VwGH Ro 2014/05/0050

VwGHRo 2014/05/005024.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Revision der G GmbH in W, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. November 2013, Zlen. MA 64 - 749522/2013/1 und MA 64 - 749522/2013/2, betreffend Zurückweisung von Anträgen wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem angefochtenen Bescheid und der ergänzten Beschwerde ergibt sich Folgendes:

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, vom 3. September 2013, Zl. M 25/005441/2011-21 wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 14. März 2013 auf Einstellung des Vollstreckungsverfahrens zur Zl. M 25/02278/2005 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, vom 3. September 2013, Zl. M 25/005440/2011-21, wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 14. März 2013 auf Einstellung des Vollstreckungsverfahrens zur Zl. M 25/02284/2005 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die dagegen erhobenen Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe schon einmal einen Antrag auf Einstellung der genannten Vollstreckungsverfahren gestellt, weil mittlerweile rechtskräftige, auch bestimmte Teile der abzutragenden Baulichkeiten umfassende Baugenehmigungen vorlägen. Dies sei Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 28. Mai 2013, Zl. 2012/05/0185, gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Beschwerde gegen die Nichteinstellung (Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. September 2012) mit dem genannten Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Die Revisionswerberin habe nunmehr kein Vorbringen erstattet, das Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG gebe oder das die Exekution der verfahrensgegenständlichen Abtragungsaufträge hinfällig werden ließe. Die Revisionswerberin stütze ihr Vorbringen lediglich auf eine vermeintliche Verletzung des in § 2 VVG normierten Schonungsprinzips, wofür es im vorliegenden Fall jedoch keine Grundlage gebe. Ansonsten erstatte sie kein Vorbringen, weswegen die Zurückweisungen durch die Behörde erster Instanz nicht rechtens gewesen sein sollten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 2014, B 1594/2013, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht die Revisionswerberin insbesondere geltend, sie sei in ihrem Recht auf Einhaltung des Schonungsprinzips gemäß § 2 VVG verletzt, allenfalls auch in ihrem Recht auf amtswegige Ermittlung des für die Erledigung der Sache maßgebenden Sachverhaltes. Die Revisionswerberin sei sich der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2013 zu den Zlen. 2011/05/0139, 2011/05/0140 und 2012/05/0185 durchaus bewusst. Die vom Verwaltungsgerichtshof darin zum Ausdruck gebrachten Rechtsansichten seien aber zu überdenken. Es werde daher die Entscheidung durch einen verstärkten Senat beantragt. Das Schonungsprinzip gemäß § 2 Abs. 1 VVG besage, dass jeweils das gelindeste, noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden sei. Der superlative Begriff "gelindest" sei relativ unbestimmt und könne nur im Einzelfall ausgelegt werden. Keinesfalls dürfe diese Auslegung im Einzelfall zu einem willkürlichen Ergebnis führen, das außerhalb des dem Verwaltungsgerichtshof bei der Gesetzesvollziehung vielleicht zustehenden Interpretationsspielraumes liege. Der superlative Begriff "gelindest" besage, dass unter mehreren Möglichkeiten der Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes eben nur das für den Betroffenen am wenigsten schädliche Zwangsmittel eingesetzt werden dürfe. Bestehe daher die Möglichkeit, nicht die gesamte Baulichkeit auch mit ihren baurechtlich zulässigen und baubewilligten Teilen, sondern nur deren gegebenenfalls baurechtlich unzulässige Teile abzutragen, dann sei die letztere Möglichkeit ganz eindeutig die gelindeste. Dem könne vernünftigerweise nicht entgegengehalten werden, dass zuerst die gesamte Baulichkeit abgetragen werden müsse, um dann die baurechtlich zulässigen Teile der Baulichkeit wieder zu errichten, weil der Titelbescheid, der zu einem Zeitpunkt ergangen sei, als die mittlerweile erteilte Baubewilligung noch nicht vorgelegen sei, auf Abtragung der gesamten Baulichkeit laute. Dies müsse umso mehr gelten, als es hier darum gehe, dass für den weitaus überwiegenden Teil der Gebäude (87 % bzw. 78 %) eine rechtskräftige Baubewilligung vorliege und dies nur bei einem sehr geringen Teil (13 % bzw. 22 %) nicht der Fall sei, wobei bewilligte und nicht bewilligte Bauteile trennbar seien. Es sei völlig unsachlich, den Standpunkt zu vertreten und die Gesetzeslage dahin zu interpretieren, die Baulichkeiten (trennbare nicht bewilligte und bewilligte Teile) müssten zuerst zur Gänze abgetragen werden, um dann den kosensmäßigen Zustand herzustellen. Angenommen, eine Baulichkeit werde ohne Baubewilligung errichtet und die Abtragung rechtskräftig aufgetragen. Später werde die notwendige Baubewilligung doch erteilt. Müsste dann, weil der Abtragungsauftrag aufgrund des Titelbescheides rechtskräftig sei, die ganze Baulichkeit abgetragen und anschließend aufgrund der letztlich vorliegenden Baubewilligung wieder errichtet werden, so könne dem nicht Rechtmäßigkeit zukommen. Aus dem vorgelegten Plan ergäben sich die Teile der Baulichkeiten, die von den rechtskräftigen Baubewilligungen nicht umfasst seien. Daraus folge, dass alle übrigen Teile der Baulichkeiten von den mittlerweile nach den Titelbescheiden rechtskräftig erteilten Baubewilligungen umfasst seien. Die Revisionswerberin habe darüber hinaus ein Gutachten des Architekten Dipl. Ing. L vom 4. März 2013 eingeholt und der Behörde vorgelegt, aus dem sich zunächst anschaulich ergebe, welche Bauteile gegenüber dem derzeitigen Bestand, wenn man von der 2011 erwirkten neuen Baubewilligung ausgehe, abgebrochen werden müssten, neu geschaffen werden müssten und vom vorhandenen Bestand verbleiben könnten. Davon ausgehend habe Dipl. Ing. L für die Baulichkeiten die Kosten für eine Adaptierung und einen Totalabbruch gegenübergestellt. Demnach würden die Kosten eines Totalabbruches die Sanierungskosten beim Objekt West um 559,86 % und beim Objekt Ost um 485 % überschreiten. Die belangte Behörde hätte im Falle eines Zweifels die Aussagen des Dipl. Ing. L im Rahmen eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens verifizieren lassen müssen, was jedoch nicht geschehen sei. Aus den Gutachten des Architekten Dipl. Ing. L ergebe sich ferner, dass die bewilligten und nicht bewilligten Teile der Baulichkeiten baulich trennbar seien und demgemäß der konsensgemäße Zustand der Baulichkeiten durch deren Adaptierung und Sanierung, nämlich nur durch Entfernung der nicht bewilligten Teile, hergestellt werden könne. Derartiges ergebe sich auch aus zwei weiteren Gutachten des Dipl. Ing. L vom 2. Oktober 2013.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bemerkt wird zunächst, dass die vorliegende Beschwerde gemäß § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz als Revision gilt.

Gegenstand des Verfahrens ist in Anbetracht des angefochtenen Bescheides lediglich die Frage, ob die belangte Behörde die Anträge der Revisionswerberin auf Einstellung der Vollstreckungsverfahren zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid (hier: jenem der Wiener Landesregierung vom 24. September 2012) zugrunde lag, nicht geändert hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG IV, S. 1166, Rz 24). Eine solche Änderung betreffend den Sachverhalt macht die Revisionswerberin nicht geltend. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, S. 1166, Rz 25). Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, S. 1166, Rz 25). Das Vorbringen der Revisionswerberin über Sachverständigenäußerungen des Dipl. Ing. L geht daher ins Leere.

In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, S. 1170, Rz 32). Eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage seit dem rechtskräftigen Vorbescheid der Wiener Landesregierung vom 24. September 2012 selbst macht die Beschwerdeführerin nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Es kann auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aber keine Auswirkung haben, wenn die Revisionswerberin bloß eine andere Interpretationsmöglichkeit der Rechtslage aufzeigt, als sie im vorangegangenen Verfahren entscheidend war.

Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die von der Revisionswerberin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit § 4 und § 8 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Von der in den obigen Verweisen dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG abzugehen, besteht kein Anlass, und Argumente dafür hat die Revisionswerberin auch nicht vorgebracht.

Wien, am 24. Juni 2014

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