VwGH Ro 2017/15/0017

VwGHRo 2017/15/001714.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3. Jänner 2017, Zl. RV/5101609/2016, betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 (mitbeteiligte Partei: Mag. E A in L, vertreten durch Dr. Josef Schlager, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Freistädterstraße 307), den Beschluss gefasst:

Normen

32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art132 Abs1 liti;
32011R0282 MehrwertsteuerDV Art44;
UStG 1994 §6 Abs1 Z11 lita;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei organisiert berufsbegleitende Fortbildungslehrgänge im Bereich der Hotellerie und Gastronomie.

2 Das Finanzamt vertrat im Zuge einer Außenprüfung die Auffassung, die mit diesen berufsbegleitenden Fortbildungslehrgängen im Zusammenhang stehenden Umsätze der Streitjahre 2010 und 2011 erfüllten nicht die Voraussetzung der Umsatzsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994, weil die mitbeteiligte Partei "eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit", wie es die angeführte Befreiungsbestimmung voraussetze, nicht ausübe. Nicht strittig war, dass bei der mitbeteiligten Partei die organisatorischen Voraussetzungen eines schulähnlichen Betriebes vorlagen und sie eine berufsbildende Einrichtung darstellt, welche Kenntnisse berufsbildender Art vermittelt.

3 Der gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2010 und 2011 erhobenen Berufung/Beschwerde gab das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom 10. März 2014, Zl. RV/5100572/2012, Folge. Diese Entscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. September 2016, Ra 2014/15/0003 (im Folgenden: Vorerkenntnis), auf.

4 In diesem Vorerkenntnis verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL 2006/112/EG die unionsrechtliche Grundlage der Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 bildet. Er weist weiters darauf hin, dass Art. 44 der Verordnung (EU) Nr. 282/2011 verbindlich festlegt, dass Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient, unabhängig von der Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, ihrer Art nach jedenfalls von der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung erfasst sind. Die zwingend unmittelbar anwendbare Durchführungsverordnung greift somit in § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 ein, soweit berufsbezogene Schulungsmaßnahmen betroffen sind, sodass bei einer solchen Schulungsmaßnahme das Tatbestandsmerkmal der "Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit einer öffentlichen Schule" unbeachtlich ist.

5 Der Verwaltungsgerichtshof verweist im Vorerkenntnis sodann darauf, dass nach dem unionsrechtlichen Richtlinienrecht (Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL) Bildungsdienstleistungen nur dann befreit sind, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind, oder von anderen Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung erbracht werden. Die MwStSystRL regelt somit, dass diese anderen Einrichtungen, d. h. private Einrichtungen, eine den genannten Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbare Zielsetzung haben müssen, um von der Befreiungsbestimmung der EU-Richtlinie erfasst zu sein (Hinweis auf EuGH vom 28. November 2013, C-319/12 , MDDP, Rn. 35 f, 46). Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 ändert nichts am Richtlinienrecht, wonach (unionsrechtlich) das Erfordernis einer den Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbaren Zielsetzung besteht. Somit erfordert die Befreiungsbestimmung der MwStSystRL, dass - für die Anwendung des Richtlinienrechts - im Einzelfall die Zielsetzung und die Bedingungen der Tätigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich mit den Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind, untersucht werden.

6 Im Hinblick darauf und auf die Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL in § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 betont der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis:

"Überschreitet ein Mitgliedstaat sein Ermessen, indem er Leistungen oder Steuerpflichtige befreit, für die nach der fraglichen Bestimmung der Mehrwertsteuerrichtlinie eine solche Befreiung objektiv nicht gewährt werden kann, kann sich der Betroffene unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL berufen, und damit erreichen, dass die Befreiung nicht auf ihn angewandt wird."

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge gegeben und die Umsätze aus den berufsbildenden Maßnahmen als umsatzsteuerbefreit behandelt. Im Erkenntnis wird darauf hingewiesen, dass sich der Steuerpflichtige auf die unmittelbare Anwendung der MwStSystRL berufen könne, wenn der Mitgliedstaat im nationalen Recht richtlinienwidrig eine Steuerbefreiung normiere. Dass sich die mitbeteiligte Partei im gegenständlichen Fall auf die unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts berufen hätte, stellt das Bundesfinanzgericht jedoch nicht fest.

8 Das Bundesfinanzgericht führt sodann - mit näherer Begründung - aus, im gegenständlichen Fall liege eine private Bildungseinrichtung vor, welche eine mit einer öffentlichen Schule vergleichbare Zielsetzung erfülle. Schließlich gelangt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 erfüllt seien und daher die Steuerbefreiung zustehe.

9 Das Finanzamt formuliert in seiner Anfechtungserklärung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten ordentlichen Revision, das Bundesfinanzgericht habe die Umsätze zu Unrecht als nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 steuerbefreit beurteilt. Es sei nämlich kein Nachweis erbracht worden, dass die Bildungseinrichtung der mitbeteiligten Partei eine vergleichbare Zielsetzung und auch eine vergleichbare Tätigkeit aufweise wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut seien. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege nach Ansicht des revisionswerbenden Finanzamtes (entsprechend der Zulässigkeitsbegründung des Bundesfinanzgerichts) vor, weil nicht geklärt sei, was unter Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung zu verstehen sei und ob sich die Tatbestandsmerkmale "vergleichbare Zielsetzung" und "vergleichbare Tätigkeit" deckten.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

13 Soweit als zentrales Argument der Revision vorgebracht wird, die Umsetzung des in der Bestimmung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL enthaltenen Erfordernisses der vergleichbaren Zielsetzung sei in der nationalen Norm des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 durch das Tatbestandsmerkmal der vergleichbaren Tätigkeit erfolgt, ist auf das Vorerkenntnis zu verweisen, mit welchem diese Ansicht verworfen worden ist. Eine vergleichbare Tätigkeit ist etwas anderes als eine vergleichbare Zielsetzung (vgl. auch VwGH vom 31. März 2017, Ro 2015/13/0014).

14 Bereits mit Erkenntnis vom 21. November 2013, 2011/15/0109, hat der Verwaltungsgerichtshof geklärt, dass Art. 44 der zwingend unmittelbar anzuwendenden Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 in § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994, soweit berufsbezogene Schulungsmaßnahmen betroffen sind, zur Folge hat, dass das Tatbestandsmerkmal der "Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit einer öffentlichen Schule" nicht zur Anwendung kommt (ebenso beispielsweise das Vorerkenntnis).

15 Soweit die vergleichbare Zielsetzung fehlt, sind die Umsätze zwar nach Richtlinienrecht (MwStSystRL), auf welches sich der Steuerpflichtige (im Hinblick auf den in einem solchen Fall zu gewährenden Vorsteuerabzug) berufen kann, nicht steuerbefreit. Wie das Vorerkenntnis aufzeigt, weicht allerdings die nationale Regelung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 vom Richtlinienrecht ab, indem sie "Leistungen oder Steuerpflichtige befreit, für die nach der fraglichen Bestimmung der Mehrwertsteuerrichtlinie eine solche Befreiung objektiv nicht gewährt werden kann."

16 Aufgrund der Ausführungen im nunmehr angefochtenen Erkenntnis ist davon auszugehen, dass sich die mitbeteiligte Partei nicht auf die (im Hinblick auf die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges allenfalls für sie günstigere) unmittelbare Anwendung der MwStSystRL beruft; anderes ist auch der Revision und der Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei nicht zu entnehmen. Solcherart besteht aber im hier vorliegenden Fall für die Prüfung einer "vergleichbaren Zielsetzung" der Einrichtung als weitere Voraussetzung für die Steuerbefreiung - mangels Übernahme dieser Voraussetzung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL in das österreichische UStG 1994 - kein Raum (vgl. VwGH vom 26. Jänner 2017, Ra 2015/15/0019).

17 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Wien, am 14. September 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte