VwGH Ro 2014/12/0073

VwGHRo 2014/12/007318.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Mag. D V in N, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom 18. Dezember 2013, Zl. BMUKK-1354.230852/0001-III/5a/2013, betreffend Feststellung i.A. Ruhestandsversetzung, zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art51;
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art2;
BDG 1979 §15c idF 2012/I/035;
BDG 1979 §237 idF 2012/I/035;
EURallg;
PG 1965 §6;
StabG 02te 2012;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber steht als Bundeslehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Schreiben vom 23. November 2010 ersuchte der Revisionswerber um Nachkauf von Ruhegenussvordienstzeiten, soweit dies zum Stichtag 1. September 2014 erforderlich sei. Daraufhin wurden dem Revisionswerber mit Bescheid des Landesschulrates für Salzburg vom 9. Dezember 2010 nachträglich - die zur Erreichung der für die Inanspruchnahme einer Korridorpension zum 1. September 2014 erforderlichen Ruhegenussvordienstzeit von 37 Jahren und sechs Monaten fehlenden - Zeiten im Gesamtausmaß von drei Jahren, fünf Monaten und drei Tagen als Ruhegenussvordienstzeiten angerechnet und er dafür zur Leistung eines besonderen Pensionsbeitrages verpflichtet.

Mit Schreiben vom 23. August 2013 erklärte der Revisionswerber mit 31. August 2014 aus dem Dienststand ausscheiden und in den Ruhestand treten zu wollen.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landesschulrates für Salzburg vom 16. September 2013 gemäß § 15c des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979 in Verbindung mit § 237 BDG 1979 und § 6 des Pensionsgesetzes 1965 - PG 1965 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen auf § 237 BDG 1979 in der Fassung des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 35/2012 verwiesen, wodurch § 15c Abs. 1 BDG 1979 insofern geändert worden sei, als für Ruhestandsversetzungen im Jahr 2014 - neben der Vollendung des 62. Lebensjahres - nunmehr eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 462 Monaten (38 Jahren und sechs Monaten) erforderlich sei, wohingegen der Revisionswerber lediglich eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 450 Monaten (37 Jahre und 6 Monaten) aufweise.

Auf Grund der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Berufung stellte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 15c BDG 1979 in Verbindung mit § 237 BDG 1979 fest, dass der Revisionswerber seine Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 31. August 2014 nicht bewirkt habe, und wies die Berufung im Übrigen ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Darstellung der maßgeblichen Rechtslage sowie unter Zugrundelegung des unbeanstandeten Vorbringens einer zum Zeitpunkt der vom Revisionswerber angestrebten Ruhestandsversetzung gegebenen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 37 Jahren und sechs Monaten im Wesentlichen aus, dass der Revisionswerber durch den von ihm im Jahr 2010 beantragten Nachkauf zwar eine Erhöhung seiner ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit erreicht, jedoch noch keinen Rechtsanspruch auf eine Ruhestandsversetzung zu einem bestimmten Zeitpunkt erworben habe.

Es sei immer das zum Zeitpunkt der beabsichtigten Ruhestandsversetzung geltende Recht anzuwenden. Gemäß § 15c in Verbindung mit § 237 BDG 1979 sei zu dem vom Revisionswerber angestrebten Ruhestandsversetzungstermin 31. August 2014 - neben der Vollendung des 62. Lebensjahres - eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 38 Jahren und sechs Monaten erforderlich, wobei allenfalls noch ein Jahr nachgekauft werden könnte. Das gesetzliche Erfordernis von 38 Jahren und sechs Monaten sei nicht abrupt, sondern mit einer Vorlaufzeit und in der Folge in einer in Monaten verfügten stufenweisen Adaptierung umgesetzt worden.

Mit dem "Anrechnungsregime von Ruhegenussvordienstzeiten" werde im Sinn des Versorgungsgedankens eine Art "Anwartschaft" erworben, die aber keinen unmittelbaren Anspruch auf eine spätere sozialversicherungsrechtliche Pensionsleistung verbriefe oder garantiere oder eine Pensionierung zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt gewährleiste. Zum Zeitpunkt des Nachkaufes könne nicht gesagt werden, wie sich die Situation zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung überhaupt darstellen und in welchem Ausmaß ein Effekt überhaupt eintreten werde. Diese Überlegung entspreche dem in der Sozialversicherung vorherrschenden Versorgungsgedanken.

Die Möglichkeit einer Ruhestandsversetzung sei daher getrennt zu betrachten, wobei durch einen Nachkauf kein Anspruch oder subjektives Recht auf ein konkretes Ruhestandsversetzungsdatum entstehe. Dies auch unter dem Aspekt, dass das reguläre gesetzliche Pensionsalter mit 65 Jahren festgelegt sei. Die Voraussetzungen für eine "vorzeitige" Ruhestandsversetzung seien in einer angemessenen Übergangsfrist dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter angenähert worden und der Gesetzgeber habe bei der Regelung des Dienst- und Besoldungsrechtes der Beamten einen weiten Gestaltungsspielraum. Im Fall des Revisionswerbers wäre für eine Pensionierung ein Alter von 64 Jahren und 11 Monaten (779 Monate), somit das Datum August 2017, relevant.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der sie mit Erkenntnis vom 27. September 2014, Zlen. B 113/2014-4 und B 143/2014-4, als unbegründet abwies und feststellte, dass u.a. der Revisionswerber durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei.

Begründend legte der Verfassungsgerichtshof näher dar, dass der Gesetzgeber durch die Novellierung des Rechts öffentlich Bediensteter, ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand zu bewirken, die ihm durch den Gleichheitssatz gesetzten Grenzen nicht überschritten habe. Ebenso bewirkten die Regelungen betreffend die Erhöhung des Pensionsanfallsalters keinen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht.

Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 18. November 2014 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten Revision macht der Revisionswerber Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn im Sinn einer Stattgebung seines ursprünglichen Antrages abzuändern, in eventu ihn aufzuheben.

Das in das Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Erstattung einer Gegenschrift, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Übergangsrecht:

Der Revisionswerber erhob gegen den ihm am 23. Dezember 2013 zugestellten angefochtenen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welche mit dem zitierten Beschluss dieses Gerichtshofes vom 18. November 2014 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde. Diese Eingabe gilt als Übergangsrevisionen, auf welche grundsätzlich die Bestimmungen des § 4 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, (VwGbk-ÜG) analog anzuwenden sind (vgl. den hg. Beschluss vom 25. April 2014, Zl. Ro 2014/10/0029). Für die Behandlung einer solchen Revision gelten - mit hier nicht relevanten Ausnahmen - die mit Ablauf des 31. Dezember 2013 in Kraft gestandenen Bestimmungen des VwGG.

2. Revisionspunkt und Unionsrecht:

Der Revisionswerber erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem - aus der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 abgeleiteten - Recht auf "Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 31. August 2014" verletzt.

Die nach ihrem Art. 20 am 2. Dezember 2000 in Kraft getretene Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden kurz: RL) sieht auszugsweise vor:

"Artikel 1

Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Artikel 2

Der Begriff 'Diskriminierung'

(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet 'Gleichbehandlungsgrundsatz', dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1

a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

..."

3. Zur Entwicklung der maßgeblichen österreichischen Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Darstellung im hg. Erkenntnis vom 17. August 2015, Zl. Ro 2014/12/0072, verwiesen.

4. Ausführungen der Revision und Erwägungen:

Der Revisionswerber macht geltend, dass er zunächst im Vertrauen auf die damals geltende Rechtslage, wonach er die Möglichkeit gehabt habe im Alter von 62 Jahren in Pension zu gehen, soweit er zu diesem Zeitpunkt 37,5 Jahre an ruhegenussfähiger Gesamtdienstzeit aufweise, einen Nachkauf von Zeiten im Ausmaß von drei Jahren und einigen Monaten zu einem Preis von rund EUR 18.000 getätigt habe. Diese Gesetzeslage sei im Nachhinein in einer Weise abgeändert worden, die für den Revisionswerber eine doppelte Verschlechterung mit sich gebracht habe. So sei nicht nur das erforderliche Ausmaß an ruhegenussfähiger Gesamtdienstzeit erhöht worden, sondern es sei in Ansehung des zusätzlichen Zeitbedarfes eine enorme Verteuerung des pro Zeiteinheit anfallenden Nachkaufpreises erfolgt. Diese Verschlechterung sei gleichheitswidrig, weil zunächst ein Angebot gemacht worden sei und nach dessen Annahme zur Aufrechterhaltung des Angebotes eine enorme Nachzahlung verlangt werde. Es sei in diesem Zusammenhang sowohl der gleichheitsrechtliche Gesichtspunkt laut Richtlinie 2000/78/EG von Bedeutung als auch der soziale Grundrechtsschutz entsprechend der einschlägigen Gemeinschaftscharta. Eine abrupte Verschlechterung der gegenständlichen Art sei nicht als sachbezogen zu qualifizieren, was insbesondere auch unter budgetären Gesichtspunkten gelte.

Auch eine altersbezogene Diskriminierung sei damit gegeben. Von zwei Personen mit sonst völlig gleichen Voraussetzungen würde diejenige, die etwas jünger sei, nicht in einem den Zeitrelationen entsprechenden, sondern in einem weit überschießenden Maße benachteiligt.

Der Verfassungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis vom 27. September 2014, B 113/2014-12 und B 143/2014-12, einen Eingriff in verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte u.a. des Revisionswerbers verneint (Punkt III. 4.5. und 5.2. der Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses).

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf Basis der innerstaatlichen Rechtslage wird in der Revision nicht konkret behauptet.

Zu der vom Revisionswerber behaupteten altersbezogenen Diskriminierung und der daraus vor dem Hintergrund des Unionsrechts abgeleiteten Rechtswidrigkeit ist Folgendes auszuführen:

Mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 35, wurden die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der "Korridorpension" insofern geändert, als die dafür erforderliche ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von ursprünglich 450 Monaten beginnend ab dem 1. Jänner 2013 jährlich um sechs Monate angehoben wurde, und ab dem 1. Jänner 2017 einheitlich 480 Monate betragen wird. Auf den Revisionsfall bezogen hatte diese Novelle zur Folge, dass für die vom Revisionswerber angestrebte Ruhestandsversetzung durch Inanspruchnahme der "Korridorpension" im Jahr 2014, in welchem er sein 62. Lebensjahr vollendete, statt der vor der genannten Novelle benötigten ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 450 Monaten nunmehr eine solche von 462 Monaten erforderlich war. Die Voraussetzung des Vorliegens einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 462 Monaten galt aber für alle Beamten, die im Jahr 2014 die "Korridorpension" in Anspruch nehmen wollten und sich damit in einer mit dem Revisionswerber vergleichbaren Situation befanden, gleichermaßen. So mussten auch Beamte, die im Jahr 2014 beispielsweise ihr 63. Lebensjahr vollendet haben und die "Korridorpension" in diesem Jahr in Anspruch nehmen wollten, eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 462 Monaten aufweisen.

In Bezug auf das erforderliche Ausmaß an ruhegenussfähiger Gesamtdienstzeit galten für den Revisionswerber somit die gleichen Bedingungen wie für andere Beamte, die im Jahr 2014 eine "Korridorpension" in Anspruch nehmen wollten. Die angeführten gesetzlichen Regelungen über die Erhöhung des Ausmaßes der für die Inanspruchnahme der "Korridorpension" erforderlichen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit führen somit zu keiner auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung im Sinn des Art. 2 der RL.

Soweit der Revisionswerber vorbringt, es sei auch der "soziale Grundrechtsschutz entsprechend der einschlägigen Gemeinschaftscharta" zu beachten, genügt die Feststellung, dass im Revisionsfall kein Sachverhalt gegeben ist, der zur Anwendung des Unionsrechts führte. Das zu Grunde liegende Ruhestandsversetzungsverfahren erfolgte nicht in Durchführung des Unionsrechtes und fällt damit auch nicht in den Anwendungsbereich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) im Sinn des Art. 51 GRC (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 2015, Zl. 2011/12/0096, mwN).

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. September 2015

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