Faire-Wettbewerbsbedingungen: FWBG-Novelle

GesetzgebungWirtschaftsrechtKriwanek/TumaJänner 2022

Beseitigung unlauterer Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (Umsetzung der RL (EU) 2019/633 ); Stärkung der Lieferanten (landwirtschaftliche Erzeuger und gewerbliche Produzenten)

Inkrafttreten

1.1.2022

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

3.1.2022

Betroffene Normen

FWBG

Betroffene Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht, Verwaltungsrecht

Quelle

BGBl I 2021/239, 408/BNR , AB 1212 , RV 1167 BlgNR 27. GP , 145/ME

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert wird (BGBl I 2021/239408/BNR , AB 1212 , RV 1167 BlgNR 27. GP , 145/ME)

Mit diesem Bundesgesetz wird va die RL (EU) 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette in nationales Recht umgesetzt. Die Bestimmungen dieser Gesetzesnovelle gelten nicht für Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Verbrauchern.

Lebensmittelhandel

In der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette bestehen oft erhebliche Ungleichgewichte in Bezug auf die Verhandlungsmacht von Lieferanten (oft kleine und mittlere Unternehmen aus Landwirtschaft und Gewerbe) und Käufern von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen (oft große Handelskonzerne). Marktmächtigere Unternehmen (insb auch iSv relativer Marktmacht) können in der Lage sein, Konditionen zu bestimmen, die für die schwächeren Geschäftspartner nachteilig sind. Werden Konditionen nicht akzeptiert, könnten einzelne Produkte oder Produktgruppen aus dem Sortiment des Handels genommen werden, was letztlich zum Ausscheiden von KMU aus dem Markt führen und eine höhere Konzentration bewirken könnte, die langfristig für den Wettbewerb schädlich sein könnte.

Die RL verbietet bestimmte Handelspraktiken (zB zu lange Zahlungsfristen, kurzfristige Stornierungen, einseitige Änderung der Bedingungen einer Liefervereinbarung etc).

Dies wird im „Nahversorgungsgesetz“ (nunmehr mit dem offiziellen Kurztitel „Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz – FWBG“) ua durch folgende Anhänge umgesetzt:

  • Anhang I - Liste von unter allen Umständen verbotenen Handelspraktiken in Beziehungen zwischen Käufern und Lieferanten in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette;
  • Anhang II – Liste von Handelspraktiken, die verboten sind, außer sie wurden zuvor klar und eindeutig in der Liefervereinbarung oder einer Folgevereinbarung zwischen dem Lieferanten und dem Käufer vereinbart

Entsprechend den Vorgaben der RL werden weiters anonyme Beschwerdemöglichkeiten geschaffen, um dem sog. „Fear effect“ entgegenzuwirken (Angst, Klagen einzubringen, weil die Auslistung befürchtet wird). Die Beschwerdestelle stellt sicher, dass Anfragen vertraulich behandelt werden, solange dies der Beschwerdeführer wünscht, und bietet die Möglichkeit, den Beschwerdefall zu analysieren, ob und welche rechtlichen Anknüpfungspunkte vorliegen. Dadurch können Fälle schon im Vorfeld gelöst werden.

Diese weisungsfreie und unabhängige Erstanlaufstelle wird mit Wirksamkeit vom 1. 3. 2022  beim Landwirtschaftministerium eingerichtet und hat folgende Aufgaben:

1. allgemeine Beratung und Analyse von Beschwerdefällen,

2. im Einvernehmen mit dem Beschwerdeführer: Befassung des Beschwerdegegners mit dem Gegenstand der Beschwerde,

3. Befassung einer Schlichtungsstelle (einer Körperschaft öffentlichen Rechts, insb einer Notariatskammer oder einer Rechtsanwaltskammer) auf Wunsch des Beschwerdeführers und Beschwerdegegners,

4. Befassung einer geeigneten Interessenvertretung im Einvernehmen mit dem Beschwerdeführer, wenn die Erstanlaufstelle dies im Hinblick auf die Behandlung einer konkreten Beschwerde oder aufgrund der Bedeutung einer Beschwerde über den Einzelfall hinaus für zweckmäßig erachtet.

Geregelt wird auch das Verfahren vor der Ermittlungsbehörde (Bundeswettbewerbsbehörde), die über eine Beschwerde (etwa eines Lieferanten oder einer Erzeugerorganisation), aber auch von Amts wegen tätig werden kann. Auch hier regeln diverse Bestimmungen den Schutz des bf Lieferanten und des Beschwerdegegners (etwa Anordnung von Hausdurchsuchungen nur durch das Kartellgericht; Verwertung der erlangten Kenntnisse nur zu dem mit der Ermittlungshandlung verfolgten Zweck).

Geltungsbeginn und Geltungsdauer

Das Inkrafttreten der neuen Bestimmunge ist grds für den Tag nach Kundmachung im BGBl vorgesehen.

Liefervereinbarungen, die davor abgeschlossen wurden, müssen bis zum 1. 5. 2022 mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Einklang gebracht werden. Danach droht eine Geldbuße iHv bis zu 500.000 €, die gegen einen Käufer vom Kartellgericht auf Antrag der BWB verhängt werden kann.

Insoweit § 5a Abs 2 Z 6 FWBG den Geltungsbereich der Neuregelungen über die EU-Richtlinie hinaus erweitert - nämlich für das Verhältnis zwischen Lieferanten mit einem Jahresumsatz von mehr als 350 Mio Euro und höchstens 1 Milliarde Euro  und Käufern mit einem Jahresumsatz von mehr als 5 Milliarden Euro -, wird eine Befristung von 4 Jahren verankert (Außerkrafttreten der Neuregelungen für diese Wirtschaftsteilnehmer mit 31. 12. 2025). Eine Verlängerung dieser Frist über Dezember 2025 hinaus wird Gegenstand einer Evaluierung sein. 

Online-Vermittlungsdienste 

Die VO (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online Vermittlungsdiensten ist seit 12. 7. 2020 in Kraft und unmittelbar anwendbar. Hinsichtlich der Durchsetzung ist die VO sehr offen formuliert; das vorgesehene Instrument der Unterlassungsklagen ist in Österreich gut etabliert, weshalb die öffentlichen Stellen bereits notifiziert sind, die Klagen zur Untersagung bzw Beendigung von verordnungswidrigen Verhaltensweisen einbringen können (vgl § 7 iVm (ua) § 1 FWBG betr Verhaltensweisen von Unternehmern im geschäftlichen Verkehr untereinander, die geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden, wie etwa sachlich nicht gerechtfertigtes   Anbieten oder Fordern von Rabatten oder Sonderkonditionen).

Mit dem neuen § 1 Abs 3 FWBG wird dazu nun sichergestellt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde  derartige Klagen (auch) gegen Verhaltensweisen einbringen kann, die gegen die VO (EU) 2019/1150 verstoßen (Definition solcher Praktiken als „jedenfalls geeignet, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden“).

 

 

 



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