetzgebung für den Fall, dass Großbritannien ohne Austrittsabkommen gemäß Art 50 Abs 2 EUV aus der EU austritt. Das Sammelgesetz umfasst verschiedene Regelungsbereiche (öffentlicher Dienst, Arbeit, Bildung, Finanzen, Inneres und Integration, Justiz, Landwirtschaft), von denen in der Folge die wichtigsten Bestimmungen iZm der Beschäftigung von Dienstnehmern dargestellt werden.

Die Inkrafttretensbestimmungen und Stichtagsregelungen des Brexit-Begleitgesetzes 2019 knüpfen jeweils an den „Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts“ des Vereinigten Königreichs aus der EU ohne Austrittsabkommen an. Erfolgt der Austritt Großbritanniens tatsächlich ohne Austrittsabkommen gemäß Art 50 Abs 2 EUV, hat der Bundeskanzler den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Austritts im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Abschnitt Arbeit

Ein neuer § 32b AuslBG soll britischen Bürgern, die zum Austrittszeitpunkt bereits ihre unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit in Anspruch genommen haben und in Österreich beschäftigt sind oder waren, den unbeschränkten Arbeitsmarktzugang bis zum Erhalt einer Rot-Weiß-Rot – Karte plus bewahren. Ohne eine solche Übergangsregelung hätten sie nach § 3 Abs 7 AuslBG lediglich die Möglichkeit, beim selben Arbeitgeber weiter zu arbeiten. Da der Großteil der britischen Staatsbürger im qualifizierten Bereich beschäftigt ist, erscheint es arbeitsmarktpolitisch sinnvoll, sie bis zum Erhalt eines Aufenthaltstitels nach dem NAG ungehindert in Österreich weiter arbeiten zu lassen und ihnen auch einen Arbeitgeberwechsel zu ermöglichen.

Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs ohne Austrittsabkommen verlieren britische Staatsangehörige und deren Familienangehörige auch ihr bisheriges unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (4. Hauptstück des NAG). Begleitend zur Übergangsregelung im AuslBG sind daher Sonderregelungen im NAG vorgesehen, die britischen Staatsangehörige unter deutlich vereinfachten Bedingungen die Möglichkeit einräumen, einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erhalten, um so ihren weiteren Aufenthalt und ihren freien Arbeitsmarktzugang zu bewahren. Konkret können britische Staatsangehörige und deren drittstaatsangehörige Familienangehörige ein weiteres Aufenthaltsrecht in Form eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ beantragen, wenn sie zum Austrittszeitpunkt bereits über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Österreich verfügt haben, ihr Aufenthalt nicht den öffentlichen Interessen widerstreitet, dh sie keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, und der Antrag binnen sechs Monaten (ab Austritt) gestellt wird. Bei rechtzeitiger Antragstellung besteht ein Aufenthaltsrecht bis zur rechtskräftigen Entscheidung. Dieses Aufenthaltsrecht kann gegebenenfalls auf Antrag von den Aufenthaltsbehörden mittels Feststellungsbescheid bestätigt werden.

In Bezug auf den Bereich der sozialen Sicherheit bestehen nach Auffassung der EU-Kommission va in zwei Bereichen Verpflichtungen für die EU27 Mitgliedstaaten:

  • Zum einen sind Versicherungs-, Beschäftigungs-, Wohnzeiten und Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, die vor dem Austrittszeitpunkt im Vereinigten Königreich zurückgelegt wurden, auch bei einem späteren Leistungsantrag mit den Zeiten zusammenzurechnen, die in den EU27-Mitgliedstaaten zurückgelegt wurden. Das ergibt sich daraus, dass dieses Recht unmittelbar mit der Ausübung der unionsrechtlichen Freizügigkeit der betroffenen Personen in der Vergangenheit zusammenhängt. Für die Umsetzung dieser Verpflichtung sind unmittelbar die Grundsätze des Unionsrechts anwendbar, insbesondere die VO (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit idgF.
  • Zum anderen müssen die EU27-Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Alterspensionen weiterhin auch bei einem Wohnort der berechtigten Personen im Vereinigten Königreich gewährt werden. Dieser Verpflichtung entspricht das nationale österreichische Recht, indem bei sämtlichen Leistungen der Pensionsversicherung kein Ruhen bei Auslandsaufenthalt vorgesehen ist (zB § 89 ASVG). Daher sind für den Bereich der sozialen Sicherheit aus derzeitiger Sicht keine ergänzenden gesetzlichen Maßnahmen erforderlich.

Hinweis

In der Ausgabe NÖDIS Nr 5/28. 3. 2019 gibt die Niederösterreichische Gebieteskrankenkasse in ihrem Dienstgeber-Magazin einen Überblick auf die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen eines möglichen ungeordneten Austritts Großbritanniens aus der EU. Ein „Hard Brexit“ hätte für Arbeitgeber und deren Arbeitnehmer auch gravierende Auswirkungen bei der sozialversicherungsrechtlichen Zuordnung zu den Rechtsvorschriften Österreichs oder des Vereinigten Königreiches haben, weil ab diesem Zeitpunkt im Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und Österreich die Bestimmungen der VO (EG) 883/2004 und VO (EG) 987/2009 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit keine Anwendung mehr finden und auch sonst kein bilaterales oder multilaterales Abkommen über soziale Sicherheit zwischen den beiden Staaten in Kraft ist. Die grenzüberschreitenden Sachverhalte zwischen den beiden Staaten müssten demzufolge nach jeweils nationalem Recht beurteilt werden. Dies hätte unter anderem zur Folge, dass sowohl bei Entsendungen als auch bei gleichzeitiger Ausübung von Erwerbstätigkeiten im Vereinigten Königreich und in Österreich die Arbeitnehmer in beiden Staaten der Sozialversicherung zu unterstellen wären.

Für in Österreich ausgeübte Tätigkeiten wäre auf § 3 ASVG Bedacht zu nehmen. Als in Österreich beschäftigt gelten gemäß § 3 Abs 1 ASVG unselbstständig Erwerbstätige, deren Beschäftigungsort in Österreich gelegen ist.

Hinsichtlich der Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer führt die NÖGKK weiters aus, dass bei einem ungeordneten Austritt Entsendungen von Österreich in das Vereinigte Königreich nur noch nach § 3 Abs 2 lit d ASVG sozialversicherungsrechtlich geregelt werden können. Demnach gelten Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber den Sitz in Österreich haben und die ins Ausland entsendet werden, als im Inland beschäftigt, sofern ihre Beschäftigung im Ausland die Dauer von fünf Jahren nicht übersteigt.

Im Erkrankungsfall des Arbeitnehmers oder allfälliger Familienangehöriger während des dienstlichen Auslandsaufenthaltes hat der Arbeitgeber gemäß § 130 ASVG die dem Arbeitnehmer vom zuständigen Krankenversicherungsträger zustehenden Leistungen vorzustrecken und den Eintritt des Versicherungsfalles binnen einem Monat dem Versicherungsträger mitzuteilen. In weiterer Folge erstattet der Versicherungsträger dem Arbeitgeber die Kosten (§ 130 Abs 3 ASVG).

Besonders weist die NÖGKK darauf hin, dass die von den britischen und österreichischen Sozialversicherungsträgern ausgestellten Formulare E 101 und Portable Documents PD A1 bei einem „Hard Brexit“ ihre Gültigkeit verlieren und die darin gemäß dem EU-Recht getroffenen Zuordnungen zu den Rechtsvorschriften nur eines Staates nicht mehr gelten würden.

Abschnitt Rechtsanwälte

Im Berufsrecht der Rechtsanwälte müssen jene Konstellationen geregelt werden, in denen ein Staatsangehöriger des Vereinigten Königreichs vor dessen Austritt aus der EU

  • in die Liste der Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen worden ist oder
  • in Ausschöpfung der Möglichkeiten der RL 98/5/EG [zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat...], der RL 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und des EIRAG einen Antrag auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich oder auf Ablegung der Eignungsprüfung nach dem EIRAG gestellt hat.

Die Novelle sieht dazu vor, dass der Betreffende (nur) in den genannten Fällen und unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit auch nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich (bzw zu einer Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter) befugt ist, dies gegebenenfalls mit den Besonderheiten und Einschränkungen gemäß dem 3. Teil des EIRAG. Zur Vermeidung einer Schlechterstellung von österreichischen Staatsangehörigen oder Staatsangehörigen eines anderen EU-Mitgliedstaats/EWR-Vertragsstaats oder der Schweiz soll das insofern im EIRAG vorgesehene Regime auch für solche (natürlichen) Personen gelten, die bis zum Austritt Großbritanniens zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft im Vereinigten Königreich unter der Berufsbezeichnung „Advocate“, „Barrister“ oder „Solicitor“ berechtigt waren oder – bezogen auf die Eignungsprüfung – über einen Ausbildungsnachweis verfügt haben, der zum unmittelbaren Zugang zu einem dieser Berufe berechtigt, und die bereits vor dem Austrittszeitpunkt die „Vollintegration“ initiiert haben.

Hinsichtlich der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in einer Gesellschaft wird vorgesehen, dass eine in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften eingetragene Gesellschaft britischen Rechts zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft auch nach dem Austritt Großbritanniens für einen Zeitraum von einem Jahr zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich berechtigt ist (ebenso eine Rechtsanwalts-Kommanditgesellschaft, an der als einziger Komplementär eine Gesellschaft britischen Rechts beteiligt ist, bzw auch Zweigniederlassungen von Rechtsanwalts-Gesellschaften mit Hauptsitz im Vereinigten Königreich).



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