Normen
AVG §59 Abs1
TKG 2003
TKG 2003 §12a
TKG 2003 §12a Abs2
TKG 2003 §8
TKG 2003 §8 Abs4
TKG 2003 §9 Abs1
TKG 2003 §9 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023030012.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Revisionsbeantwortung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich die Bergstation der von ihr betriebenen Seilbahn befindet. Am und im Gebäude dieser Bergstation sind seit vielen Jahren Kommunikationsanlagen der Mitbeteiligten angebracht. Dabei handelt es sich um Antennenträger/Parabolantennen an der Außenwand, Antennenträger neben der Einfahrt der Seilbahn und einen Schaltschrank im zentralen Verteilerraum.
2 Als Betreiberin einer Seilbahninfrastruktur ist die Revisionswerberin Netzbereitstellerin iSd § 3 Z 26 Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003). Zwischen ihr und der Mitbeteiligten, einer Bereitstellerin eines öffentlichen Kommunikationsnetzes für Zwecke des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation, bestand für die beschriebenen Anlagen von 2006 bis 2016 eine Vereinbarung über deren Errichtung und Betrieb. Dieses Vertragsverhältnis endete nach Kündigung durch die Revisionswerberin per 6. November 2016. In weiterer Folge erwirkte die Revisionswerberin gegen die Mitbeteiligte ein Räumungsurteil.
3 Nach erfolgloser Nachfrage auf Mitbenutzung mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 beantragte die Mitbeteiligte schließlich mit Eingabe vom 17. Februar 2017 bei der Telekom‑Control‑Kommission (im Folgenden: belangte Behörde) unter anderem die Einräumung eines Mitbenutzungsrechtes gemäß §§ 8 ff. TKG 2003 gegen die Revisionswerberin.
4 Mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 räumte die belangte Behörde der Mitbeteiligten ein derartiges Mitbenutzungsrecht in Form näher umschriebener vertragsersetzender Regelungen ein. Als Entgelt legte sie dabei näher bestimmte Gegenleistungen, jedoch keine Geldzahlung fest.
5 Mit der dagegen erhobenen Beschwerde stellte die Revisionswerberin unter einem einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 121a Abs. 1 TKG 2003, dem das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 5. Februar 2018 nicht stattgab.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. September 2022 gab das BVwG der Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2017 mit der Maßgabe Folge, dass ergänzend zur Entscheidung der belangten Behörde ein Entgelt in Höhe von EUR 1.502,53 jährlich ab dem 1. Jänner 2023 (fällig am 15. Jänner jeden Jahres) festgelegt werde. Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2022 habe die Mitbeteiligte der Revisionswerberin einen Betrag von insgesamt EUR 375,63 (fällig am 15. Oktober 2022) zu zahlen. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab.
7 Die Revision erklärte das BVwG für zulässig, weil Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einerseits zur Frage der Stromversorgung im Rahmen der Anordnung eines Mitbenutzungsrechts gemäß §§ 8 ff. TKG 2003 und andererseits zur Frage des Zeitpunkts, ab dem einem durch ein Mitbenutzungsrecht Belasteten eine erst im Rechtsmittelverfahren festgelegte Abgeltung gemäß § 8 Abs. 4 TKG 2003 zu leisten sei, fehle.
8 Gegen diese Entscheidung erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 28. November 2022, E 3041/2022‑5, ablehnte und sie mit Beschluss vom 23. Dezember 2022, E 3041/2022‑7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
9 In der vorliegenden Revision wird zusammengefasst eine Überschreitung der Zuständigkeit der Regulierungsbehörde geltend gemacht, weil wegen des Vorrangs der Privatautonomie keine vertragsersetzende Anordnung hätte getroffen werden dürfen und die Revisionswerberin ohne jedwede Rechtsgrundlage zu Unrecht „über die Hintertür“ verpflichtet werde, mit der Mitbeteiligten einen Stromversorgungsvertrag für die gegenständlichen Anlagen zu schließen. Rechtswidrig sei auch die Festlegung der Höhe des Entgelts ohne Berücksichtigung der (deutlich höheren) marktüblichen Sätze. Überdies sei das Entgelt der Revisionswerberin für den gesamten Zeitraum seit der Aufkündigung der seinerzeitigen Vereinbarung mit der Mitbeteiligten zuzuerkennen. Schließlich sei die Anordnung der sinngemäßen Anwendung der seinerzeitigen Vertragsbestimmungen zu unbestimmt und nicht exekutierbar.
10 Die belangte Behörde erstattete dazu eine Revisionsbeantwortung, in der sie als Primärantrag die Abänderung des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 4 VwGG dahingehend beantragte, dass der Bescheid vom 18. Dezember 2017 hinsichtlich der Entgeltregelung (ohne die ergänzende Entgeltregelung des BVwG) wieder in Geltung gesetzt werde. Dies begründete die belangte Behörde damit, dass die Revisionswerberin ihrer in § 9 Abs. 1 letzter Satz TKG 2003 normierten Verpflichtung nicht nachgekommen sei und Einwendungen in Bezug auf die Kosten der Mitbenutzung gemäß § 12a TKG (iVm § 17 VwGVG auch im Beschwerdeverfahren) präkludiert seien. Die Mitbeteiligte nahm am Revisionsverfahren nicht teil.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist aus den vom BVwG genannten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.
12 Die für den Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des TKG 2003, BGBl. I Nr. 70 idF vor BGBl. I Nr. 190/2021, lauten auszugsweise:
„Begriffsbestimmungen
§ 3. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet
...
26. ‚Netzbereitsteller‘ ein Bereitsteller eines öffentlichen Kommunikationsnetzes im Sinn des Z 2 und Z 17, oder ein Unternehmen bzw. Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper, das bzw. die eine physische Infrastruktur, die dazu bestimmt ist, Erzeugungs‑, Leitungs‑ oder Verteilungsdienste für Erdöl, Gas, Strom (einschließlich öffentlicher Beleuchtung), Fernwärme, Wasser (einschließlich Abwasserbehandlung und ‑entsorgung und Kanalisationssysteme) oder Verkehrsdienste (einschließlich Schienen, Straßen, Häfen und Flughäfen) bereitzustellen oder das eine Seilbahninfrastruktur (§ 7f Seilbahngesetz 2003, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/2003_103_1/2003_103_1.pdf ) betreibt;
...
Mitbenutzungsrechte
§ 8. (1) ...
(1a) Netzbereitsteller haben Bereitstellern öffentlicher Kommunikationsnetze für Zwecke des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation auf schriftliche Nachfrage die Mitbenutzung ihrer physischen Infrastrukturen insoweit zu gestatten, als ihnen dies wirtschaftlich zumutbar und es, insbesondere technisch, vertretbar ist.
(1b) ...
(1c) Bei Ausübung der Rechte nach Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 1b sind die Nutzung bestehender Einrichtungen sowie künftige technische Entwicklungen, welche die vorläufige Freihaltung von Kapazitäten nachweislich erfordern, zu berücksichtigen.
(2) ...
(3) Befindet sich auf einem Grundstück eine Einrichtung, deren Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigter gemäß Abs. 1, 1a, 1b oder 2 verpflichtet ist, Mitbenutzung zu gestatten, ist auch diese Mitbenutzung vom Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigten des Grundstücks zu dulden, wenn dadurch die widmungsgemäße Verwendung des Grundstückes nicht dauerhaft zusätzlich eingeschränkt wird. Falls durch diese zusätzliche Mitbenutzung eine vermehrte physische Beanspruchung des Grundstückes nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann hat der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte des Grundstückes ein Zustimmungsrecht.
(4) Dem durch ein Mitbenutzungsrecht Belasteten ist eine angemessene Abgeltung zu leisten. Dabei sind jedenfalls die Kosten für die Errichtung der mitbenutzten Anlage, einschließlich der Kosten der Akquisition, die laufenden Betriebskosten und die mit der Mitbenützung verbundenen sonstigen Kosten sowie die Marktüblichkeit von Entgelten angemessen zu berücksichtigen.
Einräumung von Mitbenutzungsrechten
§ 9. (1) Jeder gemäß § 8 Abs. 1, 1a und 1b Verpflichtete muss Bereitstellern eines öffentlichen Kommunikationsnetzes auf schriftliche Nachfrage ein Angebot zur Mitbenutzung abgeben. ... In der Nachfrage sind jeweils die Komponenten des Projekts, für das Mitbenutzung begehrt wird, einschließlich eines genauen Zeitplans anzugeben. Alle Beteiligten haben hierbei das Ziel anzustreben, die Mitbenutzung zu ermöglichen und zu erleichtern.
(2) Kommt zwischen dem Verpflichteten und dem Berechtigten eine Vereinbarung über das Mitbenützungsrecht oder die Abgeltung binnen einer Frist von vier Wochen ab Einlangen der Nachfrage nicht zustande, so kann jeder der Beteiligten die Regulierungsbehörde zur Entscheidung anrufen.
...
Verfahren
§ 12a. (1) Wird die Regulierungsbehörde nach den §§ 6, 6a, 6b, 7, 9, 9a oder 11 angerufen, gibt sie dem Antragsgegner unverzüglich nach Fortführung des Verfahrens gemäß § 121 Abs. 3 schriftlich und nachweislich die Gelegenheit, binnen zwei Wochen seine Einwendungen gegen den Antrag darzulegen. Auf begründeten Antrag kann die Regulierungsbehörde diese Frist erforderlichenfalls verlängern. In ihrer Entscheidung hat die Regulierungsbehörde nur fristgerechte Einwendungen zu berücksichtigen. Auf diese Rechtsfolge ist in der Aufforderung zur Stellungnahme ausdrücklich hinzuweisen.
(2) Über den Antrag hat die Regulierungsbehörde unverzüglich, jedenfalls aber binnen sechs Wochen nach dem Einlangen der Stellungnahme des Antragsgegners oder dem Ablauf der Frist zur Stellungnahme, gegebenenfalls auch mit Zwischenbescheid, zu entscheiden. Die Anordnung ersetzt die nicht zu Stande gekommene Vereinbarung. Die Parteien des Verfahrens sind verpflichtet, an diesem Verfahren mitzuwirken und alle zur Beurteilung der Sachlage erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie erforderliche Unterlagen vorzulegen.
...“
13 Die Übergangsbestimmungen des am 1. November 2021 in Kraft getretenen Telekommunikationsgesetzes 2021 ‑ TKG 2021, BGBl. I Nr. 190, lauten (auszugsweise) folgendermaßen:
„Übergangsbestimmungen
§ 212. (1) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verwaltungsverfahren vor der Regulierungsbehörde sind mit Ausnahme der Verfahren nach § 87 nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden materiellen Rechtslage und Verfahrensrechtlage, einschließlich der Zuständigkeit zu Ende zu führen.
(2) Verfahren nach dem 7. Abschnitt, deren abschließendes Erkenntnis auf Grund der vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage erlassen und durch Erkenntnis des Verfassungs‑ oder Verwaltungsgerichtshofs behoben wurde, sind nach der zum Zeitpunkt der Erlassung des abschließenden Erkenntnisses bestandenen materiellen Rechtslage und Verfahrensrechtslage zu Ende zu führen.
...
(4) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehende Bewilligungen und Zulassungen bleiben aufrecht.
...“
Zur anzuwendenden Rechtslage
14 Das BVwG geht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass es ‑ ungeachtet seiner Entscheidung nach Inkrafttreten des TKG 2021 ‑ in sinngemäßer Anwendung der Übergangsbestimmung des § 212 Abs. 1 und 2 TKG 2021 den gegenständlichen Fall nach der Rechtslage des TKG 2003 zu entscheiden habe, „zumal ‑ wäre das vorliegende Verfahren noch vor der belangten Behörde anhängig ‑ diese gemäß § 212 Abs. 1 TKG 2021 jedenfalls weiterhin das TKG 2003 anzuwenden hätte.“
15 Dieser Rechtsansicht ist im Ergebnis zuzustimmen. Die gegenständliche Anordnung der belangten Behörde wurde im Dezember 2017 getroffen und trat nach ihrem Punkt 1.8. mit der Zustellung an die Parteien in Kraft. Der Beschwerde gegen die Anordnung kam gemäß § 121a Abs. 1 TKG 2003 (abweichend von § 13 VwGVG) keine aufschiebende Wirkung zu, zumal das BVwG den Antrag der Revisionswerberin auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen hat. Damit kam der Anordnung eine zeitraumbezogene Komponente zu, die auch die Zeit vor Inkrafttreten des TKG 2021 umfasste. Für diesen Zeitraum kommt eine rückwirkende Anwendung des TKG 2021 ‑ mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung ‑ jedenfalls nicht in Betracht. Dass der Gesetzgeber für den Zeitraum ab Inkrafttreten des TKG 2021 eine (Neu‑)Beurteilung von auf Grundlage des TKG 2003 erlassenen Entscheidungen der Regulierungsbehörde, wie etwa der gegenständlichen Anordnung vom 18. Dezember 2017, nach den Bestimmungen des TKG 2021 beabsichtigt hätte, kann im Übrigen schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Geltungsdauer der getroffenen Anordnung ‑ wie bereits ausgeführt ‑ noch im Anwendungsbereich des TKG 2003 begonnen hat, auf Dauer angelegt ist. Die Beurteilung des gegenständlichen Sachverhalts nach den Regelungen des TKG 2003 erfolgte daher zu Recht.
Zum Revisionsvorbringen
16 Die Revisionswerberin begründet ihre Behauptung der Zuständigkeitsüberschreitung aufgrund der ‑ vertragsersetzenden ‑ Anordnung eines Mitbenutzungsrechts durch die belangte Behörde mit der zwischen ihr und der Mitbeteiligten im Jahr 2006 getroffenen Vereinbarung. Deren Aufkündigung im Jahr 2016 habe zur Folge, dass die Mitbeteiligte seit diesem Zeitpunkt keine Rechte mehr an der Liegenschaft habe. Insoweit wirke also die privatautonome Gestaltung zwischen den Vertragsparteien fort. Es gehe nicht an, dass die belangte Behörde dieses Ergebnis und das rechtskräftige Räumungsurteil ad absurdum führe. Bereits aus diesen Gründen hätte der Antrag der Mitbeteiligten als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.
17 Dem ist zu erwidern, dass die behördliche Anordnung der Mitbenutzung nur in Frage kommt, wenn ‑ wie insbesondere § 9 Abs. 2 und § 12a Abs. 2 TKG 2003 verdeutlichen ‑ eine Einigung zwischen den Parteien darüber nicht zustande gekommen ist. Das TKG 2003 geht vom Primat der privatautonomen Gestaltung aus, der Regulierungsbehörde kommt eine Zuständigkeit zur Regelung also nur insoweit zu, als keine ‑ zu ersetzende ‑ Vereinbarung besteht (vgl. dazu etwa VwGH 8.4.2022, Ro 2022/03/0016, mwN; hinsichtlich des TKG 2021 vgl. im Übrigen § 67 Abs. 4).
18 Die Revisionswerberin irrt daher, wenn sie ‑ trotz des Vorliegens der Voraussetzungen für die Einräumung eines Mitbenutzungsrechts gemäß § 8 Abs. 1a TKG 2003 ‑ vermeint, die Regulierungsbehörde dürfe nach Aufkündigung der früheren Vereinbarung zwischen den Parteien keine vertragsersetzende Anordnung treffen: Durch die Aufkündigung des Vertrags seitens der Revisionswerberin lag ab deren Wirksamwerden eine vorrangig zu beachtende vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien nicht (mehr) vor. Nach den unbestrittenen Feststellungen des BVwG fragte die Mitbeteiligte nach Wirksamwerden der Aufkündigung der früheren Vereinbarung mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 das gegenständliche Mitbenutzungsrecht gegenüber der Revisionswerberin nach, bevor sie am 17. Februar 2017 (mangels Einigung) den vorliegenden Antrag stellte. Außerdem konnte im Streitschlichtungsverfahren bei der RTR‑GmbH gemäß § 121 Abs. 3 TKG 2003 keine Einigung zwischen der Mitbeteiligten und der Revisionswerberin erzielt werden. Das BVwG hat daher zu Recht angenommen, dass die Voraussetzung, wonach zwischen der Revisionswerberin und der Mitbeteiligten keine Vereinbarung über das Mitbenutzungsrecht zustande gekommen war, für die Anordnung eines Mitbenutzungsrechts vorlag. Weder bestand zwischen den Parteien nach dem 6. November 2016 eine Vereinbarung, noch kam eine solche binnen vier Wochen ab der Nachfrage der Mitbeteiligten vom 9. Dezember 2016 zustande.
19 Es ist fallbezogen auch nicht zu beanstanden, wenn die getroffene Anordnung sich an der früheren Vereinbarung zwischen der Mitbeteiligten und der Revisionswerberin orientierte. Der Einwand der Revisionswerberin, dadurch sei die Anordnung zu unbestimmt und nicht exekutierbar, ist schon angesichts des langjährigen Bestandes des auf dieser Vereinbarung basierenden Vertragsverhältnisses zwischen ihr und der Mitbeteiligten nicht nachvollziehbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass im Verfahren über die Erlassung der Mitbenutzungsanordnung von der Behörde jene Regelungen zu treffen sind, die ansonsten von den Parteien des Mitbenutzungsvertrages selbst zu vereinbaren gewesen wären („vertragsersetzender Bescheid“). Bei der konkreten Ausgestaltung der Mitbenutzungsbedingungen kommt der Regulierungsbehörde im Rahmen der von ihr zu treffenden „schiedsrichterlich‑regulatorischen Entscheidung“ notwendiger Weise ein weiter Ermessensspielraum zu, soweit nicht die anzuwendenden Rechtsvorschriften konkrete Vorgaben vorsehen (vgl. nochmals VwGH 8.4.2022, Ro 2022/03/0016, mwN). Dem BVwG ist deshalb nicht entgegenzutreten, wenn es unter Bezugnahme auf diese höchstgerichtliche Rechtsprechung ausführte, die Wiederanwendung eines früheren Vertragsverhältnisses, das in Nachfrage und Antrag keine Änderungen aufweise, habe angeordnet werden dürfen, zumal die belangte Behörde sich darauf stützen habe können, dass diese Vertragsbedingungen in der Vergangenheit faktisch umsetzbar gewesen seien und den Betrieb einer Kommunikationslinie nach Art und Übertragungskapazität, wie sie die Mitbeteiligte benötige und nunmehr auch von ihr beantragt worden sei, ermöglicht hätten.
20 Soweit die Revisionswerberin kritisiert, dass eine „sinngemäße Wiederanwendung“ der seinerzeitigen Vertragsregelungen angeordnet worden und dadurch nicht ersichtlich sei, welche Bestandteile der Vereinbarung fortan gelten sollen, ist ihr zu erwidern, dass die Regulierungsbehörde damit hinreichend verständlich eine Fortgeltung der bisherigen Vereinbarung vorgesehen hat. Die Einschränkung der bloß „sinngemäßen Wiederanwendung“ bezieht sich dabei erkennbar auf jene Vertragsbestimmungen, die sich mittlerweile als zeitlich überholt erweisen, wie etwa darauf, dass im Vertragstext die Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten angesprochen wird. Mit dem Revisionsvorbringen, der Vertrag enthalte „eine Unzahl von zivilrechtlichen Vereinbarungen“, die nach Auffassung der Revisionswerberin „von vornherein der Kompetenz der Regulierungsbehörde entzogen“ seien, wird neuerlich der vertragsersetzende Charakter der gegenständlichen behördlichen Anordnung verkannt, der es mit sich bringt, dass die Regulierungsbehörde Regelungen zu treffen hat, die sonst Gegenstand einer zivilrechtlichen Vereinbarung wären. Welche konkreten Anordnungen die Revisionswerberin als überschießend ansieht, lässt sich ihrem Revisionsvorbringen im Übrigen nicht entnehmen.
21 Des Weiteren wendet sich die Revisionswerberin gegen die (angeordnete) Regelung, der zufolge die Stromversorgung der Anlagen der Mitbeteiligten von der vertragsersetzenden Anordnung nicht umfasst sei und beide Parteien darauf hinzuwirken hätten, dass eine entsprechende Stromversorgung ermöglicht werde. Dazu verweist die Revisionswerberin auf den von ihr mit einem näher genannten Energieversorgungsunternehmen abgeschlossenen „Anschluss‑Gesamtvertrag Strom“, der eine Subverrechnung an Dritte über Zähler nicht erlaube. Deshalb sei eine Stromversorgung der in Rede stehenden Anlagen nur möglich, wenn entweder die Mitbeteiligte ebenfalls dem „Anschluss‑Gesamtvertrag Strom“ beitrete (wobei die Revisionswerberin diesen Vertragsabschluss zwischen der Mitbeteiligten und dem Energieversorgungsunternehmen schon faktisch nicht unterstützen könne) oder wenn zwischen der Mitbeteiligten und der Revisionswerberin ein Vertrag, der pauschal den Stromverbrauch mitumfasse („Warmmiete“), abgeschlossen werde. Da jedoch die Revisionswerberin nach dem TKG 2003 nicht dazu verpflichtet werden könne, der Mitbeteiligten eine Stromversorgung zu ermöglichen, solle die Revisionswerberin durch die erwähnte Regelung gewissermaßen „über die Hintertür“ verpflichtet werden, mit der Mitbeteiligten einen „Warmmiete‑Vertrag“ für die gegenständlichen Anlagen zu schließen, wofür die Rechtsgrundlage fehle.
22 Damit übersieht die Revisionswerberin allerdings, dass alle Beteiligten gemäß § 9 Abs. 1 letzter Satz TKG 2003 das Ziel anzustreben haben, die Mitbenutzung zu ermöglichen und zu erleichtern. Eine Stromversorgung ist für den Betrieb von Kommunikationsanlagen unerlässlich. Nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen des BVwG stellte die Revisionswerberin sowohl während des aufrechten Vertragsverhältnisses bis 2016 als auch danach ‑ somit auch nach ihrem Beitritt zum „Anschluss‑Gesamtvertrag Strom“ ‑ für die Anlagen der Mitbeteiligten Strom zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund ist keine Rechtswidrigkeit darin zu erkennen, dass die Stromversorgung der Anlagen ‑ angesichts mehrerer Möglichkeiten zu ihrer Gewährleistung, worunter auch ein Vertragsabschluss mit Dritten zählt ‑ von der vertragsersetzenden Anordnung ausgenommen wurde und beide Parteien im Sinne des § 9 Abs. 1 letzter Satz TKG 2003 dazu verpflichtet wurden, auf eine Ermöglichung der Stromversorgung hinzuwirken (zur Verbindlichkeit solcher Bemühungs‑ bzw. Verwendungsverpflichtungen auch im Rahmen vertragsersetzender Anordnungen vgl. VwGH 17.12.2004, 2001/03/0181, mwN).
23 Soweit sich die Revision schließlich gegen die Regelung der Abgeltung für das Mitbenutzungsrecht in der Fassung der Ergänzung durch das BVwG wendet, ist sie jedoch im Recht:
24 Das BVwG ging auf der Grundlage der gutachterlichen Ausführungen der im Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen von jährlichen Kosten für die Mitbenutzung durch die Mitbeteiligte in Höhe von EUR 1.502,53 aus. Dieser Betrag stehe der Revisionswerberin als jährlich von der Mitbeteiligten zu leistendes Entgelt zu. Eine (zusätzliche) Orientierung bei der Festlegung des Entgelts an den marktüblichen Entgelten, die nach den Angaben der Amtssachverständigen diesen Kostenbetrag überstiegen, verwarf das BVwG mit der Begründung, dass die belangte Behörde in bisherigen Entscheidungen „jedenfalls“ die Kosten und nur gegebenenfalls zusätzlich eine Marktüblichkeit von Entgelten berücksichtigt habe. Ferner sei aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abzuleiten, dass nicht gesehen werden könne, dass die Abgeltung iSd § 8 Abs. 4 TKG 2003 in erster Linie nach der Marktüblichkeit von Entgelten festzulegen sei (Hinweis auf VwGH 28.11.2013, 2011/03/0124). In Anbetracht der deutlichen Unterschiede zwischen den marktüblichen Entgelten und den gutachterlich errechneten Kosten sei davon auszugehen, dass der vorliegende Fall mit den herangezogenen Standorten bzw. Einrichtungen nur bedingt vergleichbar sei. In diesem Zusammenhang sei nicht unwesentlich, dass der Standort des Mitbeteiligten durch die Revisionswerberin als Provisorium eingerichtet und seither nicht mehr verwendet worden sei. Da die für die Gutachtenserstellung notwendige Mitwirkung der Parteien durch Vorlage der angeforderten Unterlagen erst im Beschwerdeverfahren erfolgt sei, werde das Entgelt erst für den Zeitraum ab der Erlassung des Erkenntnisses festgelegt.
25 Nach § 8 Abs. 4 TKG 2003 sind bei der Festlegung einer Abgeltung jedenfalls die Kosten für die Errichtung der mitbenutzten Anlage einschließlich der Akquisitionskosten, die laufenden Betriebskosten und die mit der Mitbenutzung verbundenen sonstigen Kosten sowie die Marktüblichkeit von Entgelten angemessen zu berücksichtigen. Folglich können individuelle Umstände, wie das vom BVwG hervorgehobene provisorische Erscheinungsbild der Anlage oder die schwierige Vergleichbarkeit mit den zur Ermittlung eines marktüblichen Entgelts herangezogenen Standorten und Einrichtungen, bei der Festlegung der Höhe des Entgelts miteinbezogen werden, sie vermögen aber nicht einer angemessenen Berücksichtigung der Marktüblichkeit des Entgelts überhaupt entgegenzustehen.
26 Dem vom BVwG erwähnten Erkenntnis VwGH 28.11.2013, 2011/03/0124, lag zugrunde, dass die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren bis zuletzt ‑ entgegen ihren Mitwirkungspflichten trotz Aufforderung der Amtssachverständigen ‑ die für die Ermittlung ihrer Kosten iSd § 8 Abs. 4 TKG 2003 relevanten Kostendaten mit dem Hinweis, marktübliche Entgelte vorzuziehen, nicht vorgelegt hatte. Vor diesem Hintergrund führte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 4 TKG 2003 aus, es könne entgegen der Stoßrichtung der Beschwerde nicht gesehen werden, dass die Abgeltung im konkreten Fall in erster Linie nach der Marktüblichkeit von Entgelten festzulegen gewesen wäre. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass neben der Ermittlung der mit der Mitbenutzung verbundenen Kosten nicht auch auf die Marktüblichkeit des Entgelts Bedacht zu nehmen wäre. Wie das BVwG selbst ausführte, haben im Übrigen beide Parteien (somit auch die Revisionswerberin) im Beschwerdeverfahren die angeforderten Unterlagen für die Gutachtenserstellung vorgelegt. Die belangte Behörde übersieht mit ihrem Hinweis in der Revisionsbeantwortung zur Präklusionswirkung des § 12a TKG 2003, dass sich die Revisionswerberin schon im Schriftsatz vom 28. April 2017 ‑ also noch während des verwaltungsbehördlichen Verfahrens ‑ und damit innerhalb der Frist des § 12a Abs. 1 TKG 2003 gegen die Höhe der Abgeltung geäußert und diesbezügliche Einwendungen erhoben hatte.
27 Bei der Festlegung der Höhe des Entgelts hat das BVwG durch die gänzliche Außerachtlassung der Marktüblichkeit des Entgelts somit seinen für die Ausgestaltung der Mitbenutzungsbedingungen bestehenden Ermessensspielraum überschritten. Dies gilt auch im Hinblick auf die zeitliche Beschränkung der Regelung der Abgeltung erst ab dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses. Die zunächst von der belangten Behörde getroffene und mit dem angefochtenen Erkenntnis insoweit bestätigte vertragsersetzende Anordnung ist gemäß ihrem Punkt 1.8 „mit Zustellung [gemeint: des Bescheides der belangten Behörde] an die Parteien“ in Kraft getreten; sie wurde auch ‑ zumal der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde ‑ mit diesem Zeitpunkt wirksam. Nach dem vom BVwG getroffenen Feststellungen wurde die Infrastruktur der Revisionswerberin von der Mitbeteiligten „durchgehend bzw. auch aktuell“ in der im Bescheid der belangten Behörde beschriebenen Weise genutzt.
Vor diesem Hintergrund und auch nach dem klaren Gesetzeswortlaut („Dem durch ein Mitbenutzungsrecht Belasteten ist eine angemessene Abgeltung zu leisten.“) ist kein Grund dafür ersichtlich, dass erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG ein Entgelt für die ‑ tatsächlich bereits erfolgte ‑ Mitbenutzung der Infrastruktur der Revisionswerberin zu leisten wäre und damit deren Mitbenutzung für den davor liegenden Zeitraum unentgeltlich erfolgen sollte (vgl. dazu auch VwGH 25.6.2008, 2007/03/0211, wonach nicht in Zweifel steht, dass im Fall einer Streitigkeit über Zusammenschaltungsbedingungen ‑ einschließlich der Entgelte ‑ die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung die zwischen den Parteien strittigen Zeiträume umfassen kann; diese Überlegungen sind ebenso auf die vergleichbaren vertragsersetzenden Anordnungen betreffend Mitbenutzungsrechte, auch durch das BVwG, anwendbar). Ein derartiges Ergebnis lässt sich auch nicht mit den vom BVwG herangezogenen Erwägungen begründen, wonach beide Parteien erst im Beschwerdeverfahren entsprechend mitgewirkt hätten.
28 Da es sich bei der Entgeltregelung um einen wesentlichen Bestandteil der Anordnung und damit um einen untrennbaren Teil des angefochtenen Erkenntnisses handelt (vgl. VwGH 19.12.2013, 2011/03/0233), war das angefochtene Erkenntnis daher (zur Gänze) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
29 Gemäß § 59 VwGG kann Aufwandersatz nur zugesprochen werden, wenn ein diesbezüglicher Antrag gestellt wird (vgl. VwGH 26.6.2014, https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vwgh&GZ=Ro 2014/03/0022&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True). Ein solcher Antrag wurde von der Revisionswerberin nicht gestellt.
30 Von der Durchführung der von der Revisionswerberin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
31 Die Revisionsbeantwortung der belangten Behörde war gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, weil der darin gestellte Primärantrag auf eine Abänderung des angefochtenen Erkenntnisses abzielte und damit der Sache nach als verspätete Revision zu werten war.
Wien, am 19. Juni 2024
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