Normen
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art133 Abs6 Z2
B-VG Art144
DSG §1 Abs1
DSG §4 Abs1
EURallg
VwGG §28 Abs2
VwGG §34 Abs1
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art2 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2020040014.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Auf Grund einer Beschwerde des Erstmitbeteiligten wurde mit Bescheid der Datenschutzbehörde vom 12. Dezember 2018 festgestellt, dass die Zweitmitbeteiligte den Erstmitbeteiligten dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, dass der Dienststellenleiter der Zweitmitbeteiligten, KontrInspektor K., dem Vater des Erstmitbeteiligten personenbezogene Daten des Erstmitbeteiligten übermittelt habe.
2 In der Begründung des Bescheides stellte die Datenschutzbehörde (im Folgenden: Revisionswerberin) auszugsweise fest, der Vater des Erstmitbeteiligten sei von KontrInspektor K. telefonisch kontaktiert worden. Im Zuge des Telefongesprächs habe KontrInspektor K. den Vater des Erstmitbeteiligten ersucht, auf Letzteren einzuwirken, um zu verhindern, dass dieser seine Wohnung verliere. Zudem habe sich KontrInspektor K. beim Vater des Erstmitbeteiligten erkundigt, ob es richtig sei, dass der Erstmitbeteiligte von Sozialhilfe oder Mindestsicherung lebe bzw. beim AMS gemeldet sei. KontrInspektor K. habe im Laufe des Gesprächs mitgeteilt, dass der Erstmitbeteiligte seiner Ansicht nach zur Zeit keiner Beschäftigung nachgehe und möglicherweise Mindestsicherung empfange.
3 In rechtlicher Hinsicht kam die Revisionswerberin zu der Schlussfolgerung, es sei davon auszugehen, dass der Erstmitbeteiligte ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung der gemäß den Feststellungen durch KontrInspektor K. an den Vater des Erstmitbeteiligten übermittelten personenbezogenen Daten habe, weil es sich hierbei um Angaben betreffend die Erwerbstätigkeit des Erstmitbeteiligten und seine derzeitige Lebenssituation handle. Von einem Einverständnis der Datenübermittlung sei fallbezogen nicht auszugehen. Dem Vorbringen der Zweitmitbeteiligten, wonach das Gespräch dazu gedient habe die Situation in der Wohnhausanlage des Erstmitbeteiligten zu beruhigen, sei zu entgegnen, dass die Übermittlung der personenbezogenen Daten an den Vater des Erstmitbeteiligten hierfür nicht erforderlich und damit auch nicht gerechtfertigt gewesen sei, weil im Hinblick auf den Umstand des berechtigten Interesses des Erstmitbeteiligten das Grundrecht auf Datenschutz desselben überwiege. Es fehle sohin an der Rechtmäßigkeit der von der Zweitmitbeteiligten vorgenommenen Verarbeitung der Daten.
4 Gegen diesen Bescheid erhob die Zweitmitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
5 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Zweitmitbeteiligten Folge und änderte den bekämpften Bescheid dahingehend ab, dass die Datenschutzbeschwerde des Erstmitbeteiligten, soweit sich diese gegen eine Weitergabe von Angaben über dessen Einkommensverhältnisse durch KontrInspektor K. an den Vater des Erstmitbeteiligten richte, als unbegründet abgewiesen werde (Spruchpunkt A). Unter einem erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für zulässig (Spruchpunkt B).
6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs traf das Bundesverwaltungsgericht wörtlich folgende Feststellungen:
„Der Vater des Mitbeteiligten wurde auf Grund von Unstimmigkeiten in der Wohnhausanlage des Mitbeteiligten vom Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Wiener Neustadt telefonisch kontaktiert. Im Zuge des Gesprächs fragte der Dienststellenleiter den Vater des Mitbeteiligten, ob es richtig sei, dass der Mitbeteiligte von der Sozialhilfe oder der Mindestsicherung lebe oder ob der Mitbeteiligte beim AMS gemeldet sei. Er teilte dem Vater auch mit, dass der Mitbeteiligte seiner Ansicht nach zur Zeit keiner Beschäftigung nachgehe und möglicherweise Mindestsicherung empfange.“
7 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, der Erstmitbeteiligte habe in der von ihm erhobenen Datenschutzbeschwerde auch nach Verbesserung eine konkrete Darstellung des Sachverhalts, aus welchem sich die die Beschwerde begründende Rechtsverletzung ableiten ließe, unterlassen. Die Revisionswerberin habe sich im bekämpften Bescheid ausschließlich mit der vom Erstmitbeteiligten beanstandeten Weitergabe der personenbezogenen Daten an den Vater des Erstmitbeteiligten durch den Dienststellenleiter der Zweitmitbeteiligten, KontrInspektor K., auseinandergesetzt. Obwohl im bekämpften Bescheid eine für die Beurteilung einer Datenschutzverletzung unerlässliche konkrete Benennung der in Rede stehenden Daten nicht vorgenommen worden sei, ergebe sich aus der Begründung ‑ insbesondere aus dem festgestellten Sachverhalt ‑ dass es sich bei der im bekämpften Bescheid festgestellten Rechtsverletzung um die vom Erstmitbeteiligten beanstandete Weitergabe von Daten über seine Einkommensverhältnisse handeln solle. Sonstige Datenschutzverletzungen hätten keinen Eingang in den bekämpften Bescheid gefunden, weshalb die Prüfbefugnis des erkennenden Gerichts auf den vom Bescheid erfassten Sachverhalt beschränkt sei.
8 Zu der allein verfahrensgegenständlichen Behauptung des Erstmitbeteiligten, es liege eine Verletzung in seinem Recht auf Geheimhaltung vor, weil der Dienststellenleiter der Zweitmitbeteiligten seinem Vater Angaben über dessen Einkommensverhältnisse weitergegeben habe, sei zu bemerken, dass der Dienststellenleiter sich zunächst selbst beim Vater des Erstmitbeteiligten nach dessen Erwerbstätigkeit erkundigt habe und anschließend dem Vater gegenüber seine Vermutung geäußert habe, dass der Erstmitbeteiligte keiner Beschäftigung nachgehe und vermutlich Mindestsicherung beziehe. Personenbezogene Daten seien nach der Begriffsbestimmung des Art. 4 Z 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen würden. Von einem Personenbezug könne ausgegangen werden, wenn Daten einer Person so zugeordnet seien, dass deren Identität für den jeweiligen Verwender direkt ersichtlich oder mit Hilfe von Zusatzinformationen herstellbar sei. Die ‑ auf keine Zusatzinformationen gestützte ‑ bloße Vermutung, dass Daten einer bestimmten Person zugeordnet werden könnten, führe vor diesem Hintergrund zu keiner Identifizierbarkeit und würden daher auch keinen Personenbezug begründen. Die im vorliegenden Fall bloß spekulative Äußerung des Dienststellenleiters, der Erstmitbeteiligte gehe seiner Meinung nach keiner Beschäftigung nach und beziehe vermutlich Mindestsicherung, könne insofern nicht als ein den Erstmitbeteiligten betreffendes personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO qualifiziert werden. Der Erstmitbeteiligte könne schon aus diesem Grund durch eine Weitergabe nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt sein.
9 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob rein spekulative Angaben zu einer Person vom Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG umfasst seien.
10 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision der Datenschutzbehörde, die in der Begründung zur Zulässigkeit ausführt, es fehle Rechtsprechung zu § 1 DSG und zur Frage, ob „rein spekulative Daten“ vom Umfang des Begriffs „personenbezogene Daten“ erfasst seien.
11 Die Zweitmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück‑, in eventu Abweisung der Revision.
12 4.1. Zur Rechtslage:
13 Art. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; DSGVO) lautet auszugsweise:
„Art. 2
Sachlicher Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.
(...)“
14 Die fallbezogen maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz – DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 51/2012, lauten jeweils auszugsweise:
„Artikel 1
(Verfassungsbestimmung)
Grundrecht auf Datenschutz
§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(...)
Artikel 2
1. Hauptstück
Durchführung der Datenschutz‑Grundverordnung und ergänzende Regelungen
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich und Durchführungsbestimmung
§ 4. (1) Die Bestimmungen der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, (im Folgenden: DSGVO) und dieses Bundesgesetzes gelten für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, soweit nicht die spezifischeren Bestimmungen des 3. Hauptstücks dieses Bundesgesetzes vorgehen.
(...)“
15 4.2. § 4 Abs. 1 DSG erklärt ‑ in Übereinstimmung mit dem in Art. 2 DSGVO definierten sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO ‑ die Durchführungsbestimmungen des DSG auf die Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen in ganz oder teilweise automatisierter Form sowie die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, für anwendbar, soweit nicht spezifischere Bestimmungen des 3. Hauptstücks, die jedoch fallbezogen nicht zur Anwendung gelangen, zum Tragen kommen.
16 Ausgehend von den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis über die bloß mündlich erfolgte Mitteilung durch den Dienststellenleiter der Zweitmitbeteiligten scheidet eine Subsumtion unter den sachlichen Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 DSG als eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten jedenfalls aus. Eine solche Art der Verarbeitung ist nicht ersichtlich. Den Feststellungen ist aber ebenso nicht zu entnehmen, dass die fernmündlich erteilte Mitteilung durch den Dienststellenleiter der Zweitmitbeteiligten in einem von § 4 Abs. 1 DSG erwähnten Zusammenhang mit einem Dateisystem stand, weil sich aus diesen weder ein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der mitgeteilte Inhalt auf Basis eines Dateisystems erfolgte, noch dafür, dass die vom Dienststellenleiter geäußerte Vermutung bzw. Ansicht in einem Dateisystem erfasst werden sollte. Ein auf solche Sachverhaltsfeststellungen abzielendes Parteienvorbringen wurde nicht erstattet.
17 Ausgehend von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts ist vor diesem Hintergrund in rechtlicher Hinsicht zu folgern, dass der festgestellte Sachverhalt weder in den sachlichen Anwendungsbereich der einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG fällt, noch vom sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO umfasst ist. Der verfahrensgegenständliche Antrag auf Feststellung der Verletzung im Recht auf Geheimhaltung ist daher inhaltlich nicht unter Heranziehung dieser Bestimmungen zu prüfen.
18 4.3. Da nach dem eben Gesagten die einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG aufgrund ihres eingegrenzten sachlichen Anwendungsbereichs durch § 4 Abs. 1 DSG auf den vorliegend festgestellten Sachverhalt nicht anwendbar sind und dieser ebenso wenig dem Anwendungsbereich der DSGVO unterliegt, könnte alleine die Rechtsfrage zu klären sein, ob im vorliegenden Fall eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung im Lichte der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 DSG vorläge; etwa wenn man von einem im Verhältnis zu § 4 Abs. 1 DSG weiteren Anwendungsbereich des durch § 1 Abs. 1 DSG gewährten Schutzumfangs des datenschutzrechtlichen Anspruchs auf Geheimhaltung ausgeht (vgl. insoweit zur früheren Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO bzw. des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018, BGBl. I Nr. 120/2017, VfGH 10.12.2014, B 1187/2013, Rn. 63; VwGH 28.2.2018, Ra 2015/04/0087, Rn. 15; vgl. aus der Lehre weiters etwa Bresich/Dopplinger/Dörnhöfer/Kunnert/Riedl, DSG [2018] § 1 Rn. 3 ff [56 f]; vgl ferner zum Schutzumfang des § 1 Abs. 1 DSG etwa Jahnel, Handbuch Datenschutzrecht [2010], Rn. 2/12; Ennöckl, Der Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Datenverarbeitung [2014], 123 f, 160 ff; Eberhard, Art 1 DSG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht Rz. 38 [2016])
19 4.4. Für die Frage der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich im vorliegenden Fall Folgendes:
20 Auch im Zusammenhang mit Amtsrevisionen hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, er sei nach der ständigen Rechtsprechung zur Prüfung einer Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ‑ wie etwa des in der (dortigen) Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Gleichheitssatzes ‑ gemäß Art. 133 Abs. 5 B‑VG nicht berufen (vgl. VwGH 30.1.2019, Ra 2018/02/0311, mwN). Dies gilt auch für die Revision einer Amtspartei, deren Beschwerde gemäß Art. 144 B‑VG an den Verfassungsgerichtshof mangels Verletzung in einem subjektiven Recht unzulässig wäre. Ist die Amtspartei nicht legitimiert, die Verfassungswidrigkeit mittels Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, bewirkt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit umso weniger die Zulässigkeit der Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 29.9.2021, Ra 2021/01/0181, mit Verweis auf VwGH 18.5.2020, Ra 2019/12/0042-0043, mwN).
21 Ist für die Beurteilung der Zuständigkeit nach Art. 133 Abs. 5 B‑VG der Inhalt des jeweiligen Vorbringens bzw. die darin aufgeworfene Rechtsfrage maßgeblich, so macht es auch keinen Unterschied, dass eine verfassungsrechtliche Frage ‑ wie in der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt ‑ im Wege einer Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen wurde.
22 Aus den angeführten Erwägungen ist der Verwaltungsgerichtshof in der vorliegenden Rechtssache für die Beurteilung der von der Amtsrevision vorgetragenen, ausschließlich § 1 Abs. 1 DSG betreffenden Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 5 B‑VG nicht zuständig.
23 Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
24 Aufwandersatz wurde nicht begehrt.
Wien, am 27. Juni 2023
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