Unter einer Vorfrage (= präjudizielle Rechtsfrage) versteht man eine Rechtsfrage, von deren Beantwortung die Antwort auf die Hauptfrage abhängt, die einer eigenen gerichtlichen Entscheidung zugänglich ist und im IPR einen eigenen Anknüpfungsgegenstand bildet.112 Dh, für ein Tatbestandselement einer IPR-Norm oder einer Sachnorm ist eine eigene kollisionsrechtliche Anknüpfung vorgesehen. Es handelt sich bei der Vorfrage um ein Rechtsverhältnis (zB Ehe, Eigentum), nicht um ein „bloßes“ Tatbestandsmerkmal: Bloße Tatbestandsmerkmale sind im Vertragsrecht etwa die Formgültigkeit des Vertrags (Art 11 Rom I) oder die Geschäftsfähigkeit der Parteien (§ 12 IPRG). Beide Fragen sind einer eigenen Anknüpfung zuzuführen, sie werden nicht vom Vertragsstatut erfasst. Sie sind aber keine präjudiziellen Rechtsfragen im oben erwähnten Sinn (keiner eigenen Entscheidung zugänglich). Manche Autoren nennen solche schlichten Tatbestandsmerkmale mit eigener Anknüpfung auch „Teilfragen“.113
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