VwGH Ro 2014/12/0012

VwGHRo 2014/12/00124.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision des TS in R, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10/I, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 20. Dezember 2013, Zl. 114.456/19-I/1/e/13, betreffend Aufhebung eines Bescheides i.A. Ersatzanspruch nach § 18a B-GlBG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4 idF 1998/I/158;
AVG §68 Abs1;
B-GlBG 1993 §13 Abs1 Z5;
B-GlBG 1993 §18a;
B-GlBG 1993 §4 Z5;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4 idF 1998/I/158;
AVG §68 Abs1;
B-GlBG 1993 §13 Abs1 Z5;
B-GlBG 1993 §18a;
B-GlBG 1993 §4 Z5;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber steht als Bezirksinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 22. Jänner 2013 wurde auf Grund seines Antrages vom 3. Oktober 2012 festgestellt, dass ihm gemäß § 18a Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. Nr. 100/1993 (im Folgenden: B-GlBG), ein Ersatzanspruch "in der Höhe einer dreimonatigen Bezugsdifferenz, gerechnet vom Zeitraum Juni 2011 bis August 2011" zustehe.

In der Begründung dieses Bescheides gab die erstinstanzliche Behörde das Ergebnis eines Gutachtens der Bundes-Gleichbehandlungskommission vom 25. Jänner 2012 wieder, wonach der Revisionswerber durch die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung auf die Planstelle eines Leiters der Referate Einsatz und Verkehr beim Bundespolizeikommando Liezen auf Grund seines Alters gemäß § 13 B-GlBG diskriminiert worden sei. Eine nähere Begründung für diese Annahme enthält der Bescheid nicht. Sodann führte die erstinstanzliche Behörde aus, dass dem Revisionswerber aus den genannten Gründen eine dreimonatige Bezugsdifferenz für den Zeitraum von Juni 2011 bis August 2011 zustehe.

Gegen diesen Bescheid erhob der anwaltlich vertretene Revisionswerber Berufung. Er erklärte den erstinstanzlichen Bescheid insoweit zu bekämpfen,

"..., als nicht festgestellt wurde, dass zugunsten des BW ein Ersatzanspruch in Höhe der monatlichen Bezugsdifferenz über den Monat: August 2011 hinausgehend bis dato, bzw. hinkünftig zusteht; bzw. als nicht dem BW der Ersatz des Vermögensschadens - über die dreimonatige Bezugsdifferenz vom Juni 2011 bis August 2011 hinausgehend - zugesprochen wurde, sowie als nicht dem BW eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zugesprochen wurde;

der Zuspruch eines Teilersatzes im Ausmaß einer dreimonatigen Bezugsdifferenz, gerechnet vom Zeitraum Juni 2011 bis August 2011, bleibt unbekämpft."

In der Sache vertrat der Revisionswerber die Auffassung, dass der ihm zuerkannte Vermögensschaden mit der Bezugsdifferenz für (nur) drei Monate zu gering bemessen sei. Darüber hinaus wäre ihm eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zuzusprechen, wobei er in diesem Zusammenhang für deren Intensität auch einen Befundbericht einer Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vorlegte.

In seinen Berufungsanträgen begehrte er die ergänzende Zuerkennung der eben angeführten weiteren Ersatzansprüche, hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erstinstanzliche Dienstbehörde. Darüber hinaus beantragte er, die Berufungsbehörde möge eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 2013 wurde auf Grund dieser Berufung der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erstinstanzliche Dienstbehörde zurückverwiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Schilderung des Verfahrensganges sowie der angewendeten Gesetzesbestimmungen Folgendes aus:

"Grundsätzlich ist festzuhalten, dass aus einem Gutachten der Gleichbehandlungskommission kein unmittelbarer Entschädigungsanspruch abgeleitet werden kann. Über das Vorliegen eines allfälligen Ersatzanspruches auf Grundlage der Bestimmung des § 18a B-GlBG ist vielmehr im Zuge eines Verfahrens zu entscheiden, in welchem dem Gutachten der Gleichbehandlungskommission lediglich die Stellung eines Beweismittels zukommt, das bei Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes - inwieweit tatsächlich eine Diskriminierung vorgelegen hat - im Zuge des Ermittlungsverfahrens so wie jedes andere Beweismittel entsprechend zu würdigen ist.

Den Ausführungen im Gutachten der Gleichbehandlungskommission zufolge habe eine Diskriminierung vorgelegen. Um das für die Bemessung einer allfälligen Entschädigungsleistung erforderliche Vorliegen einer Diskriminierung festzustellen zu können, bedarf es jedoch einer umfassenden Auseinandersetzung mit den für die Betrauung mit dem verfahrensgegenständlichen Arbeitsplatz maßgeblich gewesenen Erwägungen. Nachdem der angefochtene Bescheid eine auf Basis aller in Betracht kommender Beweismittel beruhende Auseinandersetzung mit den genannten Überlegungen nicht erkennen lässt, sah sich die Berufungsbehörde im Sinne Ihrer Antragstellung veranlasst, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zu verweisen.

Im Zuge des von der Landespolizeidirektion fortzuführenden Verfahrens wird auch über den erst im Gefolge Ihrer Berufung gestellten Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung in Höhe von mindestens EUR 20.000,- zu entscheiden sein."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Revisionswerber macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid aus den geltend gemachten Gründen aufzuheben; hilfsweise wird eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst beantragt.

Das in das Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Die belangte Behörde erstattete eine Stellungnahme zum Revisionsvorbringen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid wurde am 23. Dezember 2013 zugestellt. Aus dem Grunde des § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, war gegen diesen Bescheid die vorliegende, am 31. Jänner 2014 erhobene Revision zulässig. Für die Behandlung einer solchen Revision gelten mit hier nicht relevanten Ausnahmen die mit Ablauf des 31. Dezember 2013 in Kraft gestandenen Bestimmungen des VwGG. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen mit Ablauf des 31. Dezember 2013 in Kraft gestandene Fassung.

§ 18a B-GlBG idF BGBl. I Nr. 65/2004 lautet:

"Beruflicher Aufstieg von Beamtinnen und Beamten

§ 18a. (1) Ist eine Beamtin oder ein Beamter wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nach § 4 Z 5 oder § 13 Abs. 1 Z 5 nicht mit einer Verwendung (Funktion) betraut worden, so ist der Bund zum Ersatz des Vermögensschadens und einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet.

(2) Der Ersatzanspruch beträgt, wenn die Beamtin oder der Beamte

1. bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich

aufgestiegen wäre, die Bezugsdifferenz für mindestens drei Monate,

oder

2. im Verfahren für den beruflichen Aufstieg

diskriminiert worden ist, aber die zu besetzende Planstelle wegen der besseren Eignung der oder des beruflich aufgestiegenen Bediensteten auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte, die Bezugsdifferenz bis zu drei Monate

zwischen dem Monatsbezug, den die Beamtin oder der Beamte bei erfolgter Betrauung mit der Verwendung (Funktion) erhalten hätte, und dem tatsächlichen Monatsbezug."

§ 66 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51 idF BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:

"§ 66. (1) Notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens hat die Berufungsbehörde durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.

(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

(3) Die Berufungsbehörde kann jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern."

Der Revisionswerber rügt vor dem Verwaltungsgerichtshof, dass die belangte Behörde durch die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene gänzliche Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides vom 22. Jänner 2013 eine Teilrechtskraft dieses zuletzt genannten Bescheides, soweit er einen Ersatzanspruch in der Höhe einer dreimonatigen Bezugsdifferenz (gerechnet vom Zeitraum Juni 2011 bis August 2011) betreffe, verletzt habe, zumal in der Anfechtungserklärung seiner Berufung dieser Zuspruch ausdrücklich unangefochten gelassen worden sei.

Damit verkennt der Revisionswerber freilich das Wesen der hier getroffenen verwaltungsbehördlichen Entscheidung betreffend die Bemessung eines Vermögensschadens gemäß § 18a B-GlBG. Die offenkundig von zivilprozessualer Dogmatik geprägte Vorstellung des Revisionswerbers von einer Teilrechtskraftfähigkeit eines bereits jedenfalls zugesprochenen Geldbetrages ist verfehlt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2013/12/0223). Vielmehr stellt die Bemessung eines Anspruches auf Ersatz des Vermögensschadens gemäß § 18a B-GlBG durch die dafür zuständige Dienstbehörde auf Grund ein und desselben Vorfalles ein unteilbares Ganzes dar, worüber ein einheitlicher Bescheid (Bemessung des Ersatzes des Vermögensschadens) zu erlassen ist (vgl. für die ähnliche Situation im Bereich von Ansprüchen auf Schadenersatz infolge von Mehrfachdiskriminierung gemäß § 7g Abs. 4 iVm § 7o des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2013/12/0177, sowie für Ansprüche auf Verwendungszulage die hg. Erkenntnisse vom 3. Februar 1977, Zl. 2494/76, und vom 26. September 1974, Zl. 946/74).

Stellte aber somit die hier den Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides bildende Bemessung des Vermögensschadens nach § 18a B-GlBG einen unteilbaren Abspruch dar, konnte auch keine Teilrechtskraft des von der erstinstanzlichen Behörde zugesprochenen Schadenersatzanspruches eintreten. Diesfalls ist die Berufungsbehörde auch bei bloß "teilweiser" Anfechtung berechtigt und verpflichtet, auch über den vom Berufungswerber geltend gemachten Anspruch zur Gänze zu entscheiden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1996, Zl. 95/05/0219, und vom 8. Juni 2005, Zl. 2004/03/0116).

Der Vorwurf der Revision, die belangte Behörde habe eine Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides verletzt, zeigt somit keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Mit seinem Vorbringen, wonach die belangte Behörde rechtens das Verwaltungsverfahren selbst ergänzen und über das in der Berufung gestellte Begehren in der Sache selbst zu entscheiden gehabt, in eventu den angefochtenen Bescheid nur im Umfang der Abweisung seines Begehrens aufzuheben und an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen gehabt hätte, stellt keine inhaltlich substantiierte Bekämpfung der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG (anstelle des Abs. 4 leg. cit.) durch die belangte Behörde dar. Vor dem Hintergrund, dass das Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine gesetzliche Bindung für ein nachfolgendes Schadenersatzverfahren entfaltet (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2008, Zl. 2004/12/0199), dass dem erstinstanzlichen Bescheid jedwede Feststellungen zur Berechtigung des geltend gemachten Anspruches fehlen und dass der Revisionswerber selbst in seiner Berufung die Auffassung vertreten hatte, wonach allein für die Bemessung der Höhe seiner Ansprüche die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unumgänglich sei, ist der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG (anstelle des Abs. 4 leg. cit.) durch die belangte Behörde seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegenzutreten.

Aus diesen Erwägungen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Wien, am 4. September 2014

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