European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021130029.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Im Rahmen der Einreichung der Abgabenerklärungen 2012 teilte der Revisionswerber dem Finanzamt u.a. mit, die L KG habe mit Kaufvertrag vom 24. Juli 2012 (samt Nachtrag vom 13. September 2012) 92,47 % der Anteile an der W KG verkauft und hiebei einen Überschuss in näher genannter Höhe erzielt, der entsprechend dem Anteil des Revisionswerbers (an der L KG) diesem zuzuweisen sei. Dieser Ergebnisanteil resultiere aus dem Verkauf eines Anteiles an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, welche der Revisionswerber im Jahr 2004 angeschafft habe. Insoweit sei eine einjährige Spekulationsfrist zu berücksichtigen, sodass dieser Ergebnisanteil im Rahmen der Abgabenerklärung nicht berücksichtigt worden sei.
2 Mit Bescheid vom 25. Februar 2015 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2012 fest. Ausgewiesen wurde darin insbesondere auch eine Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz von 25 %). In der Begründung wurde dazu angeführt, der Verkauf von Anteilen an einer immobilienverwaltenden Personengesellschaft (W KG) sei als private Grundstücksveräußerung zu behandeln; bei dem vom Revisionswerber genannten „Überschuss“ handle es sich daher um Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen.
3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte im Wesentlichen geltend, es liege keine Grundstücksveräußerung vor; das Grundstück befinde sich weiterhin im Eigentum der W KG. Falls der vorliegende Sachverhalt (auch) als Grundstücksveräußerung zu beurteilen wäre, sei aber der erzielte Überschuss auf verschiedene fiktiv verkaufte Wirtschaftsgüter (Grundstücke, Beteiligung, Anzahlung, Kredite) aufzuteilen. Die Anzahlung habe im Zusammenhang mit einem Leasingvertrag beim Leasinggeber hinterlegt werden müssen; diese sei vom Leasinggeber nicht verzinst worden. Aus diesem Grund sei die Anzahlung unternehmensrechtlich abgezinst und in der Folge jährlich aufgezinst worden. Die Käuferin der Anteile (die E GmbH) habe den vollen Anzahlungsbetrag angerechnet. Der daraus resultierende Überschuss (Differenz zwischen Anzahlung in voller Höhe und abgezinstem Buchwert) sei Teil des Überschusses und müsse aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden werden. Betreffend Kredite wurde ausgeführt, die W KG habe ihr Vermögen im Wesentlichen mit Bankkrediten finanziert, die mit einem Aufschlag von durchschnittlich 1,5 % auf den EURIBOR verzinst worden seien. Die kaufende Gesellschaft (E GmbH) habe sich hingegen über ihre Muttergesellschaft durch die Ausgabe von Anleihen finanziert, die mit durchschnittlich 7,5 % verzinst worden seien. Durch den Kauf der W KG sei es möglich gewesen, das Vermögen samt Bankkrediten zu erwerben, welche somit eine Zinsdifferenz von mehr als 5 Prozentpunkten zu den begebenen Anleihen aufgewiesen hätten. Auch dieser Finanzierungsvorteil sei aus dem zu besteuernden Überschuss auszuscheiden.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 9. Dezember 2015 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2012 ab. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, § 32 Abs. 2 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 112/2012) sei lediglich klarstellend; auch vor Inkrafttreten dieser Bestimmung sei eine Veräußerung einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft als anteilige Veräußerung der dieser Personengesellschaft zuzuordnenden Wirtschaftsgüter zu beurteilen gewesen. Würden neben Grundstücken noch andere Vermögensgegenstände veräußert, so habe eine entsprechende Aufteilung auf diese Wirtschaftsgüter zu erfolgen. Als Maßstab sei hiefür das Ausmaß der in den einzelnen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven heranzuziehen, da diese das Besteuerungssubstrat bildeten. Eine stille Reserve im Wirtschaftsgut „Anzahlung“ sei bilanziell nachvollziehbar und könne aus dem Veräußerungsgewinn ausgeschieden werden. Eine stille Reserve aus dem Wirtschaftsgut „Beteiligung“ sei hingegen nicht verifizierbar; sie könne keine Berücksichtigung finden. Das negative Wirtschaftsgut „Kredit“ stelle kein Wirtschaftsgut dar, in welchem stille Reserven, die Einfluss auf den Veräußerungserlös gehabt hätten, enthalten sein könnten. Es sei auch nicht zu erkennen, wie Gegebenheiten auf Käuferseite eine stille Reserve beeinflussen sollten. Der Beschwerde sei daher nur hinsichtlich der auf die Anzahlung entfallenden stillen Reserve stattzugeben gewesen.
5 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass der angefochtene Bescheid unverändert bleibe. Weiters erklärte es eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG als zulässig.
7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die L KG, eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, habe mit Kaufvertrag vom 24. Juli 2012 und Nachtrag vom 13. September 2012 ihren Anteil (92,47 %) an der ebenfalls vermögensverwaltenden W KG an die E GmbH veräußert. Aus diesem Verkauf sei ein Überschuss erzielt worden; dieser Überschuss sei dem Revisionswerber zu zwei Dritteln zugewiesen worden. Im Anlagevermögen befänden sich vor allem Grundstücke und Anzahlungen, im Umlaufvermögen sonstige Forderungen und Vermögensgegenstände (wie Darlehen). Verbindlichkeiten bestünden gegenüber Kreditinstituten, aus Lieferungen und sonstigen Leistungen und aus einem Ankauf eines Superädifikates.
8 Die Veräußerung des Kommanditanteils durch den Revisionswerber sei ‑ wie näher begründet wird ‑ der Veräußerung eines entsprechenden Anteils an den Grundstücken der W KG gleichzusetzen.
9 Zur Höhe des Veräußerungserlöses sei strittig, ob eine Anzahlung sowie negative Wirtschaftsgüter abzuziehen seien. Im vorliegenden Fall sei eine Anzahlung, die vom Leasinggeber nicht verzinst worden sei, im Zusammenhang mit einem vereinbarten Kauf(Leasing)preis gezahlt worden. Die Anzahlung stelle einen Teil des Kaufpreises dar, vermindere jedoch die Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes nicht. Wenn ein Verkäufer im Rahmen des Verkaufsvorganges eine Anzahlung zum Nennwert mitveräußere, obwohl er gegenüber dem Anzahlungsnehmer einen Zinsanspruch habe und er diesen nicht selbst realisiere, sondern ohne finanzielle Berücksichtigung des Verkaufspreises diesen Zinsertrag quasi an den Erwerber „verschenke“, so unterliege dies seiner eigenen wirtschaftlichen Entscheidung, der es jedoch jeder Fremdüblichkeit mangle. Eine derartige Vorgangsweise wäre zwischen Fremden absolut unüblich und sei im vorliegenden Fall nur durch die bestehenden persönlichen Verflechtungen erklärbar. Dieser „Verlust“ sei daher steuerlich nicht zu berücksichtigen. Der gesamte Vorgang könne wirtschaftlich nur dann als fremdüblich erklärt werden, wenn dieser zu erwartende Zinsertrag bei der Bemessung des Gesamtkaufpreises Eingang gefunden habe.
10 Betreffend Kredite habe der Revisionswerber ausgeführt, ihm selbst sei die Finanzierung über Bankkredite versagt geblieben; er habe sich deshalb über die Begebung von Anleihen (mit einer Verzinsung von 7,5 %) finanzieren müssen. Diese Anleihen seien auf Grund der mangelnden Liquidität des Anleihebegebers sehr hoch verzinst, im Ergebnis wesentlich höher als übliche Bankkredite. Die Behauptung eines wirtschaftlichen Vorteils aus der Übernahme bestehender Kredite werde durch das Vorbringen des Revisionswerbers widerlegt. Da die Refinanzierung ohnedies gänzlich durch die Begebung hochverzinster Anleihen erfolge, könne in der Übernahme von Krediten kein wirtschaftlicher Vorteil liegen, da auch deren Bedienung letztendlich nahezu ausschließlich durch die begebenen Anleihen erfolge, was den angeblich bestehenden Zinsvorteil obsolet erscheinen lasse. Die Hinzurechnung bei den Anschaffungskosten von Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Anschaffung diene, sei nicht gesetzlich vorgesehen.
11 Das Vorbringen und die Berechnung des Revisionswerbers hätten den Senat nicht davon überzeugen können, dass diese Wirtschaftsgüter Einfluss auf die Bemessungsgrundlage des Veräußerungserlöses hinsichtlich der Anschaffungskosten gehabt hätten. Die Steuer aus der privaten Grundstücksveräußerung sei daher wie im Einkommensteuerbescheid vom 25. Februar 2015 festzusetzen.
12 Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob eine Anzahlung auf einen Leasingvertrag die Anschaffungskosten erhöhen und daher die Steuer vermindern könne, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
13 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
14 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung eingebracht.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Die Revision wendet sich mit ausführlichem Vorbringen (auch zur Zulässigkeit der Revision) gegen die Annahme, dass eine private Grundstücksveräußerung vorliege. Zu diesem Vorbringen ist auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Februar 2022, Ra 2020/15/0036, zu verweisen. Der Verwaltungsgerichtshof legt in jenem Beschluss unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung dar, dass Beteiligungen an betrieblich tätigen wie auch an bloß vermögensverwaltenden Personengesellschaften ertragsteuerlich nicht als eigene Wirtschaftsgüter, sondern als aliquote Beteiligung an jedem Wirtschaftsgut des Beteiligungsunternehmens gelten. Befindet sich eine Liegenschaft im wirtschaftlichen Eigentum einer KG, so wird mit der Veräußerung der Beteiligung an der KG durch einen Gesellschafter dessen aliquote Beteiligung an dieser Liegenschaft veräußert. Auf die Begründung jener Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
17 Zulässig und berechtigt ist die Revision aber, soweit sie sich gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage wendet.
18 Zunächst ist zu bemerken, dass das angefochtene Erkenntnis zu dieser Frage keine konkreten Sachverhaltsfeststellungen aufweist; im Rahmen der Beweiswürdigung wird nicht dargelegt, dass (und aus welchen Gründen) dem Tatsachenvorbringen des Revisionswerbers nicht zu folgen sei. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung geht das Bundesfinanzgericht aber nicht von diesem Vorbringen aus. So ist etwa darauf zu verweisen, dass nach dem Vorbringen des Revisionswerbers keineswegs dieser sich durch (hoch verzinste) Anleihen finanzierte, sondern vielmehr die Muttergesellschaft der E GmbH. Auch behauptet er nicht, es habe ein Zinsanspruch gegenüber dem Anzahlungsnehmer bestanden, der quasi „verschenkt“ worden sei, woraus sich ein „Verlust“ ergeben hätte; vielmehr machte er geltend, es sei insoweit ein Überschuss erzielt worden, der nicht als Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung zu besteuern sei.
19 Beteiligungen auch an bloß vermögensverwaltenden Personengesellschaften gelten ‑ wie bereits ausgeführt ‑ als aliquote Beteiligung an jedem Wirtschaftsgut des Beteiligungsunternehmens. Eine Veräußerung der Beteiligung gilt daher als aliquote Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter.
20 Im vorliegenden Fall hatte die L KG Anteile an der W KG an die E GmbH veräußert. Damit veräußerte die L KG aliquot Teile an den einzelnen Wirtschaftsgütern (u.a. Grundstücke) der W KG an die E GmbH.
21 Aus den Verfahrensakten ist ableitbar, dass die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der privaten Grundstücksveräußerung im Bescheid des Finanzamts vom 25. Februar 2015 (dies ist auch die Basis für die Besteuerung nach dem hier angefochtenen Erkenntnis) dadurch ermittelt wurde, dass vom Veräußerungserlös (Abtretungsentgelt für die Anteile an der KG) die „bedungene Einlage“ der L KG abgezogen wurde; dieser „Überschuss“ wurde mit zwei Dritteln dem Revisionswerber zugerechnet.
22 Eine derartige Ermittlung der Bemessungsgrundlage entspricht nicht der Rechtslage. Als Einkünfte bei privaten Grundstücksveräußerungen ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten sind um Herstellungsaufwendungen und Instandsetzungsaufwendungen zu erhöhen, soweit diese nicht bei der Ermittlung von Einkünften zu berücksichtigen waren. Die Anschaffungskosten sind um Absetzungen für Abnutzungen, soweit diese bei der Ermittlung von Einkünften abgezogen worden sind, sowie um die in § 28 Abs. 6 EStG 1988 genannten steuerfreien Beträge zu vermindern (§ 30 Abs. 3 EStG 1988).
23 Da die Veräußerung einer Beteiligung (auch) an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft als aliquote Veräußerung der Wirtschaftsgüter des Beteiligungsunternehmens gilt, kann der erzielte Überschuss nicht ausschließlich dem Erlös aus der Veräußerung des Grundstücksanteils zugerechnet werden.
24 Als Veräußerungserlös sind alle wirtschaftlichen Vorteile zu zählen, die der Veräußerer erhält. Dazu zählt ‑ wenn auch hier kein Betrieb, sondern lediglich Vermögensverwaltung vorliegt ‑ neben dem vereinbarten Abtretungspreis insbesondere auch der Wert der vom Erwerber übernommenen Verbindlichkeiten (vgl. z.B. Fraberger/Papst in Doralt et al, EStG18, § 24 Tz 78 und 168).
25 Die Aufteilung eines Kaufpreises für mehrere (steuerlich unterschiedlich zu behandelnde) Wirtschaftsgüter hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach objektiven Maßstäben zu erfolgen. Hiezu ist jeweils der Verkehrswert der Wirtschaftsgüter zu ermitteln (oder zu schätzen) und der Kaufpreis im Verhältnis dieser Werte aufzuteilen (vgl. VwGH 15.2.1994, 93/14/0175; 19.12.2013, 2012/15/0033; 24.1.2022, Ra 2021/13/0117; vgl. auch Doralt/Mayr, EStG13, § 6 Tz 182).
26 Auch zur Ermittlung des Veräußerungsgewinnes nach § 24 EStG 1972 bei einer Gewinnermittlung, bei der der Wert des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens außer Ansatz zu bleiben hatte, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits dargelegt, dass dieser außer Ansatz zu lassende Wert im Wege einer Verhältnisrechnung zu ermitteln ist, und zwar in der Weise, dass zunächst die Verkehrswerte aller veräußerten Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (einschließlich des Grund und Bodens) festzustellen sind. In dem Verhältnis, das dem Anteil des Grund und Bodens am Gesamtbetrag der Verkehrswerte entspricht, ist der Veräußerungserlös als auf Grund und Boden entfallend zu beurteilen. Dabei ist nicht von den Wertvorstellungen der Vertragsteile auszugehen; es sind vielmehr objektive Maßstäbe anzulegen (vgl. VwGH 30.6.1987, 86/14/0195, VwSlg. 6237/F).
27 Auch im vorliegenden Fall sind daher zunächst die Verkehrswerte der einzelnen veräußerten Vermögensgegenstände zu ermitteln. In dem Verhältnis, das dem Anteil der Grundstücke (iSd § 30 Abs. 1 EStG 1988) am Gesamtbetrag der Verkehrswerte der veräußerten Wirtschaftsgüter entspricht, ist der Veräußerungserlös als auf diese Grundstücke entfallend zu beurteilen.
28 Von diesem auf die Grundstücke entfallenden Veräußerungserlös sind die (anteiligen) Anschaffungskosten dieser Grundstücke (mit den Modifikationen nach § 30 Abs. 3 EStG 1988) abzuziehen.
29 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
30 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Juni 2022
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