VwGH Ro 2016/06/0019

VwGHRo 2016/06/001919.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Dr. Bayjones und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision 1. des Ing. I T und

2. der Ing. A T, beide in B, bei Revisionseinbringung vertreten durch Lugger/Bankler Rechtsanwälte, Jordangasse 7, 1010 Wien, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2016, Zlen. W131 2125036-1/4E, W131 2125123-1/4E, betreffend Einstellung von Beschwerdeverfahren in einer Angelegenheit des Vermessungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vermessungsamt Neusiedl am See), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §14 Abs1;
VwGVG 2014 §15 Abs1;
VwGVG 2014 §15 Abs2;
VwGVG 2014 §15 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016060019.J00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ X, KG N., mit dem Grundstück Nr. Y.

2 Mit Bescheid des Vermessungsamtes Neusiedl am See (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 30. November 2015 wurden gemäß § 17 Z 3 in Verbindung mit § 20 Vermessungsgesetz verschiedene andere Grundstücke von Amts wegen vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster umgewandelt.

3 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien als Miteigentümer des angrenzenden Grundstücks Nr. Y in getrennten Eingaben jeweils Beschwerde.

4 In weiterer Folge erließ die belangte Behörde gemäß § 14 VwGVG eine mit 19. Februar 2016 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der "die Beschwerde" der revisionswerbenden Parteien abgewiesen und der bekämpfte Bescheid vollinhaltlich bestätigt wurden. Die Zustellung dieser Entscheidung an die revisionswerbenden Parteien erfolgte jeweils am 25. Februar 2016.

5 Am 10. März 2016, dem letzten Tag der zweiwöchigen Frist gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG, brachten die nunmehr rechtsfreundlich vertretenen revisionswerbenden Parteien bei der belangten Behörde per E-mail einen Vorlageantrag ein. Darin begehrten die revisionswerbenden Parteien unter anderem die Vorlage ihrer Beschwerde(n) "an das Landesverwaltungsgericht Burgenland" (im Folgenden: LVwG Burgenland).

6 Die belangte Behörde übermittelte mit Erledigung vom 18. April 2016 den Beschwerdeakt an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

7 Mit Erledigung vom 22. April 2016 ersuchte das BVwG die revisionswerbenden Parteien um Stellungnahme unter anderem zum Vorhalt, dass sie in ihrem Vorlageantrag die Vorlage an das LVwG Burgenland begehrt hätten.

8 Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2016 äußerten sich die revisionswerbenden Parteien zum genannten Vorhalt dahingehend, dass sie sich dem Einwand, wonach sich das BVwG für den gegenständlichen Vorlageantrag als zuständig erachte, unterwerfen würden. Es würden daher die im Vorlageantrag vom 10. März 2016 gestellten Anträge dahingehend berichtigt, dass - unter anderem - die Vorlage der Beschwerde(n) samt dem Vorlageantrag an das BVwG begehrt werde.

9 Mit dem angefochtenen Beschluss des BVwG vom 12. Mai 2016 wurden die über die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien eingeleiteten Beschwerdeverfahren wegen eines jeweils verspätet gestellten Antrages auf Vorlage an das BVwG eingestellt.

10 In seiner rechtlichen Begründung hielt das BVwG fest, Prozesserklärungen seien nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dementsprechend sei die Eingabe der revisionswerbenden Parteien vom 10. März 2016, die (jeweilige) Beschwerde dem LVwG Burgenland vorzulegen, nur einer Auslegung dahin zugänglich, dass ein Vorlageantrag an das LVwG Burgenland gestellt worden sei. Das erstmalig im Schriftsatz vom 2. Mai 2016 - rechtlich - durch die Antragsänderung gemäß § 13 Abs. 8 AVG formulierte Begehren, die Beschwerde dem BVwG vorzulegen, führe dazu, dass die revisionswerbenden Parteien erstmalig im Mai 2016 und damit nach Ablauf der zweiwöchigen Vorlageantragsfrist - nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung im Februar 2016 - die Vorlage ihrer Beschwerden an das BVwG verlangt hätten.

11 Die belangte Behörde - so das BVwG weiter - hätte eigentlich einen Zurückweisungsbescheid betreffend den jeweils evident verspäteten Vorlageantrag an das BVwG erlassen müssen. Vor dem Hintergrund, dass § 15 Abs. 3 VwGVG im Falle eines verspäteten Vorlageantrages die Zurückweisung des Vorlageantrages durch die belangte Behörde verlange, sei die Frage der Verspätung eines Vorlageantrages durch das Verwaltungsgericht nur mehr als Vorfrage zu prüfen. Das BVwG schließe sich ausdrücklich der in der Literatur (Verweis auf G. Gruber in Götzl et al., Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Rz 12) geäußerten Auffassung an, wonach das Verwaltungsgericht im Falle eines verspäteten Vorlageantrages das jeweilige Beschwerdeverfahren einzustellen habe. Es erscheine nämlich konsequent, dass bei einer ursprünglich rechtzeitigen Beschwerde und dem nachträglichen Umstand des Nichteintritts der Sachentscheidungsvoraussetzung, hier: der Stellung eines rechtzeitigen Vorlageantrages an das zuständige Verwaltungsgericht, das jeweilige Beschwerdeverfahren wegen Nichteintritts dieser Sachentscheidungsbedingung - nach Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung - eingestellt werde.

12 Das BVwG ließ die ordentliche Revision zu, weil bislang keine gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vorliege, inwieweit bei einem verwaltungsgerichtlich als verspätet beurteilten Vorlageantrag mit Einstellungs- oder z. B. mit Zurückweisungsbeschluss vorzugehen sei.

13 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vom Erstrevisionswerber und der Zweitrevisionswerberin gemeinsam in einem Schriftsatz eingebrachte Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

14 Im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof gaben die revisionswerbenden Parteien zunächst einen Vollmachtswechsel und in weiterer Folge die Vollmachtsauflösung bekannt.

 

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

16 In der Revision werden die Begründung des BVwG für die Zulassung der ordentlichen Revision als unrichtig bezeichnet und gleichzeitig eigene Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung formuliert.

17 Die Revision erweist sich bereits aufgrund der von den revisionswerbenden Parteien (unter anderem) aufgeworfenen Frage, ob im vorliegenden Fall, in dem die belangte Behörde entgegen der unrichtigen Bezeichnung im Vorlageantrag die Beschwerden gemäß § 15 Abs. 2 VwGVG dem zuständigen BVwG vorgelegt habe, eine unrichtige Bezeichnung des Verwaltungsgerichts im Begehren des Vorlageantrages im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit oder Zulässigkeit dieses Vorlageantrages schade, als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

18 Gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

19 Nach § 15 Abs. 1 erster Satz VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Gemäß § 15 Abs. 2 zweiter Satz VwGVG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen. Nach § 15 Abs. 3 VwGVG sind verspätete und unzulässige Vorlageanträge von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 3. August 2016, Ro 2016/07/0008, 0009, ausgesprochen, dass die in der ständigen Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (vgl. die im genannten Erkenntnis zitierte Judikatur) vertretene Ansicht, es sei nur ausschlaggebend, dass die Berufung an der richtigen Stelle eingebracht werde, und nicht, dass sie an die richtige Behörde gerichtet sei, auch nach der geltenden Rechtslage in einem Fall gelte, in dem der Vorlageantrag rechtzeitig bei der richtigen Einbringungsstelle eingebracht, aber die Entscheidung vom unrichtigen Verwaltungsgericht begehrt wurde.

21 Im gegenständlichen Fall hatte die belangte Behörde nach § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG den - unstrittig rechtzeitig bei ihr eingebrachten - Vorlageantrag und die Beschwerde(n) der revisionswerbenden Parteien dem zuständigen Verwaltungsgericht (BVwG) vorzulegen; dies ist auch geschehen. Das BVwG hätte somit aufgrund dieses Vorlageantrags über die Beschwerden entscheiden müssen und die Beschwerdeverfahren nicht mit der Begründung eines "jeweils verspätet gestellten Antrags auf Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht" einstellen dürfen.

22 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

23 Die vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG entfallen.

24 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Dezember 2018

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