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IX. Die Kausalität

Bürkl1. AuflMärz 2023

A. Allgemeines

1. Die Äquivalenztheorie

§ 1302 ABGB nennt den „verursachten Schaden“, wobei hier nun näher auf diese Verursachung eingegangen werden soll. Mit dieser Wortfolge gibt der Gesetzgeber den Hinweis, dass es grundsätzlich eine Kausalverknüpfung zwischen dem Schaden und den handelnden Personen braucht. Spricht man im Allgemeinen von der sog Schädigermehrheit, bedient man sich dabei auch des Begriffes „Schädiger“. Der zur Ersatzleistung heranziehbare Schädiger ist dabei allgemein gesprochen jene Person, aus dessen Handlung oder Unterlassung der Schaden entsprungen ist – es soll also grundsätzlich jene Person ersatzpflichtig werden, die den Schaden verursacht hat471471 S zB Kleewein, Hypothetische Kausalität 7; Koziol, Haftpflichtrecht I4 B2 Rz 1; Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht7 326; Rabl/Herndl/Riedler, Schuldrecht BT III7 Rz 13/10; Riedler, ZR IV SchRBT GesSch6 Rz 2/49.. Soll der Schaden also von einer anderen Person als dem Eigentümer (vgl § 1311 ABGB) getragen werden, braucht es sachliche Gründe dafür, die Ersatzverpflichtung gerade einer bestimmten Person aufzuerlegen472472 Koziol, Grundfragen Rz 5/53; Riedler, ZR IV SchRBT GesSch6 Rz 2/1; Wittwer in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar5 § 1295 Rz 10 f.. Das Gesetz setzt an vielen Stellen einen Grundpfeiler unsereres Haftungsrechts, die Kausalität, als einen derartigen sachlichen Grund und Voraussetzung für den Zuspruch eines Schadenersatzanspruches fest473473 Zu beachten sind allerdings etwa die bereits dargestellten Fälle der Haftung bei bloß potentieller Kausalität. S dazu nähere Ausführungen auch im Kapitel IX.A.3. – eine Legaldefinition der Kausalität sucht man jedoch vergeblich474474 Zur Kausalität als Rechtsbegriff s F. Bydlinski, Schadensverursachung 4; Koziol, Haftpflichtrecht I4 B2 Rz 7 ff: Die Kausalitätstheorie sei eine Haftungstheorie, die dazu diene, einen Schaden einer Person zuzurechnen. Durch die Einordnung als Rechtsbegriff sei es möglich, eine Verursachung durch Unterlassung anzuerkennen und jemandem selbst dann einen Schaden zuzurechnen, wenn er diesen nicht iSe natürlichen Kausalitätsbegriffs verursacht habe (dazu näher bei den diversen Kausalitätsformen). Sa Gimpel-Hinteregger, Umwelthaftung 165; Mayer-Maly, JBl 1965, 441; Riss, JBl 2004, 424. Vgl auch Selb in FS Herdlitczka 217 und 222, der aus historischer Betrachtung zur Ansicht gelangt, dass die Kausalität eine von Gesetz zu Gesetz, von Sachbereich zu Sachbereich verschiedene Wertaussage über die Verbindung von Handlungen und Erfolgen und somit ein Interpretationsproblem darstelle. Demgegenüber steht die Auffassung eines natürlichen Kausalitätsbegriffs, wo behauptet werde, dass es wissenschaftlich nur einen Ursachenbegriff geben könne, nämlich den der Naturwissenschaften und der Logik. S dazu insb zum naturrechtlichen Kausalitätsbegriff Schulin, Kausalitätsbegriff 1 ff; Traeger, Kausalbegriff 4. Eine Definition wird von Schulin, Kausalitätsbegriff 204 angeboten: „Kausalität ist (…) als wertfreier Begriff der empirischen Wahrnehmungswelt zu verstehen, der die gesetzmäßige Aufeinanderfolge von realen Ereignissen (Zuständen) meint“. Sa Häusler, Haftung ohne Kausalitätsnachweis 28, mit der Erkenntnis, dass eine nähere Beschreibung des Verursachungsbegriffs vielleicht gar nicht möglich sei.. Im Grundsatz geht es darum, ob der Schaden ursächlich auf das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist, also ob es einen Zusammenhang zwischen der schadenstragenden Person und dem eingetretenen Schaden gibt475475 Wittwer in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar5 § 1295 Rz 10. Sa Koziol, Haftpflichtrecht I4 A Rz 11; ders, Grundfragen Rz 5/53; Riedler, ZR IV SchRBT GesSch6 Rz 2/49. Für nähere Darstellungen zur Geschichte des Kausalitätsbegriffs s Quentin, Kausalität 19 ff.. Diese Untersuchung erfolgt, ausgehend von der Äquivalenztheorie, anhand eines einfachen Eliminationsverfahrens, das eine erste Kontrolle unter streng logischen Aspekten ermöglicht476476 Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht AT16 Rz 10.7 ff. (Stichwort „conditio sine qua non“-Formel): Nach dieser Faustregel ist eine Handlung kausal, wenn sie nicht weggedacht werden kann, ohne dass der eingetretene Schaden entfiele477477 Vgl RS0022687. So auch zB Bumberger, Kausalitätsbeweis 8; F. Bydlinski, Schadensverursachung 8; Ehrenzweig/Mayrhofer, System II/13 259; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1295 Rz 6; Koziol, Grundfragen Rz 5/57; Kleewein, Hypothetische Kausalität 24 ff; Riedler, ZR IV SchRBT GesSch6 Rz 2/49; Vrba in Vrba, Schadenersatz A.I Rz 9; Wittwer in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar5 § 1295 Rz 11. Sa Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht AT16 Rz 10.7: Diese Kausalitätsformel gehe auf den österreichischen Prozessualisten Julius Glaser zurück. S ebenso für das deutsche Recht nur etwa Quentin, Kausalität 13; Rother, NJW 1965, 178 und Traeger, Kausalbegriff 39.. Demgegenüber sind Unterlassungen kausal, wenn durch ein mögliches pflichtgemäßes Handeln der Schadenseintritt hätte verhindert werden können478478 Vgl RS0022913. So zB auch Ehrenzweig/Mayrhofer, System II/13 260; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1295 Rz 6a; Krasnopolski/Kafka, Obligationenrecht 156 f; Nippel, Erläuterung VIII/1 107; Riedler, ZR IV SchRBT GesSch6 Rz 2/49; Wittwer in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar5 § 1295 Rz 11. Sa zB Schulin, Kausalitätsbegriff 162 f.. Eine Beweisführung bezüglich der Kausalität einer Unterlassung kommt idR nur unter Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges in Betracht – der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, dass überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden479479 RS0022900. Die Beweisanforderungen des hypothetischen Kausalverlaufs seien bei Schädigung durch Unterlassen geringer als bei positivem Tun. Es genüge also die (im Vergleich zur hohen Wahrscheinlichkeit niedere) überwiegende Wahrscheinlichkeit.. Die Zurechnungskriterien, die jede Schadensbedingung als gleichwertig480480 Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht AT16 Rz 10.9: Die kausale Bedeutung der einzelnen Bedingungen sei nicht messbar oder abstufbar: Alle Bedingungen seien Ursachen und alle Ursachen wiegen gleich schwer. Sa zB Quentin, Kausalität 13; Schulin, Kausalitätsbegriff 102. (äquivalent) ansehen, sind enorm weit gefasst. Da idR jeder Schaden auf unzähligen Bedingungen beruht, steckt die Kausalität zunächst „nur“ den äußersten, möglichen Bereich der Zurechnung ab481481 Koziol, Haftpflichtrecht I4 A Rz 12; ders, Grundfragen Rz 5/59. Vgl auch Quentin, Kausalität 14; Traeger, Kausalbegriff 74.. Um einer Ausuferung der Zurechnung entgegenwirken zu können, bedarf es weiterer Prüfinstanzen, welche idF noch kurz überblicksartig zu betrachten sind.

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