Dass Aktivitäten, welche den Nachbarn erzürnen und in denen er unzulässige Immissionen erblickt, behördlich abgesegnet sind, ihnen also eine entsprechende behördliche Genehmigung zugrunde liegt und sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen, schließt einen Anspruch nach § 364 ABGB nicht aus. Die behördliche Genehmigung von Anlagen hindert nur die Untersagung von typischen Immissionen. Einerseits besteht eine Untersagungsmöglichkeit hinsichtlich der Immissionen, wenn das behördlich genehmigte Maß überschritten wird, andererseits reicht Widerspruch zu behördlichen Vorschriften für eine privatrechtliche Untersagung allein nicht aus, wenn die örtlichen Verhältnisse sie decken (dazu s gleich unten). Die Zurechnung der Immissionen ist, worauf besonders hinzuweisen ist, äußerst weitgehend: Das Deutsche Reichsgericht hatte noch Geräusche, die durch das Zu- und Abfahren von Wagen bei der Benützung eines Bordells verursacht wurden, als nicht vom Grundstück des Betreibers des Bordells ausgehend betrachtet; der (deutsche) Bundesgerichtshof vertritt die entgegengesetzte Ansicht: Es mache im Ergebnis keinen Unterschied, ob diese Geräusche auf dem <i>Höhne/Jöchl</i> in <i>Höhne/Jöchl/Lummerstorfer</i> (Hrsg), Das Recht der Vereine<sup>Aufl. 6</sup> (2019) Die behördliche Genehmigung, Seite 415 Seite 415
Grundstück des Nachbarn selbst oder in dessen Umgebung auf der Straße erzeugt werden. Der Lärm, der von Besuchern eines Clubs auf dem Betriebsgrundstück und dessen naher Umgebung, vor allem auf der Straße beim An- und Abfahren verursacht werde, sei eine adäquate Folge des Clubbetriebs. Dieser Auffassung hat sich der OGH angeschlossen. Da ein Unternehmen, insbesondere ein Gastronomiebetrieb, ohne Zu- und Abfahren von Kunden bzw Gästen heute nicht betrieben werden könnte, er daher den Nutzen aus dem Kundenverkehr zieht, habe sich der Eigentümer eines Grundstücks und auch der Mieter des auf diesem Grundstück betriebenen Unternehmens Lärmimmissionen zurechnen zu lassen. Diese gehen damit mittelbar vom Grundstück (vom Lokal) aus. Eine derartige Lärmimmission sei im gewerberechtlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen, weswegen umso mehr der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch zustünde. Abgesehen von der ersten Voraussetzung des § 364 Abs 2 ABGB, nämlich der Einwirkung vom Grund des Nachbarn, muss eine weitere Voraussetzung gegeben sein: Die Einwirkung muss das nach örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Diese unbestimmten Begriffe sind natürlich höchst ausfüllungsbedürftig – ob Ortsüblichkeit der Immission gegeben ist, wird im Einzelnen von mehreren Faktoren abhängen. Wesentlich ist, dass die örtlichen Verhältnisse in beiden Richtungen zu beachten sind, sowohl für das Maß der Immission, als auch für das Maß der Beeinträchtigung. Die Begriffe „örtlich“ und „ortsüblich“ sind nicht im Sinne einer politischen Gemeinde zu verstehen; abzustellen ist vielmehr auf die Lage des beeinträchtigten Grundstücks und auf die Lage desjenigen, von dem die Störung ausgeht, sowie auf die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften. Es sind bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit von Immissionen die tatsächlichen Verhältnisse in der maßgebenden Umgebung ausschlaggebend. Öffentlich-rechtliche Vorschriften sollen für die Beurteilung der Ortsüblichkeit nur hilfsweise herangezogen werden. Aus dem Verstoß gegen eine öffentlich-rechtliche Vorschrift lässt sich kein privatrechtlicher Unterlassungsanspruch ableiten, andererseits schließt ein Verhalten, welches dem öffentlichen Recht entspricht, einen Anspruch gem § 364 ABGB nicht aus. Kommt es allmählich zu einem Anwachsen der Immissionen, vertritt der OGH die Meinung, dass dann, wenn der betroffene Anrainer eine Lärmbelästigung durch mehr als drei Jahre unbeanstandet hinnimmt, die „Ortsüblichkeit“ unter Berücksichtigung des neu hinzugekommenen Lärms zu beurteilen ist, also ein Anspruch auf Unterlassung der hiedurch verursachten Immission nicht mehr besteht. Nach Ablauf dieser Frist hat sich sohin eine neue „Ortsüblichkeit“ etabliert.