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European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2021100013.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck ‑ dem nunmehrigen Amtsrevisionswerber ‑ vom 13. August 2020 wurde der Antrag des Mitbeteiligten vom 12. August 2020 auf Gewährung von Leistungen nach dem Tiroler Mindestsicherungsgesetz (TMSG) als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde unter Hinweis auf § 18 Abs. 4 TMSG ausgeführt, dass der Verlust des Anspruchs des Mitbeteiligten auf Notstandshilfe nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) im Zeitraum von 1. Juni 2020 bis 10. August 2020 im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen, sondern dieser Anspruch in voller Höhe zur Anrechnung zu bringen sei. Aufgrund der an und für sich zustehenden Notstandshilfe in näher bezeichneter Höhe bestehe daher aufgrund der Richtsatzüberschreitung insgesamt kein Anspruch auf eine Leistung nach dem TMSG.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 2. August 2021 wurde der gegen diesen Bescheid vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde dahingehend Folge gegeben, dass diesem Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat August 2020 in der Höhe von € 451,15 sowie für September 2020 in der Höhe von € 112,71 gewährt wurde, wobei das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision zuließ.
3 Dem legte das Verwaltungsgericht zugrunde, der Mitbeteiligte habe am 12. August 2020 einen Antrag auf Mindestsicherung gestellt. Davor habe er noch Notstandshilfe nach dem AlVG bezogen, die aber aufgrund eines Verstoßes gegen die Meldeverpflichtung eingestellt worden sei. Mit 10. August 2020 sei dem Mitbeteiligten wiederum Notstandshilfe gewährt worden; die erste Auszahlung sei im September 2020 in näher angegebenem Ausmaß erfolgt.
4 § 49 Abs. 2 AlVG sehe einen Anspruchsverlust für den Zeitraum vom Tag der versäumten Kontrollmeldung bis zur Geltendmachung des Fortbezuges des Anspruchs vor. Im vorliegenden Fall sei der Fortbezug der Notstandshilfe am 10. August 2020 geltend gemacht worden und der Anspruchsverlust des Mitbeteiligten nach dem AlVG damit wieder weggefallen. Dem Mitbeteiligten sei sein Anspruch nach dem AlVG für den Monat August 2020 erst Anfang September 2020 ausbezahlt worden, weshalb er im August 2020 mittellos gewesen sei. Dass der Mitbeteiligte bei einer rechtzeitigen Meldung beim AMS im Juni 2020 auch im August 2020 über ausreichend Mittel aus der Notstandshilfe verfügt hätte, sei nicht zu Lasten seines Anspruchs nach dem Mindestsicherungsgesetz auszulegen. Der in § 18 Abs. 4 TMSG formulierte Ausschluss von Leistungen nach dem TMSG gehe nicht über jenen Zeitraum hinaus, für welchen tatsächlich ein Ausschluss von Leistungen nach dem AlVG vorliege.
5 Der Mitbeteiligte sei daher ab dem Zeitpunkt der Einbringung seines Antrages auf Leistungen nach dem TMSG am 12. August 2020 wieder uneingeschränkt anspruchsberechtigt gewesen. Da sein ab 10. August 2020 bestehender Anspruch auf Notstandshilfe nach dem AlVG erst Anfang September 2020 ausbezahlt worden sei, habe er auf Grund seiner Mittellosigkeit im August 2020 ab dem Tag der Antragstellung einen Anspruch auf Leistungen nach dem TMSG zur Bestreitung des Lebensunterhalts, somit im August 2020 für insgesamt zwanzig Tage. Für September 2020 stehe ihm der Differenzbetrag zwischen dem Richtsatz nach dem TMSG und der im September bezogenen Notstandshilfe zu.
6 Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig, weil im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage zu lösen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. § 18 Abs. 4 TMSG bedürfe einer Auslegung, die nicht bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes zwingend in eine Richtung vorgenommen werden könne. Da zur Auslegung dieser Bestimmung auch eine einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehle und überdies im vorliegenden Fall nicht von einer Einzelfallentscheidung auszugehen sei, der über den konkreten Anlassfall keine weitere Bedeutung zukomme, sei die ordentliche Revision für zulässig zu erklären gewesen.
7 In dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Vorverfahren wurden keine Revisionsbeantwortungen erstattet.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (34 Abs. 3 VwGG).
10 Nach § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig ist; der Ausspruch ist kurz zu begründen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
12 Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat. Mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Verwaltungsvorschrift wird nicht dargelegt, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte (siehe VwGH 26.9.2022, Ro 2020/04/0034; 22.10.0120, Ra 2020/10/0120, jeweils mwN).
13 Mit der oben wiedergegebenen, bloß allgemein gehaltenen Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht wird nach Maßgabe dieser Anforderungen für sich genommen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
14 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat der Revisionswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 9.11.2022, Ro 2022/10/0015; 24.3.2022, Ro 2021/10/0019, jeweils mwN).
15 Die unter der Überschrift „Zulässigkeit der Revision“ gesondert dargestellte Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Amtsrevision erschöpft sich in der Wiedergabe des Art. 133 Abs. 4 B‑VG sowie einer verkürzten Darstellung der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes. Eigene Ausführungen zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG sind der vorliegenden Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht zu entnehmen.
16 Wird aber in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 3.9.2020, Ro 2020/10/0021, unter Hinweis auf VwGH 18.12.2019, Ro 2018/10/0002).
17 Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 18. Jänner 2023
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