Eine nach mitgliedstaatlichem Recht gegründete Gesellschaft existiert nur aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften, die für ihre Gründung und ihre Funktionsweise maßgebend sind (sog „Geschöpftheorie“).60 Daher bestimmt jeder Mitgliedstaat selbst, welche Verbindung eine Gesellschaft mit dem nationalen Gebiet aufweisen muss, um als nach seinem innerstaatlichen Recht gegründet angesehen zu werden und damit in den Genuss der Niederlassungsfreiheit gelangen zu können. Diese „Anknüpfungshoheit der Entstehungsrechtsordnung“ wird auch durch Art 54 Abs 1 AEUV unterstrichen, welcher den Satzungs- und den Hauptverwaltungssitz sowie die Hauptniederlassung als Anknüpfungspunkte gleichermaßen achtet. Konsequenterweise obliegt dem jeweiligen Mitgliedstaat auch die Bestimmung der Anknüpfung, die erforderlich ist, damit diese Eigenschaft später erhalten bleibt.61 Daher bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, die rechtsformerhaltende Sitzverlegung in andere Mitgliedstaaten zu erlauben oder auch abzulehnen.62 Eine Ablehnung der rechtsformerhaltenden Sitzverlegung kann sich sowohl aus materiell-rechtlichen Vorschriften (zB verpflichtender Verwaltungs- bzw Satzungssitz im Inland) als auch aus dem Kollisionsrecht (zB Sitztheorie) ergeben.
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