VwGH Ro 2019/14/0001

VwGHRo 2019/14/000127.6.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2018, W234 2200634-1/10E, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach dem BFA-VG (mitbeteiligte Partei: X Y, in Z), zu Recht erkannt:

Normen

BFA-VG 2014 §18 Abs1 Z1
BFA-VG 2014 §18 Abs1 Z4
EURallg
VwGG §42 Abs2 Z1
32013L0032 IntSchutz-RL

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019140001.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Georgiens, stellte am 30. Jänner 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er leide an einer Herzerkrankung, deren operative Behandlung in Georgien nicht möglich sei. 2 Mit Bescheid vom 21. Juni 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Mitbeteiligten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.), sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).

3 In seiner Begründung führte das BFA - hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - im Wesentlichen aus, die mitbeteiligte Partei stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat und habe keine Verfolgungsgründe vorgebracht. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat bestehe für den Mitbeteiligten keine reale Gefahr einer "Menschenrechtsverletzung". Die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten. Der Antrag auf internationalen Schutz habe keine Aussicht auf Erfolg. Es drohe dem Mitbeteiligten im Herkunftsstaat "auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr", weshalb es ihm zumutbar sei, den Ausgang des Asylverfahrens dort abzuwarten. Das Interesse der mitbeteiligten Partei an einem Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

4 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

5 Mit dem angefochtenen (Teil‑)Erkenntnis gab das BVwG der Beschwerde, soweit sich diese gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richtete, Folge und hob Spruchpunkt VII. des Bescheides des BFA ersatzlos auf. Den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wies das BVwG zurück und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. 6 In seiner Begründung stellt das BVwG darauf ab, aufgrund des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16 , könne die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung keinen Bestand haben. Aus diesem Urteil ergebe sich, dass aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben im Fall der Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Erlassung einer mit der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen seien. Dabei genüge es nicht, von einer zwangsweisen Vollstreckung abzusehen. Die im vorliegenden Fall von der Behörde herangezogene Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 4 BFA-VG stünde im Widerspruch zur Rückführungsrichtlinie, weshalb sie unangewendet zu lassen sei. Daher sei der mit Spruchpunkt VII. des beim Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides erfolgte Ausspruch ersatzlos zu beheben.

7 Die Zulassung der Revision begründete das BVwG mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Rechtsfrage.

8 Gegen dieses (Teil‑)Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des BFA. Die Revision wurde vom BVwG samt den Verfahrensakten nach Durchführung des Verfahrens nach § 30a VwGG, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

 

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

10 Die Amtsrevision, die sich zu ihrer Zulässigkeit nicht

allein auf das Fehlen von Rechtsprechung beruft, sondern zudem darlegt, weshalb sich nach Ansicht der revisionswerbenden Behörde die Beurteilung des Verwaltungsgerichts als rechtswidrig darstellt, erweist sich vor dem Hintergrund dieses Vorbringens als zulässig und berechtigt.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mittlerweile mit der (auch) hier maßgeblichen Rechtsfrage des Näheren in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2018, Ro 2018/18/0008, auseinandergesetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. 12 Aus den dort genannten Gründen erweist sich die - nicht näher differenzierende - Ansicht des BVwG, § 18 Abs. 1 Z 1 und 4 BFA-VG müsse jedenfalls immer aufgrund Widerspruchs zum Unionsrecht gänzlich unangewendet bleiben, als unzutreffend (vgl. zu Z 1 dieser Bestimmung näher VwGH 20.2.2019, Ro 2019/20/0001, zu deren Z 4 VwGH 10.4.2019, Ro 2018/18/0006). Ausgehend von dieser unzutreffenden Rechtsansicht hat es das BVwG auch unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, ob die herangezogenen Aberkennungstatbestände fallbezogen und vor dem unionsrechtlichen Hintergrund korrekt angewendet wurden. 13 Insoweit die Revision auch Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit der Gerichtsabteilung W234 des BVwG für die vorliegende Rechtssache äußert, sind diese nicht berechtigt. Die vorliegende Rechtssache wurde dem ursprünglich nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter mit der auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 BVwGG ergangenen Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 25. September 2018 - wie sich aus der Begründung dieser Verfügung ergibt: zur Ermöglichung einer möglichst zeitnahen Erledigung - abgenommen (§ 1 Abs. 7 dieser Verfügung) und dem in der Folge erkennenden Richter zugewiesen (§ 2 Abs. 5 dieser Verfügung).

14 Das angefochtene (Teil‑)Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 27. Juni 2019

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