Normen
B-VG Art133 Abs4
IG-L 1997 §30 Abs1 Z4
KFG 1967 §102 Abs5 litb
KFG 1967 §134 Abs1
Nachtfahrverbot Schwerfahrzeuge A12 2010 §3 Abs1 lita idF 2020/121
Nachtfahrverbot Schwerfahrzeuge A12 2010 §4 Abs1 lith
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022020010.J00
Spruch:
Die Revision wird, soweit sie die Übertretung des KFG betrifft, zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 14. Dezember 2021 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, zwei Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, nämlich
1. am Tatort zur Tatzeit mit einem näher bezeichneten Fahrzeug als Lenker dieses Fahrzeuges (mit diesem gezogenen Anhänger), bei dem das höchste zulässige Gesamtgewicht des LKW oder Sattelkraftfahrzeuges mehr als 7,5 t und bei LKW mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. Oktober 2010, LGBl. NR. 64/2010, geändert durch die Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. November 2020, LGBl. Nr. 121/2020, missachtet, weil in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober eines jeden Jahres an Werktagen von 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr, auf der A 12 Inntalautobahn zwischen bestimmten Streckenkilometern das Fahren mit näher bezeichneten Fahrzeugen verboten sei. Die Fahrt sei nicht unter die Ausnahmebestimmungen der zitierten Verordnungen gefallen und der Revisionswerber sei nicht im Besitz einer Ausnahmegenehmigung gewesen; das Fahrzeug sei nicht mit bestimmten Technologien ausgestattet gewesen; sowie
2. am Tatort zur Tatzeit mit einem näher bezeichneten Fahrzeug als Lenker dieses Fahrzeuges den Zulassungsschein oder Heereszulassungsschein des Sattelanhängers sowie die bei der Genehmigung oder Zulassung vorgeschriebenen Beiblätter zum Zulassungsschein nicht mitgeführt zu haben.
2 Er habe dadurch zu 1. gegen § 3 Abs. 1 lit. a der Nachtfahrverbotsverordnung für Schwerfahrzeuge auf der A 12 Inntalautobahn und zu 2. gegen § 102 Abs. 5 lit. b KFG verstoßen und sei zu 1. gemäß § 30 Abs. 1 Z 4 IG‑L mit einer Geldstrafe (sowie einer Ersatzfreiheitsstrafe) und zu 2. gemäß § 134 Abs. 1 KFG mit einer Geldstrafe (sowie einer Ersatzfreiheitsstrafe) zu bestrafen. Überdies habe er gemäß § 64 VStG näher bestimmte Verfahrenskosten zu tragen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) wurde die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Fassungen des KFG und des IG‑L ergänzt wurden. Dem Revisionswerber wurde ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei und begründete dies damit, dass es an Rechtsprechung zu der Frage fehle, ab wann von einer Be‑ und Entladung in der Kernzone gesprochen werden könne, die zu einer Ausnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. h der Nachtfahrverbotsverordnung führe.
4 Soweit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Übertretung des KFG betrifft, stellte es fest, der Revisionswerber habe am Tatort zur Tatzeit ein näher bezeichnetes Sattelfahrzeug samt Sattelanhänger gelenkt; er habe als Lenker keinen Zulassungsschein des gezogenen Sattelanhängers mitgeführt und habe diesen auch nicht den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aushändigen können. Das Verwaltungsgericht begründete seine Beweiswürdigung, führte aus, dass der objektive Tatbestand der Übertretung des KFG erfüllt sei, und begründete seine Erwägungen zum Verschulden des Revisionswerbers sowie zur Strafbemessung.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die beim Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Übertretung des KFG zur Zahl Ro 2022/02/0010 protokolliert wurde.
6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
7 Die Revision hinsichtlich der Übertretung des KFG erweist sich als unzulässig.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision ‑ gesondert ‑ vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Das vom Revisionswerber angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin zwei voneinander unabhängige Spruchpunkte. Mit der Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen beide Spruchpunkte des Straferkenntnisses übernahm das Verwaltungsgericht den Spruch des mit der Beschwerde bekämpften Straferkenntnisses der belangten Behörde. Durch die Übernahme dieser Spruchpunkte hat auch das Verwaltungsgericht getrennte Absprüche getroffen (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/02/0109).
12 Liegen ‑ wie hier ‑ trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 22.10.2019, Ra 2019/02/0022).
13 Soweit der Revisionswerber Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Be‑ und Entladung in der Kernzone und der Erfüllung der Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 1 lit. h der Nachtfahrverbotsverordnung sowie zur Nichtanwendbarkeit der Tiroler Nachtfahrverbotsverordnung aufgrund von Unionsrechtswidrigkeit vorbringt, betreffen diese Rechtsfragen lediglich die dem Revisionswerber angelastete Verwaltungsübertretung zum ersten Spruchpunkt des Straferkenntnisses, nicht aber die Verwaltungsübertretung nach dem KFG zum zweiten Spruchpunkt des Straferkenntnisses (Nichtmitführen des Zulassungsscheines); es ist nicht ersichtlich, inwiefern die vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Tiroler Nachtfahrverbotsverordnung mit der Übertretung des KFG in einem unmittelbaren Zusammenhang stünden, sodass die aufgeworfenen Rechtsfragen für die Prüfung der Frage, ob eine Verwaltungsübertretung gemäß § 102 Abs. 5 lit. b KFG stattgefunden hat, nicht präjudiziell sind.
14 Schließlich bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, es liege eine Verletzung des Konkretisierungsgebotes vor: Bei der Beurteilung, ob der Revisionswerber gemäß § 102 Abs. 5 lit. b KFG iVm. § 134 Abs. 1 KFG zu bestrafen sei, habe das erkennende Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass der Revisionswerber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 44a Z 2 und 3 VStG ein Recht darauf habe, dass im Spruch die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift und Strafsanktionsnorm aufscheine, wobei diesen Anforderungen nur dann genügt werde, wenn diese Normen unter Zitierung der entsprechenden Fundstelle genannt würden, durch die die Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten habe. Das Verwaltungsgericht habe zwar Fundstellen angegeben, es wäre jedoch auch gehalten gewesen, die entsprechenden Angaben zur Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift der Nachtfahrverbotsverordnung anzugeben, weil diese aus dem Spruch des Straferkenntnisses nicht mit der nötigen Klarheit hervorgehe. Die belangte Behörde habe die verletzte Rechtsvorschrift wie folgt angegeben: „§ 3 Abs. 1 lit. a Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 27.10.2020, LGBl. 64/2010 iVm VO LH v. 11.11.2020 LGBl. 121/2020“. Diese Zitierung entspreche nicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weil „iVm“ nicht „in der Fassung von“ bedeute und bei der zweiten Verordnung unklar sei, ob es sich um eine solche des Landeshauptmannes von Tirol handle.
15 Auch mit diesem Vorbringen wirft der Revisionswerber Fragen auf, die allenfalls bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision hinsichtlich des ersten Spruchpunktes des Straferkenntnisses der belangen Behörde von Bedeutung sein können; hinsichtlich der angelasteten Übertretung des KFG (Nichtmitführen des Zulassungsscheines des Sattelanhängers) ist nicht ersichtlich, inwieweit eine Nennung der Nachtfahrverbotsverordnung des Landeshauptmannes von Tirol hiefür von Relevanz sein könnte.
16 Weder die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes noch das Vorbringen des Revisionswerbers wirft daher eine Rechtsfrage auf, der hinsichtlich der Übertretung des KFG im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher in diesem Umfang ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Soweit die Revision die Übertretung des IG‑L iVm. der Nachtfahrverbotsverordnung betrifft, wird der hiefür zuständige Senat des Verwaltungsgerichtshofes zur Zahl Ro 2022/07/0011 entscheiden.
Wien, am 1. Juni 2022
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