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B. Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung (Koller)

Koller1. AuflJuli 2011

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Vorweg ist festzuhalten, dass die dogmatische Einordnung der Schiedsvereinbarung keineswegs geeignet ist, sämtliche die Schiedsvereinbarung umkreisende Zweifelsfragen durch begriffsjuristische Deduktionen zu lösen – dies zeigt sich bereits im Zusammenhang mit ihrer kollisionsrechtlichen Beurteilung.1313Vgl nur Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit2 Rz 249; zum anwendbaren Recht s Rz 3/49 ff. In der österreichischen Lehre1414 Böhm, ZfRV 1968, 262 f (mit umfassenden Nachweisen der älteren deutschen und österreichischen Lit und Jud); ders, FS Fasching 129 und 130; Fasching, Schiedsgericht 30; ders, Kommentar IV 731; ders in Fasching/Konecny2 II/1 Einl Rz 115; ders, Lehrbuch2 Rz 2717; grundsätzlich auch Fremuth-Wolf, Schiedsvereinbarung 68; Hausmaninger in Fasching/Konecny2 IV/2 § 581 ZPO Rz 94; Holzhammer, Zivilprozessrecht2 363; Rummel, RZ 1986, 146; Schneider, Auslegung 39; Rechberger/Melis in Rechberger3 § 581 ZPO Rz 5; Zeiler § 581 Rz 18. und Rsp1515Vgl nur OGH 7 Ob 266/08 f; 3 Ob 281/06d; 1 Ob 22/03x, GesRZ 2003, 298 = RdW 2003/438; 3 Ob 2372/96m, SZ 71/82 = JBl 1999, 390; 1 Ob 545/86, RdW 1987, 54. hat sich die Qualifikation der Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag durchgesetzt. Diese Zuordnung stützt sich auf den Inhalt und die Rechtswirkungen der Schiedsvereinbarung, die nicht das streitige Rechtsverhältnis selbst regelt, sondern die Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts bewirkt und somit ein Prozesshindernis für das Verfahren vor den staatlichen Gerichten begründet. Es ist bezeichnend für die Rechtsnatur der Schiedsgerichtsbarkeit insgesamt – und daher für die der Schiedsvereinbarung –, dass der Schiedsspruch gem § 607 ZPO zwischen den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils hat; maW ist dieser kein bloßer Gestaltungsakt, sondern vielmehr Rechtsprechungsakt.1616Ebenso zur dt Rechtslage Schlosser in Stein/Jonas IX22 § 1029 dZPO Rz 1. Aus der

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prozessualen Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung folgt jedoch mitnichten die Unanwendbarkeit sämtlicher materiellrechtlicher Bestimmungen. Die im bürgerlichen Recht positiv-rechtlich verankerten (allgemeinen) Prinzipien des Vertragsrechts gelten – vorbehaltlich anders lautender Sonderbestimmungen – für sämtliche Rechtsgebiete, in denen Verträge vorkommen.1717 Böhm, ZfRV 1968, 265, bezeichnet daher den Vertrag als eine allgemeinrechtliche Kategorie; Wagner, Prozessverträge 279 mwN; Schwab/Walter 7 Kap 7 Rz 37; ebenso bereits zur Anwendung der allgemeinen Vertragsrechtslehre auf Gerichtsstandsvereinbarungen Oberhammer, JBl 1997, 434; aA offenbar noch Matscher, JBl 1975, 414. In Ermangelung prozessrechtlicher Regelungen sind daher die im ABGB positivierten Prinzipien des Vertragsrechts – etwa die Grundsätze über das Zustandekommen und die Auslegung von Verträgen – auf Schiedsvereinbarungen (zumindest analog) anzuwenden.1818Wie hier Hausmaninger in Fasching/Konecny2 IV/2 § 581 ZPO Rz 97; Zeiler § 581 Rz 19; Wagner, Prozessverträge 583.

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