Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024

GesetzgebungZivilrechtKolmaschApril 2024

Sonderregelung für die Baumhaftung

Inkrafttreten

1.5.2024

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

17.4.2024

Betroffene Normen

ABGB

Betroffene Rechtsgebiete

Schadenersatz

Quelle

BGBl I 2024/33

Bundesgesetz, mit dem zur Lösung haftungsrechtlicher Fragen bei Bäumen das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird (Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 – HaftRÄG 2024), BGBl I 2024/33 vom 17. 4. 2024 (RV: 2462 BlgNR 27. GP ; AB 2481 BlgNR 27. GP ).

Einleitung

Mit dem Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 (HaftRÄG 2024) wurde im neuen § 1319b ABGB die Baumhaftung geregelt. Deklariertes Ziel des Gesetzgebers war es, Baumhaltern mit der Neuregelung übertriebene Haftungsängste zu nehmen, die unnötige, den ökologisch wertvollen Baumbestand beeinträchtigende Sicherungsmaßnahmen zur Folge haben können.11ErlRV 2462 BlgNR 27. GP 1. Die neue Rechtslage tritt am 1. 5. 2024 in Kraft und gilt nur für ab diesem Zeitpunkt eintretende Schadensereignisse (§ 1503 Abs 25 ABGB).

Baumhaftung

Die Haftung für Schäden, die durch das Umstürzen eines Baumes oder das Herabfallen von Ästen verursacht werden, wurde bisher aufgrund eines Analogieschlusses nach den Regeln der Bauwerkhaftung (§ 1319 ABGB) geprüft.22Siehe zB 2 Ob 50/20x = Zak 2020/519, 296. Dieser Haftungstatbestand hat für den Schädiger im Vergleich zu allgemeinen Haftungsregeln zwei Nachteile. Erstens reicht nach hA unabhängig von der subjektiven Vorwerfbarkeit ein objektiver Sorgfaltsverstoß für die Haftung aus. Zweitens kommt es diesbezüglich noch dazu zur Beweislastumkehr; der Schädiger kann sich nur den Nachweis, die objektive Sorgfalt eingehalten zu haben, von der Haftung befreien.33Näher Kolmasch, Judikaturübersicht: Fälle der Bauwerkhaftung, Zak 2016/129, 67.

Demgegenüber regelt § 1319b ABGB die Baumhaftung als klassische Verschuldenshaftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ohne Beweislastumkehr. Erfasst sind Körper- und Sachschäden, die durch die bisher der Bauwerkhaftung unterstellten Schadensereignisse (Umstürzen, Herabfallen von Ästen) verursacht werden. Andere Schadensereignisse (zB Sturz einer Person vom Baum, Schäden durch herabfallende Früchte) unterliegen den allgemeinen Haftungsregeln.44ErlRV 2462 BlgNR 27. GP 5. Passiv legitimiert ist nach § 1319b Abs 1 ABGB der Halter des Baumes, dh idR der Eigentümer oder Pächter der Liegenschaft, auf welcher der Baum steht.55ErlRV 2462 BlgNR 27. GP 5. Das im Text der neuen Bestimmung nicht angesprochene Verschuldenserfordernis folgt aus dem allgemeinen Haftungsrecht. Leichte Fahrlässigkeit genügt.

§ 1319b ABGB gilt nur für Bäume außerhalb von Wäldern. Die Haftung für Waldbäume richtet sich – wie nach der geltenden Rechtslage669 Ob 7/18x = Zak 2018/821, 439. – nach der Sonderhaftungsregelung des § 176 ForstG.

Sorgfaltspflichten

Haftungsgrund ist die Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes.77ErlRV 2462 BlgNR 27. GP 6. § 1319b Abs 2 ABGB zählt beispielhaft („insbesondere“) Kriterien für die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Baumhalters auf, nämlich Standort, standortbezogene Gefahr, Größe, Wuchs und Zustand des Baumes. Begrenzt werden die Pflichten durch ein Zumutbarkeitskriterium. Vom Baumhalter können nur zumutbare Prüf- und Sicherungsmaßnahmen verlangt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, ob ein besonderes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand des Baumes besteht (zB als Naturdenkmal oder wegen einer sonstigen besonderen Bedeutung für die Umgebung). Nach den Materialien ist dies so zu verstehen, dass das besondere Interesse dafür spricht, dass keine unmittelbare Gefahrenbeseitigung durch Fällen oder Abschneiden absturzgefährdeter Äste erforderlich ist, sondern Absperrungen oder Gefahrenhinweise ausreichen.88ErlRV 2462 BlgNR 27. GP 6.

Eine konkrete Frequenz für Baumkontrollen schreibt § 1319b ABGB nicht vor. Nach den Materialien ist die zumutbare Kontrollfrequenz vom Gefahrenpotential im Einzelfall abhängig und kann sowohl unter einem Jahr als auch deutlich darüber liegen.99ErlRV 2462 BlgNR 27. GP 6.

Wegehalterhaftung

Während die neue Baumhaftung die Anwendung der Bauwerkhaftung auf Baumschäden ausschließt, stehen die Baumhaftung und die Wegehalterhaftung iSd § 1319a ABGB nach den Materialien in Konkurrenz, wenn der Baumzustand die Verkehrssicherheit eines Weges beeinträchtigt.1010ErlRV 2462 BlgNR 27. GP 5 f. Unabhängig davon, ob es sich beim Baum- und Wegehalter um unterschiedliche Personen oder dieselbe Person handelt, kann sich eine Haftung unter den jeweiligen Voraussetzungen aus beiden Haftungsgründen ergeben.

 

 



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