Änderung der Arbeitszeitregelungen für Lenker

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrApril 2022

Anpassung der Bestimmungen für Lenker im AZG und ARG an das EU-Mobilitätspaket (ua EU-Anpassungen für VO-Fahrzeuge, Angleichungen für sonstige Fahrzeuge, Modernisierung der Lenkzeitaufzeichnungen)

Inkrafttreten

1.6.2022

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

27.4.2022

Betroffene Normen

ARG, AZG, KJBG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Quelle

BGBl I 2022/58

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 geändert werden, BGBl I 2022/58 vom 14. 4. 2022 (AB 1404 BlgNR 27. GP ; RV 1331 BlgNR 27. GP ; 136/ME NR 27. GP )

1. Überblick

Am 31. 7. 2020 wurde das so genannte „Mobilitätspaket“ im EU-Amtsblatt L 249 kundgemacht. Dieses besteht ua aus der Verordnung (EU) 2020/1054 [zur Änderung der Lenkzeit-Verordnungen (EG) 561/2006 und der Kontrollgeräte-Verordnung (EU) 165/2014 ], sowie einer Änderung der Kontroll-Richtlinie 2006/22/EG . Die Verordnungen sind bereits am 20. 8. 2020 in Kraft getreten und gelten für VO-Fahrzeuge unmittelbar, dennoch sind legistische Begleitmaßnahmen in AZG und ARG erforderlich, insbesondere bei den Strafbestimmungen. Weiters wurden auch die Regelungen für die sonstigen Fahrzeuge, für die die Verordnungen nicht gelten, an jene der Verordnung angeglichen.

Überwiegend zum 1. 6. 2022 werden ua folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Die Erweiterung des Geltungsbereichs ab 1. 7. 2026 durch die Absenkung des Mindestgewichts von Lkw von 3,5 t auf 2,5 t
  • Das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen sowie die Verpflichtung zur Planung dieser regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten, um diese mindestens einmal monatlich daheim verbringen zu können.
  • Neue Abweichungsmöglichkeiten von den Lenkzeiten (die auch aufgezeichnet werden müssen) iZm dem Heimfahren zur Absolvierung der wöchentlichen Ruhezeit
  • Angleichung der Regelungen für die sonstigen Fahrzeuge an den Inhalt der Verordnung (EG) 561/2006   und die Verordnung (EU) 165/2014  
  • Die Verlängerung der Mitführpflicht für Lenkeraufzeichnungen ab 31. 12. 2024
  • Die Ersetzung des persönlichen Fahrtenbuchs durch das Lenkprotokoll
  • Schaffung der Möglichkeit der Aufzeichnungen von Lenkzeiten am digitalen Kontrollgerät auch bei jugendlichen Berufskraftfahrern

Die wichtigsten neuen Bestimmungen kurz zusammengefasst:

2. Erweiterung des Geltungsbereichs

Die EU-Lenkzeiten-Verordnung 561/2006 gilt derzeit für die Güterbeförderung mit Fahrzeugen, deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt. Ab 1. 7. 2026 gilt diese auch für grenzüberschreitende Güterbeförderungen oder Kabotagebeförderungen mit Lkw bereits ab einer Höchstmasse von mehr als 2,5 t. Die dafür notwendigen Anpassungen in der Definition von VO-Fahrzeugen im AZG wurde bereits jetzt vorgenommen. (§ 13 Abs 1 Z 2 lit a AZG)

3. Angleichung der Regelungen für die sonstigen Fahrzeuge an den Inhalt der Verordnungen

  • Verbot bestimmter Arten von Entgelt: Das bestehende Verbot, die Lenker auch von sonstigen Fahrzeugen nicht nach Maßgabe der zurückgelegten Strecke oder der Menge der beförderten Güter zu entlohnen, wird (analog zu Art 10 Abs 1 der VO 561/2006 ) um ein Verbot der Entlohnung nach der Schnelligkeit der Auslieferung erweitert. (§ 15c AZG)
  • Neue Abweichungsmöglichkeiten von den Lenkzeiten: Bis zum Inkrafttreten des Mobilitätspakets enthielt der Art 12 der VO 561/2006 lediglich einen Absatz betreffend Möglichkeiten der Abweichung zur Erreichung eines Halteplatzes. Der Lenker hat Art und Grund dieser Abweichung zu vermerken, das Unterlassen dieses Vermerks ist gemäß § 28 Abs 5 Z 4 AZG für den Arbeitgeber strafbar. Dies gilt gemäß § 15d Abs 1 iVm § 28 Abs 3 Z 6 AZG auch für sonstige Fahrzeuge. Art 12 VO 561/2006 wurde nunmehr um eine Abweichungsmöglichkeit erweitert, wonach der Lenker die tägliche und wöchentliche Lenkzeit um ein oder zwei Stunden überschreiten kann, um die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder seinen Wohnsitz zu erreichen, um eine wöchentliche Ruhezeit einzulegen. Diese Abweichung gilt ebenso für sonstige Fahrzeuge und ist auch in diesem Fall ein Vermerk notwendig (§ 15d Abs 3 letzter Satz AZG).Die Zulässigkeit einer solchen Verlängerung der Lenkzeit ist nur bei der Erfüllung mehrerer Voraussetzungen gegeben, ist eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben, liegt ein Verstoß gegen die Lenkzeiten-Verordnung vor:
    • es müssen außergewöhnliche Umstände vorliegen, was ein regelmäßiges Einkalkulieren einer solchen Verlängerung ausschließt;
    • es darf nicht zu einer Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit gemäß § 13b AZG kommen;
    • eine Verlängerung um 2 Stunden ist nur zulässig, um eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit einzulegen, eine Verlängerung um eine Stunde ist auch möglich, um eine verkürzte wöchentliche Ruhezeit einzulegen;
    • jede Lenkzeitverlängerung ist durch eine gleichwertige Lenk- oder Ruhepause auszugleichen, die zusammen mit einer beliebigen Ruhezeit ohne Unterbrechung bis zum Ende der dritten Woche nach der betreffenden Woche genommen werden muss.

4. Änderungen iZm Fahrtenbuch/Lenkprotokoll

Im Sinne der Rechtsklarheit wird der Begriff „persönliches Fahrtenbuch“ an die Terminologie der Lenkprotokoll-Verordnung, BGBl II 2017/313, („Lenkprotokoll“) angepasst, inhaltlich ergeben sich daraus keine Änderungen.

Bei der Mitführverpflichtung in § 17 Abs 4 AZG wird über die terminologische Änderung hinaus klargestellt, dass neben dem aktuellen Lenkprotokoll auch die Lenkprotokolle der letzten 56 Tage (bis zum Ablauf des 30. 12. 2024 beträgt die Frist 28 Tage) mitzuführen sind. Diese Klarstellung erscheint notwendig, da die Lenkprotokolle nicht notwendigerweise gebunden sind wie das alte Fahrtenbuch. Das bisherige vom Arbeitgeber zu führende Verzeichnis der Fahrtenbücher kann daher entfallen. Anstelle dessen wird im § 17 Abs 5 AZG nunmehr ausdrücklich die Führung eines Verzeichnisses über die als Lenker eingesetzten Arbeitnehmer geregelt, wie es in § 3 Abs 2 und 3 der Lenkprotokoll-Verordnung vorgesehen ist. Dieses Verzeichnis dient vor allem dazu, den Arbeitsinspektoraten einen raschen Überblick zu verschaffen, welche Lenker Protokolle im Sinne dieser Verordnung führen und ob die Arbeitgeber die Führung der Lenkprotokolle entsprechend kontrollieren.

Weiters wurde auch im Gesetz ausdrücklich klargestellt, dass eine elektronische Führung der Lenkprotokolle und des Verzeichnisses möglich ist. Entsprechende technische Lösungen sind derzeit entweder bereits am Markt oder gerade in Entwicklung.

5. Änderungen iZm wöchentlichen Ruhezeiten

Gemäß Art 8 Abs 8 der VO (EG) 561/2006 sind die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten anstatt im Fahrzeug in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen, auf Kosten des Arbeitgebers. Um die Einhaltung dieser Bestimmung durch die Organe der Arbeitsinspektion kontrollieren zu können, werden entsprechende Aufzeichnungen darüber (Hotelrechnungen etc) zusätzlich als Lenkeraufzeichnungen festgelegt. (§ 17b AZG)

Derzeit sind Arbeitgeber strafbar, die die wöchentliche Ruhezeit gemäß Art 8 Abs 6 bis 7 der VO (EG) 561/2006 nicht gewähren. Durch die neue Verordnung wird der Art 8 um die Abs 6b, 8 und 8a erweitert, die nunmehr in den Strafenkatalog des § 27 Abs 2 ARG aufgenommen werden. Die neuen Bestimmungen betreffen:

  • den Ausgleich der Reduzierung einer wöchentlichen Ruhezeit vor dem Ende der dritten Woche nach der entsprechenden Reduktion oder ein Ausgleich vor der darauffolgenden wöchentlichen Ruhezeit, wenn zwei reduzierte wöchentliche Ruhezeiten nacheinander eingelegt wurden,
  • das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit (inklusive jeder wöchentlichen Ruhezeit von mehr als 45 Stunden) im Fahrzeug zu verbringen,
  • die Verpflichtung zur Planung der wöchentlichen Ruhezeiten, die es jedem Lenker ermöglichen soll, innerhalb jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen nach Hause zurückzukehren.

Die Planungsverpflichtung umfasst das Recht der Lenker, entweder an seinen Wohnsitz zurückzukehren, oder zu jener Betriebsstätte des Arbeitgebers, der er normalerweise zugeordnet ist. Dieses Rückkehrrecht soll dazu dienen, mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit, daheim zu verbringen. Als Nachweis für die Einhaltung dieser Bestimmung haben die Arbeitgeber etwa in den Arbeitszeitaufzeichnungen festzuhalten, ob die wöchentliche Ruhezeit auswärts oder daheim verbracht wurde. Zusätzlich sind wohl die entsprechenden Tourenplanungen zu dokumentieren und diese Unterlagen aufzubewahren.

6. Aufzeichnung von Lenkzeiten bei jugendlichen Berufskraftfahrern

Derzeit müssen Arbeitgeber, die jugendliche Berufskraftfahrer beschäftigen, jedenfalls ein Wochenberichtsblatt führen, unabhängig davon, ob das Fahrzeug mit einem (analogen oder digitalen) Kontrollgerät ausgestattet ist. Da die Authentizität der Aufzeichnungen vom Kontrollgerät (Schaublätter, Ausdrucke) um ein Vielfaches höher ist als jene am Wochenberichtsblatt, erfolgt künftig die Aufzeichnung der Lenkzeiten und Lenkpausen von Jugendlichen auf Fahrzeugen mit Kontrollgeräten mittels Ausdruck vom digitalen Kontrollgerät oder Schaublättern, gegebenenfalls mit der Fahrerkarte (§ 26a Abs 1 KJBG). Die Pflicht zur Führung eines Wochenberichtsblattes wird auf jene Fahrten beschränkt, bei denen mit einem Fahrzeug ohne Kontrollgerät gefahren wird. Das bisherige Erfordernis einer Führung in zweifacher Ausführung entfällt.

Weiters wurde noch eine Unterweisungspflicht eingeführt (analog § 17a Abs 1 AZG), die bei Jugendlichen noch wichtiger erscheint als bei Erwachsenen und die für alle Kontrollgeräte gilt.



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