Normen
ASRÄG 1997;
ASVG §341 Abs3;
ASVG §342;
ASVG §343 Abs1 idF 2010/I/061;
ASVG §343 Abs1;
BSVG §181 Z1;
BSVG §181;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der Paritätischen Schiedskommission wird abgewiesen.
Begründung
Der Revisionswerber, ein Vertragsarzt der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern (im Folgenden: SVB), beantragte mit Schriftsatz vom 8. August 2012, die Paritätische Schiedskommission für Oberösterreich (im Folgenden kurz: Paritätische Schiedskommission) möge einen Bescheid folgenden Inhalts erlassen: a) die SVB sei schuldig, ihm den Betrag von EUR 8.630,55 samt Zinsen zu bezahlen, und b) zwischen dem Antragsteller und der SVB werde festgestellt, dass für die Honorarabrechnung des Antragstellers für Leistungen, die an Versicherten der SVB vorgenommen würden, die Zusatzvereinbarung vom 12. Februar 2003, abgeschlossen zwischen der Ärztekammer für Oberösterreich und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband), für die "in § 2 angeführten Krankenversicherungen" anzuwenden sei.
In der Antragsbegründung führte er aus, dass nach § 181 BSVG der für die jeweilige Gebietskrankenkasse vom Hauptverband abgeschlossene Gesamtvertrag für die Beziehungen der SVB zu den Ärzten bindend sei und die SVB kraft Gesetzes zur Vertragspartei werde. Bei der Anwendung des Honorarsystems der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse auf die Versicherten der SVB habe sich das Problem ergeben, dass es keine einheitliche Honorarordnung für die Versicherten der Gebietskrankenkasse gebe; vielmehr sei die Tarifregelung durch Staffelungen gekennzeichnet, sodass das Honorar für eine bestimmte ärztliche Leistung davon abhänge, in welche Staffelgruppe der Patient falle. Es habe daher festgelegt werden müssen, welches dieser unterschiedlichen Honorare auf Versicherte der SVB angewendet werde. Dies sei durch eine zwischen der Ärztekammer für Oberösterreich und dem Hauptverband als Vertreter der SVB abgeschlossene Zusatzvereinbarung zum Gesamtvertrag erfolgt; die derzeit aufrechte Zusatzvereinbarung stamme vom 12. Februar 2003. Wenn man davon ausgehe, dass die Zusatzvereinbarung nicht als Gesamtvertrag zu qualifizieren sei, dann liege zumindest ein schuldrechtlich wirksamer Vertrag zugunsten Dritter vor.
Mit Bescheid vom 25. September 2013 wies die Paritätische Schiedskommission diesen Antrag ab. Begründend verwies sie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 2010, B 1290/09, wonach der Hauptverband seit 1. Juli 1997 weder die Rechtsmacht habe, mit der Ärztekammer einen eigenen Gesamtvertrag als Abschlussbevollmächtigter für die SVB abzuschließen, noch in einer solchen Vereinbarung von bestehenden Gesamtverträgen mit einer Gebietskrankenkasse abzuweichen. Daher sei der Honorartarif für Versicherte der Gebietskrankenkasse für die SVB bindend, und die Gesamtverträge der Gebietskrankenkassen könnten nicht so geändert werden, dass es für die Behandlung von Versicherten der SVB Sondertarife gebe. Genau das wolle die strittige Zusatzvereinbarung aber erreichen. Sie könne auch schuldrechtlich keine Wirkung entfalten, weil einem solchen schuldrechtlichen Vertrag die Bestimmungen des ASVG/BSVG und die zweiseitig und absolut zwingende Natur des Vertragspartnerrechts entgegenstünden. Der Gesamtvertrag lasse generell keine Abweichungen zu.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung an die Landesberufungskommission wiederholte der Revisionswerber seine Ansicht, bei der Zusatzvereinbarung handle es sich um einen wirksamen Vertrag zugunsten Dritter bzw. um eine wirksame schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Gesamtvertragsparteien. Er erläuterte, dass in der Honorarordnung des Gesamtvertrages der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse Limitierungs- und Degressionsbestimmungen vorgesehen seien, sodass sich die Frage gestellt habe, wie die Versicherten der SVB in dieses System einzubinden seien. Das einfache Dazuzählen der SVB-Patienten zu den Patienten der Gebietskrankenkasse hätte dazu geführt, dass bei einem durchschnittlichen oberösterreichischen Vertragsarzt jeder SVB-Patient immer mit der letzten Staffel (die etwa für die pauschale Grundleistungsvergütung bei Allgemeinmedizinern ab dem 1101. Fall gelte und einen Tarif in der Höhe von EUR 4,72 vorsehe) zu vergüten gewesen wäre; bedenke man, dass jeder Versicherte der SVB, der zumindest einmal im Quartal den Hausarzt aufsuche, zwingend eine Behandlungspauschale von EUR 8,73 pro Quartal abzuführen habe, hätte dies zum grotesken Ergebnis geführt, dass jeder Patient (sofern keine Sonderleistungen anfielen) zu einem "Gewinn" an Einnahmen von mehr als 4 EUR für die SVB geführt hätte. Die Degressionsregeln verfolgten auch den Zweck, dass es beim einzelnen Vertragsarzt nicht zu einer Überzahl von zu behandelnden Patienten kommen solle, der Arzt müsse also die Behandlung von zu vielen Patienten ablehnen; bei einer Eingliederung der SVB-Patienten in die letzte Staffel der Honorierung der Gebietskrankenkasse hätte das dazu geführt, dass die Vertragsärzte praktisch dazu gezwungen gewesen wären, die Behandlung dieser Patienten abzulehnen. Auch bei unreflektierter Übernahme der Einzellimitierungsbestimmungen hätte sich ein unsachliches Ergebnis gezeigt, weil diese Limitierung sich nach einem Prozentsatz der Gesamtheit der Patienten eines Arztes bemesse, dieser Kalkulation aber die hohe Anzahl von Patienten der Gebietskrankenkasse zugrunde liege.
In ihrer Gegenäußerung trat die SVB dieser Darstellung entgegen und wies insbesondere darauf hin, dass SVB-Patienten nicht einfach "dazugezählt" würden, sondern ein Durchschnittswert aus Gebietskrankenkassen- und SVB-Patienten gebildet werde.
Die Landesberufungskommission wurde nach Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG iVm Abschnitt A Z 5 der Anlage mit 1. Jänner 2014 aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die nunmehr als Beschwerde nach dem VwGVG geltende Berufung ging auf das Bundesverwaltungsgericht über.
Dieses gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis keine Folge.
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Hauptverband seit 1. Juli 1997 weder die Rechtsmacht habe, mit der Ärztekammer einen eigenen Gesamtvertrag als Abschlussbevollmächtigter für die SVB abzuschließen, noch in einer solchen Vereinbarung von bestehenden Gesamtverträgen mit einer Gebietskrankenkasse abzuweichen, seien doch diese Gesamtverträge für die SVB kraft Gesetzes ausdrücklich bindend. Daher habe der Hauptverband unter Mitwirkung der SVB auch "Zusatzvereinbarungen", die von dem für die oberösterreichische Gebietskrankenkasse geltenden Gesamtvertrag abwichen, nicht mit der Rechtswirkung einer Abänderung (der Honorarordnung) des jeweiligen Gesamtvertrages für die Versicherten der SVB schließen können.
Die Zusatzvereinbarung sei nichtig, weil sie gegen § 181 BSVG iVm §§ 341 ff ASVG verstoße. Sie bezeichne sich selbst als solche zum Gesamtvertrag. Abschlussparteien seien entsprechend den für Gesamtverträge geltenden Bestimmungen des § 341 ASVG die Ärztekammer Oberösterreich und der Hauptverband für die "§ 2- Kassen" sowie die SVB gewesen. Zentraler Inhalt der Zusatzvereinbarung seien Honorarregelungen für die Behandlung von Anspruchsberechtigten der SVB gewesen. Honorarregelungen seien gemäß § 342 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 ASVG zwingender Regelungsgegenstand des Gesamtvertrages. Honorarregelungen gehörten zum sogenannten normativen Teil eines Gesamtvertrages, der die Rechte und Pflichten der ihm unterliegenden Vertragsärzte verbindlich regle. Das zentrale Recht des Vertragsarztes sei (im Gegenzug zu seiner Behandlungspflicht) jenes auf Honorierung. Der schuldrechtliche Teil des Gesamtvertrages regle demgegenüber nur die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Gesamtvertragsparteien und konkretisiere insbesondere Durchführungspflichten. Die streitgegenständliche Honorierungsregelung gehöre unzweifelhaft zu jenen Gegenständen, die zwingend im normativen Teil des Gesamtvertrages zu regeln seien. Während des aufrechten Bestands eines Gesamtvertrages sei es ohne gesetzliche Ermächtigung unzulässig, solche Gegenstände durch andere (auch bloß schuldrechtliche) Verträge zu regeln.
Die Zusatzvereinbarung widerspreche der eindeutigen Absicht des Gesetzgebers, die im Gebietskrankenkassen-Gesamtvertrag festgelegten vertragsärztlichen (insbesondere Behandlungs‑)Pflichten und (insbesondere Honorierungs‑)Rechte auf die Versicherten der SVB auszudehnen, und zwar unmittelbar durch gesetzliche Anordnung und ohne Vorbehalt einer erst zu treffenden gesamtvertraglichen Regelung. Die aus dem Vorbringen im Verfahren herauszulesende inhaltliche Ablehnung der Entscheidung des Gesetzgebers, auch für die Honorierung der Behandlung der SVB-Versicherten die Anwendung der Regelungen des Gebietskrankenkassen-Gesamtvertrages anzuordnen, rechtfertige nicht eine davon abweichende vertragliche Regelung.
Im Unterschied zu Kollektivverträgen seien Gesamtverträge zweiseitig zwingend und kennten kein Günstigkeitsprinzip. Der Revisionswerber irre daher, wenn er dem gesetzlichen Regelungsmodell nur den Zweck unterstelle, die einzelnen Vertragsärzte vor der Übermacht des Krankenversicherungsträgers zu schützen, verbunden mit der Behauptung, abweichende Regelungen, die im Vorteil der schwachen Ärzte lägen, seien - weil diesem Schutzzweck entsprechend - zulässig.
Der Verweis auf die Möglichkeit von Sonderregelungen im Einzelvertrag gemäß § 343 Abs. 1 ASVG gehe ins Leere, weil diese Bestimmung erst durch BGBl. I Nr. 61/2010, also viele Jahre nach Abschluss der Zusatzvereinbarung, eingeführt worden sei und nicht der Sonderhonorierung für Anspruchsberechtigte einzelner Kassen, sondern für besondere qualitative Leistungen diene.
Auch verkenne der Revisionswerber den Mechanismus der Staffelregelung für Grundleistungsvergütungen und Honorarsummenlimits: Es komme nicht darauf an, welcher Staffel ein konkreter einzelner Patient zugeordnet werden könne, sondern die Regelung bewirke lediglich - unabhängig davon, ob der Patient der Gebietskrankenkasse oder der SVB zugehöre -, dass die auf den einzelnen Patienten entfallende durchschnittliche Grundvergütung bzw. Fallhonorierung sinke, wie in der Regel auch die Grenzkosten des Ordinationsbetriebes mit jedem weiteren Patienten sinken würden. Wo ein Patient einer von mehreren Vertragskassen "zugeordnet" werde, sei zufällig und irrelevant, könne doch beim Vertragsarzt X die letzte Staffelgrenze allein mit Gebietskrankenkassen-Patienten erreicht werden oder beim Vertragsarzt Y erst mit SVB-Patienten; umgekehrt könne aber auch ein Vertragsarzt Z mit hohem Anteil an SVB-Patienten mit allen Patienten in hoch honorierten Staffeln bleiben, weil er insgesamt nur wenig Patienten habe. Das Überschreiten von Staffelgrenzen rechtfertige allerdings nicht die Ablehnung der Behandlung.
Limitierungsregelungen, die an der Zahl der Patienten anknüpften, also parallel zur steigenden Patientenzahl eine steigende Zahl voll und degressiv honorierter Sonderleistungen gewährleisteten, begegneten auch bei getrennter Anwendung auf die einzelnen Vertragskassen keinen generellen Bedenken, wirkten sie doch nur in Einzelfällen nachteilig, in anderen zum Vorteil und im Durchschnitt ohne Unterschied. Je höher die Zahl der SVB-Patienten sei, desto stärker der statistische Ausgleich im Verrechnungskreis, je geringer die Zahl der SVB-Patienten, desto geringer zwar der Ausgleich statistischer Zufälligkeiten im Verrechnungskreis, aber zugleich auch die damit verbundene potentielle finanzielle Einbuße des Arztes im Verhältnis zu seiner Honorarsumme, die er insgesamt (für alle Kassen) mit der Gebietskrankenkasse abrechne. Eine Gefährdung der Versorgung trete dadurch nicht ein, weil die Honorarordnung nur der Verteilung insgesamt zur Verfügung stehender Honorarsummen diene, aber nicht die Behandlungspflicht der Vertragsärzte gegenüber einzelnen Patienten beschränke.
Eine allenfalls sachlich zweckmäßige Anpassung bestehender Degressions- und Honorarsummenregelungen an sich ändernde Verhältnisse oder eine Änderung der "Verrechnungskreis"-Regelung sei daher - unter Beachtung des vom Gesetz vorgegebenen Grundsatzes der Gleichbehandlung der Versicherten aller Vertragskassen - Sache von Verhandlungen zwischen den Parteien des Gesamtvertrages und einer Einzelfallbetrachtung durch die Paritätische Schiedskommission und das Bundesverwaltungsgericht entzogen, jedenfalls solange, als die Regelung nicht typischerweise für das Gros der Vertragsärzte keine kostendeckende Honorierung mehr gewährleiste. Mäßige Einbußen, auch wenn sie viele Vertragsärzte beträfen, sowie selbst Härten in Einzelfällen verlangten noch keine gerichtliche Prüfung der Vertragsregelung auf ihre Grundrechtskonformität und bewirkten keine Nichtigkeit, zumal der Gesetzgeber davon ausgehe, dass die Gesamtvertragsparteien rechtzeitig eine sachlich angemessene und gesetzmäßige Regelung fänden oder notfalls den Gesamtvertrag beenden würden.
Abschließend fasste das Bundesverwaltungsgericht zusammen:
Honorarregelungen seien während des aufrechten Bestandes eines Gesamtvertrages nur in diesem zu regeln. Ohne gesetzliche Ermächtigung sei es unzulässig, Gegenstände, die zum normativen Teil eines Gesamtvertrages gehörten (wie die Honorarregelung), durch andere (auch bloß schuldrechtliche) Verträge mit Rechtswirkungen für die Vertragsärzte zu regeln. Eine Regelung, die dem Gesetz widerspreche, könne auch nicht als Vertrag zugunsten Dritter getroffen werden. Es sei auch kein Raum für einen solchen Vertrag, weil die Honorarfrage nicht offen gewesen sei, vielmehr sei für die Behandlung von Versicherten der SVB die gemäß Gesamtvertrag bzw. Einzelvertrag mit der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse geltende Honorarordnung anzuwenden gewesen. Die Zusatzvereinbarung sei hinsichtlich jener Bestimmungen, die für Versicherte der SVB andere Honorarregelungen treffe als für die übrigen "§ 2-Kassen-Versicherten", gesetzwidrig (§ 181 BSVG, § 342 ASVG) und insoweit nichtig. Sie könne somit als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Revisionswerbers nicht herangezogen und auch nicht als rechtsgültiger Vertrag zugunsten Dritter interpretiert werden. Die Beschwerdeausführungen zu den Limitierungs- und Degressionsregeln im Gesamtvertrag seien weder entscheidungswesentlich noch zutreffend.
Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu klären sei, ob eine Vereinbarung, zu deren Abschluss mittels Gesamtvertrag der Hauptverband nicht berechtigt sei, als schuldrechtliche Vereinbarung zugunsten Dritter zu gelten habe, die Vertragsärzten Honoraransprüche einräume.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, die dem Verwaltungsgerichtshof vom Bundesverwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Die mitbeteiligte SVB hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, die Paritätische Schiedskommission hat unter Verweis auf die Begründung ihres Bescheides und des angefochtenen Erkenntnisses die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Revision ist aus dem vom Bundesverwaltungsgericht genannten - und auch vom Revisionswerber aufgegriffenen - Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
2. § 181 Z 1 BSVG bestimmt seit Inkrafttreten der 23. Novelle zum BSVG, BGBl. I Nr. 176/1999, dass für die Beziehungen des Versicherungsträgers zu den freiberuflich tätigen Ärzten ein zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger namens einer Gebietskrankenkasse (§ 26 Abs. 1 Z 1 ASVG) und der örtlich zuständigen Ärztekammer (seit der 24. Novelle zum BSVG, BGBl. I Nr. 101/2001: jeweils) abgeschlossener Gesamtvertrag bindend ist und der Versicherungsträger kraft Gesetzes zur Vertragspartei wird.
Bereits mit dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 - ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139, war die - davor in § 181 BSVG vorgesehene - Befugnis der SVB zur Mitwirkung am Abschluss von Gesamtverträgen beseitigt worden.
Gemäß § 343 Abs. 1 ASVG erfolgt die Auswahl der Vertragsärztinnen/Vertragsärzte und der Abschluss der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Arzt/der Ärztin nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer. Diese Einzelverträge sind sodann für alle Gebiets- und Betriebskrankenkassen sowie - so die Ergänzung durch das ASRÄG 1997 - für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wirksam.
Der Verfassungsgerichtshof hat aus dieser Rechtslage in seinem Erkenntnis vom 27. September 2010, B 1290/09, VfSlg. 19.167, abgeleitet, dass der Hauptverband seit 1. Juli 1997 weder die Rechtsmacht hatte, mit der Ärztekammer einen eigenen Gesamtvertrag als Abschlussbevollmächtigter für die SVB (bzw. für die in dieser Sozialversicherungsanstalt zusammengefassten krankenversicherten Personen) abzuschließen, noch in einer solchen Vereinbarung von bestehenden Gesamtverträgen mit einer Gebietskrankenkasse abzuweichen, weil diese für die SVB kraft Gesetzes ausdrücklich bindend sind. Demnach konnte der Hauptverband unter der Mitwirkung der SVB auch Zusatzvereinbarungen, die von dem für die Gebietskrankenkasse geltenden Gesamtvertrag abweichen, nicht mit der Rechtswirkung einer Abänderung der Honorarordnung des jeweiligen Gesamtvertrages für die Versicherten der SVB schließen. Vielmehr gilt dem Verfassungsgerichtshof zufolge sowohl der Einzelvertrag, den ein Arzt mit einer Gebietskrankenkasse geschlossen hat, als auch der für diese Gebietskrankenkasse im Gesamtvertrag vorgesehene Honorartarif jeweils bindend auch im Verhältnis zur SVB.
Dieser Rechtsansicht schließt sich der Verwaltungsgerichtshof (wie auch schon der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 30. Mai 2012, 7 Ob 52/12s) an.
Der Revisionswerber bringt dagegen zwar vor, die Zusatzvereinbarung vom 12. Februar 2003 sei von der Ärztekammer Oberösterreich einerseits und dem Hauptverband, der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse und der SVB andererseits unterzeichnet worden. Es handle sich um eine gesamtvertragliche Regelung, mit der die gemäß § 181 BSVG zuständige oberösterreichische Gebietskrankenkasse eine tarifliche "Detailregelung" für die SVB verhandelt habe. Wenn nun die zuständigen Gesamtvertragsparteien eine offenbar nötige und angemessene Honorarregelung für einen Teil der Versicherten schafften, spreche dies dafür, dass hier sehr wohl ein wirksamer Gesamtvertrag vorliege.
Die gesetzliche Anordnung, dass der namens einer Gebietskrankenkasse und der örtlich zuständigen Ärztekammer jeweils abgeschlossene Gesamtvertrag für die SVB bindend ist, in Verbindung mit dem Verlust der Mitwirkungsbefugnis der SVB beim Abschluss von Gesamtverträgen durch das ASRÄG 1997 kann aber nur so verstanden werden, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers für die SVB keine eigenen gesamtvertraglichen Regelungen mehr geben soll. Werden daher Vereinbarungen getroffen, die für das Verhältnis der SVB zu ihren Vertragsärzten Abweichungen von dem für die Gebietskrankenkasse geltenden Gesamtvertrag vorsehen, so können sie auch dann nicht als wirksame gesamtvertragliche Bestimmungen angesehen werden, wenn neben der SVB auch die zuständige Gebietskrankenkasse am Abschluss mitgewirkt hat.
3. Hilfsweise bringt der Revisionswerber vor, dass für den Fall, dass das Vorliegen eines Gesamtvertrages verneint werde, jedenfalls eine zulässige schuldrechtliche Vereinbarung (zugunsten Dritter, nämlich der Vertragsärzte) vorliege (zur Zuständigkeit der Paritätischen Schiedskommission auch zur Beantwortung dieser Frage vgl. den bereits genannten Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 30. Mai 2012, 7 Ob 52/12s).
Dem steht aber - worauf auch das Bundesverwaltungsgericht hingewiesen hat - § 341 Abs. 3 ASVG entgegen, wonach der Inhalt des Gesamtvertrages auch Inhalt des zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages ist und Vereinbarungen zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem Arzt im Einzelvertrag unwirksam sind, soweit sie gegen den Inhalt des jeweils geltenden Gesamtvertrages verstoßen. Der normative Teil der Gesamtverträge ist demnach zweiseitig zwingend, das heißt, dass abweichende einzelvertragliche Regeln auch nicht zugunsten der Ärzte zulässig sind (so auch die ganz herrschende Meinung: vgl. nur die Nachweise bei Kletter in Sonntag (Hrsg.), ASVG5 (2014) § 341 Rz 29, sowie Mosler in Grillberger/Mosler, Ärztliches Vertragspartnerrecht (2012) 82; zu den Ausnahmen nach § 343 Abs. 1 ASVG siehe unten 4.). Ebenso wenig ist es zulässig, über Inhalte, die der Regelung durch Gesamtvertrag vorbehalten sind - insbesondere Honorarbestimmungen -, neben den (auf Basis des Gesamtvertrags abgeschlossenen) Einzelvertrag tretende schuldrechtliche Vereinbarungen zu treffen; solche Vereinbarungen müssen daher ebenfalls als unwirksam angesehen werden. Die Regelung der Beziehungen zwischen den Krankenversicherungsträgern und den Ärzten - mit den in § 342 ASVG näher umschriebenen Inhalten - durch Gesamtvertrag ist keine bloße Option, die beliebig durch den Abschluss schuldrechtlicher Verträge substituiert werden könnte, sondern vom Gesetz zwingend vorgegeben (vgl. dazu auch Kneihs/Mosler in SV-Komm § 341 ASVG Rz 5).
4. Mit der 72. Novelle zum ASVG (als Teil des Bundesgesetzes zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung, BGBl. I Nr. 61/2010) wurde in § 343 Abs. 1 dritter Satz ASVG eine Ermächtigung für die Einzelvertragsparteien geschaffen, abweichend von § 341 Abs. 3 ASVG mit Zustimmung der zuständigen Ärztekammer ergänzende oder abweichende Regelungen hinsichtlich Art, Umfang und Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit insbesondere im Zusammenhang mit der Festlegung der Öffnungszeiten, für Spitalsambulanzen entlastende Leistungen, oder für dislozierte Standorte zu treffen. An der grundsätzlichen Unabdingbarkeit der gesamtvertraglichen Regelungen sollte aber nichts geändert werden:
§ 343 Abs. 1 dritter Satz ASVG ist als Ausnahmebestimmung konzipiert und lässt nur im Einzelfall Abweichungen bzw. Ergänzungen zu, wofür es jeweils eine besondere Rechtfertigung in der Art der im Gesetz demonstrativ aufgezählten Gründe geben muss. Eine Sondervereinbarung, die nicht auf derartige begründete Einzelfälle abstellt und auch nicht mit einem bestimmten Arzt abgeschlossen wird, sondern generell für alle Vertragsärzte bzw. Versicherten eines bestimmten Krankenversicherungsträgers gelten soll - womit sie der Sache nach auf eine gesamtvertragliche Sonderregelung abzielt -, kann schon von daher nicht auf § 343 Abs. 1 dritter Satz ASVG gestützt werden.
5. Auf die sachliche Rechtfertigung des Inhalts der Zusatzvereinbarung, zu der sich die Revision ausführlich äußert, kommt es indes nicht an. Nach dem oben Gesagten konnte die Zusatzvereinbarung zum einen mangels entsprechender Abschlusskompetenz nicht als Gesamtvertrag angesehen werden und zum anderen auch als schuldrechtliche Vereinbarung (zugunsten Dritter) keine Rechtswirkung haben, weil sie unzulässigerweise von den zweiseitig zwingenden Bestimmungen des geltenden Gesamtvertrages abgewichen ist, selbst wenn eine an sich sachliche Regelung getroffen worden sein mag.
6. Als Verfahrensmangel rügt die Revision, dass der Kammeramtsdirektor Dr. W., der Aussagen zur Sachlichkeit bzw. Notwendigkeit der Zusatzvereinbarung hätte machen können, nicht als Zeuge einvernommen worden sei. Dem genannten Beweisthema kommt aber nach dem unter Punkt 5. Gesagten keine rechtliche Relevanz zu.
7. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Für den Schriftsatz der Paritätischen Schiedskommission, die "Kosten im gesetzmäßigen Ausmaß" beantragt hat, war kein Aufwandersatz zuzusprechen, weil darin lediglich auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses und des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen wird.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, Zl. 68.087/01 (Hofbauer/Österreich), wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext "any hearing at all") erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft, und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat).
Wien, am 29. April 2015
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