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Das Konzept „Wiener Gemeindebau“

Brunnbauer1. AuflApril 2022

Im Jahr 1922 wurde Wien nach einem entsprechenden Beschluss aus 1920 ein eigenes Bundesland, mit der Sozialdemokratischen Partei als führende politische Kraft. Das Rote Wien erhob Sozialleistungen in Form des Gemeindebau-Konzeptes zur Priorität. Dabei trat die Gemeinde Wien als steuerfinanzierter Bauherr und Vermieter auf und die Wohnkosten wurden durch Subventionen auf etwa 4 % des Einkommens der Mieter gedrückt. Die vom Cottage Verein und seinen Vertretern immer geforderte Prämisse vom „gesunden Wohnen“ mit ausreichend Licht für die Wohnräume und frischer Luft durch entsprechende Grünbereiche wurde in das Programm für den sozialen Wohnbau übernommen und zum politischen Ziel erhoben, quasi als Beitrag der Cottage Philosophie und Vermächtnis des Cottage Vereins. Auch die Straßenhygiene sowie Reduzierung von Gestank, Schmutz und Staub fanden sich in dem Programm wieder. Wegen des enormen Wohnbedarfs erfolgte die Umsetzung allerdings nicht der Cottage-Philosophie entsprechend über Familienhausanlagen, sondern durch große Wohnblöcke mit begrünten Wohn-Innenhöfen. Dafür wurden die damals besten Architekten engagiert, die in Anlehnung an die Ideen des Cottage Vereins auch nur etwa 20 % der jeweils zur Verfügung stehenden Fläche verbauten und den Rest von 80 % großzügig Grünflächen vorbehielten. In Döbling, nicht weit vom Cottage entfernt, entstand so der wohl bekannteste Gemeindebau, der Karl Marx-Hof. Er ist über einen Kilometer lang und damit der längste zusammenhängende Wohnbau der Welt.182182Lisbeth Legat, Das grüne Erbe des roten Wien, Die Presse, 31. 3. 2018, I 1. Die private Bautätigkeit hingegen kam praktisch vollkommen zum Erliegen und auch der nie fertig gewordene Gesamtregulierungsplan für Wien wurde ad acta gelegt. Eine europaweit aufkommende städtebauliche Debatte über „Gartenstädte versus Superblocks“, wie beim Internationalen Städtebaukongress 1926 in Wien geführt, stieß bei der Stadtverwaltung von Wien auf kein Interesse.183183Matznetter 2005, S. 71. Von 1920 bis 1934 wurden vielmehr schwerpunktmäßig etwa 380 Gemeindebauanlagen mit ungefähr 65.000 Wohnungen errichtet, die durch progressive Besteuerung von privatem Immobilieneigentum, eine Wohnbausteuer und die Lohnsummensteuer finanziert wurden. Heute, im Jahr 2020, besitzt die Stadt Wien ca. 1.800 durch Steuergeld finanzierte und geschaffene Gemeindebauten mit 220.000 Gemeindewohnungen für rund 500.000 Personen.184184Der Wiener Gemeindebau: https://www.wienerwohnen.at/wiener-gemeindebau.html (aufgerufen am 20. 5. 2020).

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