VwGH Ro 2020/15/0019

VwGHRo 2020/15/001927.11.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Dr. Sutter und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der I GmbH in T, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11. Mai 2020, Zl. RV/5100386/2019, betreffend Anspruchszinsen 2013 bis 2016, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §162
BAO §205
BAO §205 Abs6
BAO §295a
KStG 1988 §22
KStG 1988 §22 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020150019.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Als Folge einer Außenprüfung schrieb das Finanzamt der Revisionswerberin mit den Körperschaftsteuerbescheiden 2013, 2014 und 2015, alle vom 27. Juni 2018, und mit dem Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom 11. Juli 2018 die Körperschaftsteuer 2013 bis 2016 vor, und zwar mitsamt einem Zuschlag gemäß § 22 Abs. 3 KStG 1988 in Höhe von 25 % für jene Aufwendungen, bei denen die Empfänger trotz Aufforderung der Behörde nicht bekannt gegeben wurden. In weiterer Folge wurden für die Nachforderungen an Körperschaftsteuer 2013 bis 2016, die jeweils teilweise aus dem Zuschlag nach § 22 Abs. 3 KStG 1988 resultieren, Anspruchszinsen vorgeschrieben.

2 In der gegen die Festsetzung von Anspruchszinsen erhobenen Beschwerde führte die Revisionswerberin aus, dass Anspruchszinsen zum Teil für den Zuschlag gemäß § 22 Abs. 3 KStG 1988 beginnend ab dem 1. Oktober des dem jeweiligen Veranlagungsjahr folgenden Jahres festgesetzt worden seien, obgleich der Abgabenanspruch für die KöSt‑Zuschläge zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht entstanden gewesen sei.

3 Das Bundesfinanzgericht wies ‑ nach abweisender Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt und Vorlageantrag durch die Revisionswerberin ‑ die Beschwerde als unbegründet ab. Bei § 22 Abs. 3 KStG 1988 handle es sich um eine Tarifbestimmung. Der Zuschlag sei mit der Körperschaftsteuer vom Einkommen des Veranlagungsjahres zu entrichten. Der Zuschlag werde im Körperschaftsteuerbescheid gemeinsam mit der Körperschaftsteuer des betreffenden Kalenderjahres festgesetzt, in dem die zuschlagspflichtigen Zuwendungen erfolgt seien, um dadurch eine fehlende Besteuerungsmöglichkeit bzw. einen Steuerausfall bei den Empfängern zu kompensieren. Damit stelle der Zuschlag zur Körperschaftsteuer gemäß § 22 Abs. 3 KStG 1988 auf die mit einem Geschäftsfall im Zusammenhang stehende potentielle Gesamtsteuerauswirkung ab. Zwar führe erst die fehlende Empfängerbenennung zum Zuschlag, doch könne es dabei nur um Sachverhalte gehen, die sich im jeweiligen Gewinnermittlungs‑ bzw. Veranlagungszeitraum ereignet hätten, für den auch die Körperschaftsteuer des betreffenden Jahres nach dem Tarif festgesetzt werde; darauf sei letztendlich abzustellen. Deshalb könne auch dem in der Beschwerde ins Treffen geführten Hauptargument, der Zuschlag entstehe erst mit der Nichtbenennung, nicht gefolgt werden. Der Zuschlag könne nicht isoliert als eigenständige Steuer betrachtet und erhoben werden, sondern sei als Zuschlag zur Körperschaftsteuer des jeweiligen Jahres vorzuschreiben.

4 Hinsichtlich der Entstehung des Abgabenanspruches unterscheide sich daher der Zuschlag zur Körperschaftsteuer nach § 22 Abs. 3 KStG 1988 nicht von einer Erhöhung der Körperschaftsteuer, die durch eine Betriebsausgabenkürzung gemäß § 162 BAO zufolge fehlender Empfängernennung im Rahmen der Gewinnermittlung und Tarifbesteuerung der Körperschaftsteuer des Jahres, in dem die Aufwendungen getätigt wurden, anfalle. Da der Zuschlag gemäß § 22 Abs. 3 KStG 1988 ein Zuschlag zur Körperschaftsteuer des jeweiligen Jahres sei, entstehe dieser im selben Zeitpunkt wie die Körperschaftsteuer ‑ also mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres. Der Zuschlag begründe keinen eigenen Abgabenanspruch.

5 Die ordentliche Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu, weil Rechtsprechung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage fehle.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, die zu ihrer Begründung vorbringt, die Auslegungsgrundlage für die Entstehung und Festsetzung des Zuschlags könne nicht in der Vollziehungspraxis liegen, sondern müsse ihre Rechtfertigung aus einer gesetzlichen Grundlage beziehen. § 22 Abs. 3 KStG 1988 lege nicht zwingend fest, dass die Vorschreibung des Zuschlages gemeinsam mit der Körperschaftsteuer im Körperschaftsteuerbescheid des jeweiligen Veranlagungsjahres zu erfolgen habe. Der Zuschlag könne auch mittels gesonderten Abgabenbescheides vorgeschrieben werden. Der Zuschlag könne auch in Verlustjahren vorgeschrieben werden; in normativer Hinsicht handle es sich um einen eigenständigen Abgabenanspruch. Die Entstehung des Zuschlages werde an das Verlangen der Abgabenbehörde zur Empfängernennung geknüpft, davor existiere kein Anspruch. Eine Anspruchsverzinsung könne daher frühestens mit dem Zeitpunkt des behördlichen Auskunftsverlangens zu laufen beginnen. Zudem sei § 205 Abs. 6 lit. a BAO nicht berücksichtigt worden.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 § 22 Abs. 3 KStG 1988 lautet:

„(3) Zusätzlich zur Körperschaftsteuer gemäß Abs. 1 und 2 ist ein Zuschlag in Höhe von 25% von jenen Beträgen zu entrichten, bei denen der Abgabepflichtige auf Verlangen der Abgabenbehörde die Gläubiger oder Empfänger der Beträge nicht genau bezeichnet.“

9 § 205 Abs. 1 BAO lautet auszugsweise:

„(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).“

10 Die Revision bringt vor, die Entstehung des Zuschlags nach § 22 Abs. 3 KStG 1988 sei an das Verlangen der Abgabenbehörde auf Empfängernennung geknüpft; vor einem solchen Verlangen könne kein Besteuerungsanspruch existieren.

11 Gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Eine entsprechende Regelung für die Körperschaftsteuer findet sich in § 24 Abs. 1 KStG 1988. Für die zu veranlagende Einkommen‑ und Körperschaftsteuer entsteht der Abgabenanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (§ 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO).

12 Der 4. Teil des KStG 1988 regelt den „Tarif“ der Körperschaftsteuer. In diesem 4. Teil legt § 22 KStG 1988 die Steuersätze der Körperschaftsteuer fest. § 22 KStG 1988 normiert, dass die Steuer grundsätzlich 25 % des Einkommens beträgt, enthält in Abs. 2 eine Sonderregelung für Stiftungen und sieht in Abs. 3 einen Zuschlag von 25 % vor. Die gesamte nach § 22 KStG 1988 zu berechnende Steuer stellt die (einheitliche) Jahreskörperschaftsteuer für ein bestimmtes Veranlagungsjahr dar.

13 Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus einer in dieser Norm geregelten Gegenüberstellung errechnen, für einen bestimmten Zeitraum ab dem 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres zu verzinsen (Anspruchszinsen). Gemäß § 205 Abs. 3 BAO kann der Abgabepflichtige Anzahlungen auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer dem Finanzamt bekannt geben, wobei entrichtete Anzahlungen die Bemessungsgrundlage für zu Lasten des Abgabenpflichtigen anfallende Anspruchszinsen mindern. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommen‑ bzw. Körperschaftsteuerschuld (höchstens im Ausmaß der Nachforderung) zu verrechnen.

14 Aus den vorstehenden Regelungen ergibt sich, dass das Regime der Anspruchsverzinsung nach § 205 BAO auf die Jahreseinkommensteuer bzw. Jahreskörperschaftsteuer abstellt und der Beginn der Verzinsungsperiode mit dem 1. Oktober nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, festgelegt ist.

15 Auf diese (einheitliche) Jahres‑Körperschaftsteuer ist die Verzinsungsregelung des § 205 BAO anzuwenden, unabhängig davon, ob sich die Steuer im konkreten Fall nur nach Abs. 1 oder auch nach Abs. 2 bzw. Abs. 3 des § 22 KStG 1988 errechnet.

16 In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. Juni 2020, Ra 2020/13/0001, betreffend die Aufforderung zur Empfängerbenennung nach § 162 BAO ausgesprochen hat, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 162 BAO dessen Rechtswirkungen in jenem Veranlagungszeitraum eintreten, in dem die fraglichen Aufwendungen angefallen sind, also nicht erst für jenen Veranlagungszeitraum, in welchem die Aufforderung zur Empfängerbenennung erlassen wird bzw. ihr nicht entsprochen wird. § 22 Abs. 3 KStG 1988 knüpft zwar nicht an § 162 BAO an, normiert aber ebenfalls eine Rechtsfolge für den Fall, dass einem Verlangen der Behörde zur Empfängerbenennung nicht entsprochen wird (vgl. VwGH 14.9.2017, Ro 2016/15/0004).

17 Im Recht ist die Revision aber mit ihrem Vorbringen, dass im Revisionsfall § 205 Abs. 6 lit. a BAO anwendbar ist. Nach dieser Bestimmung sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als der Differenzbetrag Folge eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 295a BAO ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen. Wie dargelegt, entsteht der Zuschlag gemäß § 22 Abs. 3 KStG 1988 rückwirkend in dem Jahr, in dem die betreffenden Aufwendungen angefallen sind und erhöht für dieses Jahr die Körperschaftsteuer. Es liegt sohin ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO vor. In Bezug auf den Teil der Körperschaftssteuer, der sich aus § 22 Abs. 3 KStG ergibt, sind die Anspruchszinsen somit, soweit sie auf den Rückwirkungszeitraum entfallen, auf Antrag des Steuerpflichtigen herabzusetzen und nur für Zeiträume ab Eintritt des rückwirkenden Ereignisses vorzuschreiben. Das rückwirkende Ereignis tritt mit Verweigerung der Empfängernennung durch den Abgabepflichtigen bzw. mit Verstreichen der diesbezüglich von der Abgabenbehörde gesetzten Frist ein. Der Antrag nach § 205 Abs. 6 BAO kann auch im Beschwerdeverfahren gestellt werden und muss diesfalls in der Beschwerdeentscheidung berücksichtigt werden.

18 Die Revisionswerberin hat in ihrem Beschwerdeschriftsatz ausdrücklich einen Antrag auf Herabsetzung der Anspruchszinsen nach § 205 Abs. 6 lit. a BAO gestellt. Das Bundesfinanzgericht hat sich damit in Verkennung der Rechtslage nicht auseinandergesetzt und somit sein Erkenntnis mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 27. November 2020

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