Bundesgesetz, mit dem das Haftungsrecht geändert wird (Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2019 – HaftRÄG 2019), BGBl I 2019/69 vom 23. 7. 2019 (AB 656 BlgNR 26. GP ; RV 623 BlgNR 26. GP ).
Neuregelung
Das HaftRÄG 2019 besteht aus einer Sonderregelung für die Tierhalterhaftung in der Alm- und Weidewirtschaft (§ 1320 Abs 2 ABGB) und dem zugehörigen Übergangsrecht (§ 1503 Abs 12 ABGB).
Anlass war ein aus den Medien bekanntes Urteil, mit dem ein Landwirt (noch nicht rechtskräftig) zu einer hohen Schadenersatzleistung verpflichtet wurde, nachdem eine seiner Kühe eine Wanderin auf einer Alm tödlich verletzt hatte. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es, die Rechtssicherheit für Landwirte zu erhöhen, „konkretere“ Kriterien für die Verwahrungspflichten vorzugeben und die Eigenverantwortung von Wanderern und Spaziergängern zu betonen.1 Dadurch soll insb vermieden werden, dass Almen aus Furcht vor einer Haftung für Besucher gesperrt werden.2
Die Sonderregelung in § 1320 Abs 2 ABGB hat folgende Struktur:
- Gem S 1 kann der Tierhalter in der Alm- und Weidewirtschaft auf anerkannte Standards zurückgreifen. Nach den Gesetzesmaterialien kann es sich dabei bspw um von den gesetzlichen landwirtschaftlichen Interessenvertretungen ausgearbeitete Standards handeln, die sich jedoch an der bisherigen Rsp orientieren müssten.3 Bei Erfüllung dieser Standards liege idR kein Verstoß gegen die Verwahrungspflichten vor.
- S 2 führt einige Kriterien an, anhand deren die Verwahrungspflichten zu beurteilen sind, wenn solche Standards keine Rolle spielen (weil sie nicht existieren, eine bestimmte Frage nicht regeln oder sich der Tierhalter nicht daran halten will). Abzustellen ist dann auf die dem Tierhalter bekannte Gefährlichkeit der Tiere, die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Gefahrenvermeidung und die erwartbare Eigenverantwortung anderer Personen.
- Zuletzt nennt S 3 einige Kriterien für die erwartbare Eigenverantwortung von Almbesuchern (drohende Gefahr, Verkehrsübung, anwendbare Verhaltensregeln). Nach den Materialien kann die Eigenverantwortung je nach den Umständen als Mitverschulden oder haftungsausschließend wirken.4 An einer Stelle scheinen sie überhaupt davon auszugehen, dass der Aufenthalt von Wanderern im Almbereich auf eigene Verantwortung erfolgt und es „keiner Information über mögliche Gefahren“ durch den Tierhalter mehr bedarf, weil die Risiken ohnedies bekannt sind.5
Das HaftRÄG 2019 tritt an dem der Kundmachung im BGBl folgenden Tag, dh mit 24. 7. 2019, in Kraft und ist nur auf nach Inkrafttreten eintretende Schadensereignisse anwendbar (§ 1503 Abs 12 ABGB). Drei Jahre nach Inkrafttreten hat der BMVRDJ dem Nationalrat einen Bericht über die Auswirkungen vorzulegen.
Literatur
- Höller, Kuhattacken, § 1320 ABGB und das Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2019, ÖJZ 2021, 453 (siehe Zak 2021/331).
- Dullinger, Haftung für Schäden durch Weidetiere nach dem HaftRÄG 2019, JBl 2020, 686.
- Hinteregger, Anm zu ZVR 2020/119 (siehe Zak 2020/484).
- Ollinger, Das Kuh-Urteil und die neue Eigenverantwortung, Zak 2019/628, 344.