VwGH Ro 2016/15/0007

VwGHRo 2016/15/000727.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der M KG in F, vertreten durch die Schneider Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH in 6844 Altach, Badstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. Oktober 2015, Zl. RV/1100062/2012, betreffend Umsatzsteuer 2006, zu Recht erkannt:

Normen

LiebhabereiV 1993 §2 Abs4;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin erwarb im Jahr 2006 eine "Anlegerwohnung", die sie mit Wohnbauförderungs- und Fremdwährungsdarlehen (Schweizer Franken) finanzierte. Die anschließende Vermietung der Wohnung wurde vom Finanzamt zunächst als einkommensteuerlich beachtliche Einkunftsquelle behandelt. Im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung beurteilte das Finanzamt die Vermietung hingegen als einkommensteuerlich unbeachtliche Liebhaberei. Die Umsatzsteuer 2006 setzte es mit 0 EUR fest.

2 Einer gegen den Umsatzsteuerbescheid 2006 erhobenen Berufung gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung keine Folge und begründete dies damit, dass es sich bei der gegenständlichen Vermietung um eine Betätigung im Sinne des § 1 Abs. 2 der Liebhabereiverordnung handle und die von der Revisionswerberin vorgelegte Prognoserechnung nicht geeignet sei, die Liebhabereivermutung zu widerlegen. Dies u.a. deswegen, weil sie keine Instandhaltungs- und Reparaturkosten enthalte (Hinweis auf VwGH 20.9.2006, 2005/14/0093). Nach Kranewitter, Liegenschaftsbewertung6, seien diesbezüglich zumindest 0,5% der Anschaffungskosten pro Jahr zu veranschlagen. Valorisiert nach dem Baupreisindex ergäben sich für die Eigentumswohnung im als absehbar anzusehenden Zeitraum von 20 Jahren zusätzliche Werbungskosten von 26.458 EUR, wodurch sich im besagten Zeitraum ein Gesamtüberschuss der Werbungskosten über die Einnahmen ergebe.

3 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte im Vorlageantrag u. a. aus, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20.9.2006, 2005/14/0093, auch darauf hinweise, dass Instandhaltungs- und Reparaturkosten realitätsnah zu berücksichtigen seien. Im Streitfall sei durch die Bestätigungen eines Immobiliensachverständigen nachgewiesen, dass alle Erhaltungsaufwendungen aus einem Reparaturfonds bestritten werden könnten, der laut Mietvertrag vom Mieter zu dotieren sei.

4 Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht legte die Revisionswerberin dazu u.a. ein von einem Immobiliensachverständigen erstelltes Gutachten vom 30.9.2015 betreffend die "Bewertung von anfallenden, außergewöhnlichen Reparaturarbeiten in den nächsten 10 Jahren (bis 2025)" und eine Prognoserechnung vor, laut der mit der Vermietung der in Rede stehenden Eigentumswohnung im Zeitraum 2006 bis 2025 ein Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwirtschaften sei. Für die bereits abgelaufenen Jahre 2006 bis 2015 wurden in der Prognoserechnung die tatsächlichen Instandhaltungs- und Reparaturkosten in Abzug gebracht. Für das Jahr 2016 wurden 0,25% der Anschaffungskosten angesetzt und ab dem Jahr 2017 der mit jeweils 2,5% valorisierte Wert des Jahres 2016.

5 Das Bundesfinanzgericht gab der Berufung (nunmehr Beschwerde) keine Folge und traf im angefochtenen Erkenntnis die Feststellung, dass mit der in Rede stehenden Vermietung bei Berücksichtigung angemessener Instandhaltungs- und Reparaturkosten in einem absehbaren Zeitraum von 20 Jahren kein Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen sei. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass es der von den tatsächlichen Instandhaltungskosten gelösten abstrakten Durchschnittsberechnung des Finanzamtes folge, weil selbst im von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten darauf hingewiesen werde, dass es nicht möglich sei, die zu erwartenden Kosten zahlenmäßig genau zu erfassen. Als Instandhaltungskosten würden in der Literatur jene Kosten definiert, die während der Nutzungsdauer zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der baulichen Anlagen aufgewendet werden müssten, um die durch Abnutzung, Alterung und Witterungseinwirkung entstehenden baulichen Schäden ordnungsgemäß zu beseitigen. Darüber hinaus werde in der Literatur die Ansicht vertreten, dass die tatsächlichen Kosten des maßgebenden Jahres bei der Berechnung des Instandhaltungsaufwandes schon deshalb nicht zu berücksichtigen seien, weil besonders hohe oder niedrige Kosten den Wert in einem ungerechtfertigten Ausmaß beeinflussen würden. Ebenfalls entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass über den Lebenszyklus eines Gebäudes die Kosten zu Beginn gering seien und kontinuierlich stiegen, wobei ab 2016, also für die abschließenden 10 Jahre des Beobachtungszeitraumes, selbst von der Revisionswerberin davon ausgegangen werde, dass die bisher - entgegen den Wohnbauförderrichtlinien - bei den Mietern einkassierten Beiträge zum Reparaturfonds nicht mehr diesen vorzuschreiben seien.

6 Eine Revision erachtete das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil "eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Höhe des anzusetzenden Erhaltungsaufwandes bei Wohnungen im Zusammenhang mit der Liebhabereiproblematik fehlt".

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

 

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über das Vorliegen von Einkünften, über die Annahme einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit und über die Erlassung vorläufiger Bescheide, BGBl. Nr. 33/1993 idF BGBl. II Nr. 358/1997 und BGBl. II Nr. 15/1999 (LVO), bestimmt in § 1 Abs. 2 u.a., dass Liebhaberei bei einer Betätigung anzunehmen ist, wenn Verluste aus der Bewirtschaftung von Eigenheimen, Eigentumswohnungen und Mietwohngrundstücken mit qualifizierten Nutzungsrechten entstehen (§ 1 Abs. 2 Z 3 LVO). Die Annahme von Liebhaberei kann in diesen Fällen nach Maßgabe des § 2 Abs. 4 LVO ausgeschlossen werden.

10 Nach § 2 Abs. 4 LVO liegt bei Betätigungen gemäß § 1 Abs. 2 LVO Liebhaberei dann nicht vor, wenn die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit in einem absehbaren Zeitraum einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3 LVO) erwarten lässt. Andernfalls ist das Vorliegen von Liebhaberei ab Beginn dieser Betätigung so lange anzunehmen, als die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit nicht im Sinn des vorstehenden Satzes geändert wird. Bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 LVO gilt als absehbarer Zeitraum ein Zeitraum von 20 Jahren ab Beginn der entgeltlichen Überlassung, höchstens 23 Jahren ab dem erstmaligen Anfallen von Aufwendungen.

11 Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn kann nach § 6 LVO nur bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 LVO vorliegen.

12 Ob eine Tätigkeit objektiv geeignet ist, auf Dauer Einnahmenüberschüsse zu erzielen, ist eine Tatfrage, welche in freier Beweiswürdigung zu lösen ist (vgl. z.B. VwGH 27.4.2011, 2008/13/0162).

13 Im Revisionsfall kam das Bundesfinanzgericht zu dem Ergebnis, dass die hier in Rede stehende Vermietungstätigkeit bei Berücksichtigung angemessener Instandhaltungs- und Reparaturkosten nicht geeignet sei, innerhalb eines absehbaren Zeitraumes von 20 Jahren einen Gesamt-Einnahmenüberschuss abzuwerfen. Als angemessen hat das Bundesfinanzgericht durchschnittliche Instandhaltungs- und Reparaturkosten von 0,5% der Anschaffungskosten erachtet. Der sich durch diesen Prozentsatz ergebende Betrag liegt über den im Zeitraum 2006 bis 2015 tatsächlich angefallenen Instandhaltungskosten und wurde u. a. damit begründet, dass Instandhaltungskosten in der Literatur als jene Kosten definiert würden, die während der Nutzungsdauer zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der baulichen Anlagen aufgewendet werden müssen, um die durch Abnutzung, Alterung und Witterungseinwirkung entstehenden baulichen Schäden ordnungsgemäß zu beseitigen; weiters auch damit, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass über den Lebenszyklus eines Gebäudes die Kosten zu Beginn gering seien und kontinuierlich stiegen.

14 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt somit erkennbar die Auffassung zugrunde, dass in einer Ertragsprognose jene Aufwendungen für Erhaltung bzw. Erneuerung in Ansatz zu bringen sind, mit denen über den Lebenszyklus eines Gebäudes zu rechnen ist. Dabei wird übersehen, dass es bei der Prognose für ein Mietobjekt um die Einschätzung des Gesamtergebnisses aus nach steuerlichen Grundsätzen zu erstellenden Überschussrechnungen für die in den absehbaren Zeitraum fallenden Jahre geht. In eine für Zwecke der Liebhabereiprüfung aufzustellende Prognose können daher nur solche Beträge als Werbungskosten Eingang finden, von denen zu erwarten ist, dass sie im Prognosezeitraum tatsächlich anfallen werden (vgl. idS VwGH 18.10.2012, 2010/15/0167). Demgegenüber hat das Bundesfinanzgericht - in Verkennung der Rechtslage - jene Beträge angesetzt, die sich bei der rechnerischen Umlegung der während der gesamten Nutzungsdauer des Gebäudes zu erwartenden Instandhaltungskosten auf die in den Prognosezeitraum entfallenden Jahre ergeben.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. November 2017

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