VwGH Ro 2014/04/0012

VwGHRo 2014/04/00129.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision des ÖK in Wien, vertreten durch Dr. Ramin Mirfakhrai, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 20/11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Dezember 2013, Zl. 338420- 2013, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung (gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG iVm den §§ 4 und 9 VwGbk-ÜG an die Stelle der belangten Behörde getretenes Verwaltungsgericht:

Verwaltungsgericht Wien), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9. September 2015, zu Recht erkannt:

Normen

GelVerkG 1996 §5 Abs1;
GewO 1994 §13 Abs1 Z1;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §13 Abs7;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §129 Z1;
StGB §134 Abs2;
StGB §43 Abs1;
GelVerkG 1996 §5 Abs1;
GewO 1994 §13 Abs1 Z1;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §13 Abs7;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §129 Z1;
StGB §134 Abs2;
StGB §43 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 19. März 2013 wurden dem Revisionswerber gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 iVm § 13 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) die Gewerbeberechtigungen für das "Gastgewerbe in der Betriebsart Bar" sowie das Gewerbe "Handelsagent und Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe" an jeweils näher bezeichneten Standorten entzogen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (im Folgenden: belangte Behörde) wurde die dagegen erhobene Berufung des Revisionswerbers abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

2.1. Zu den in der Berufung ins Treffen geführten Ermittlungsmängeln hielt die belangte Behörde fest, dass der Revisionswerber mit Schreiben der erstinstanzlichen Behörde vom 22. Februar 2013 vom Ergebnis der Beweisaufnahme und der bevorstehenden Prüfung der Frage der Notwendigkeit der Gewerbeentziehung verständigt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei.

Weiters verwies die belangte Behörde darauf, dass der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Mai 2012 wegen des Verbrechens des schweren Einbruchsdiebstahls gemäß den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 und 129 Z 1 StGB sowie des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 13 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Dem sei zugrunde gelegen, dass der Revisionswerber in der Nacht von 1. auf 2. Februar 2012 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter durch näher umschriebene Tathandlungen einem Dritten fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen habe. Weiters habe er sich zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen Juli und November 2011 ein näher beschriebenes fremdes Gut mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Diese Verurteilung sei nicht getilgt und bilde einen Gewerbeausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994. 2.2. Die belangte Behörde legte die für die vorzunehmende Prognoseentscheidung maßgeblichen Umstände im Zusammenhang mit dem strafbaren Verhalten des Revisionswerbers dar. Bezüglich der Eigenart der strafbaren Handlung ging sie davon aus, dass die gegenständlichen Gewerbe etwa durch Kontakt mit Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern vielfältige Gelegenheiten bieten würden, Delikte gegen fremdes Eigentum zu begehen. Hinsichtlich der Würdigung der Persönlichkeit des Revisionswerbers lasse sich - so die belangte Behörde zusammenfassend - angesichts der "geplanten Vorgangsweise, der Schulduneinsichtigkeit, der Höhe des Schadensbetrages und dem Motiv für die Tatbegehung, nämlich finanzielle Probleme," ein Persönlichkeitsbild gewinnen, das die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung der gegenständlichen Gewerbe befürchten lasse. Dem Wohlverhalten könne im Hinblick auf den kurzen Zeitraum von noch nicht einmal zwei Jahren seit den letzten Tathandlungen kein derartiges Gewicht beigemessen werden, das die getroffene Annahme unberechtigt erscheinen lasse.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision gemäß § 4 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes (VwGbk-ÜG).

4. Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG iVm den §§ 4 und 9 VwGbk-ÜG an die Stelle der belangten Behörde getretene Verwaltungsgericht Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:

5.1. Da der angefochtene Bescheid vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen wurde und die Beschwerdefrist mit Ende dieses Tages noch gelaufen ist (die Zustellung an den Revisionswerber erfolgte am 13. Dezember 2013), gelten für die Behandlung der Revision gemäß § 4 Abs. 5 iVm Abs. 1 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung - mit einer fallbezogen nicht relevanten Maßgabe - sinngemäß.

5.2. Nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe des § 13 Abs. 1 oder 2 GewO 1994 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm Z 2 GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie von einem Gericht wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist.

5.3. Der Revisionswerber bringt vor, die belangte Behörde habe den Umstand nicht gewürdigt, dass er sich eines gewerberechtlichen Geschäftsführers bediene, der die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften sicherstelle. Dem ist entgegenzuhalten, dass die (im vorliegenden Fall erstmals in der Revision ins Treffen geführte) Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers keine Rückschlüsse darauf zulässt, ob eine Begehung strafbarer Handlungen durch den Gewerbeinhaber zu befürchten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 GewO 1994 nicht nur hinsichtlich der Person des gewerberechtlichen Geschäftsführers zu prüfen sind. Es würde nämlich einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch darstellen, wenn nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 7 GewO 1994 die Voraussetzungen des (u.a.) § 13 Abs. 1 GewO 1994 auf alle natürlichen Personen anzuwenden wären, denen ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte einer juristischen Person zukommt, etwas anderes aber gelten solle, wenn die natürliche Person selbst (als Gewerbeinhaber) von einem Ausschlussgrund des § 13 Abs. 1 GewO 1994 betroffen ist (vgl. das Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, 2003/04/0144, mwN).

5.4. Soweit der Revisionswerber die - wirtschaftlichen - Konsequenzen der Entziehung der Gewerbeberechtigungen für sich und Dritte (seine Angestellten) ins Treffen führt und eine Existenzbedrohung geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz nach dem Gesetz keinen Grund darstellt, von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2013, 2013/04/0064, mwN).

5.5. Der Revisionswerber wendet sich in erster Linie gegen die von der belangten Behörde - ohne persönliche Befragung - vorgenommene Prognoseentscheidung. Diesbezüglich macht er geltend, es sei keine unbedingte Haftstrafe verhängt worden, die seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten würden mehrere Jahre zurückliegen, er habe ein reumütiges Geständnis abgelegt und es habe sich um eine "Jugendsünde" bzw. eine "Dummheit" gehandelt.

5.5.1. Zum Vorbringen betreffend die bedingte Strafnachsicht ist auf die hg. Rechtsprechung zu verweisen, nach der für das gewerbebehördliche Entziehungsverfahren gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht nicht von Relevanz sind; vielmehr hat die Gewerbebehörde eigenständig unter Berücksichtigung der mit der weiteren Ausübung der konkreten Gewerbeberechtigung im Zusammenhang stehenden Umstände eine Prognose zu erstellen. Jedoch können die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht gänzlich außer Betracht bleiben, sondern es bedarf bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfüllt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2013, 2013/04/0151, mwN).

Derartige besondere Umstände für eine Berücksichtigung der bedingten Strafnachsicht sind nach dem Revisionsvorbringen fallbezogen nicht ersichtlich.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei der Beurteilung des sich aus den Straftaten resultierenden Persönlichkeitsbildes auch auf das Ausmaß Bedacht zu nehmen ist, in dem die verhängte Strafe (im vorliegenden Fall 13 Monate bedingt) die in § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 genannte Grenze übersteigt (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis 2013/04/0151).

5.5.2. Soweit der Revisionswerber auf den seit den Tathandlungen verstrichenen Zeitraum von "vielen Jahren" verweist, ist darauf hinzuweisen, dass ein Wohlverhalten von weniger als zwei Jahren seit der letzten Tathandlung und etwas über eineinhalb Jahren seit der Verurteilung zu kurz ist, um die dargestellte Befürchtung zu verneinen, zumal im vorliegenden Fall die vom Strafgericht festgelegte Probezeit noch nicht abgelaufen war.

Wenn der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung überdies vorbringt, die Verurteilung sei mittlerweile "getilgt", ist dem entgegenzuhalten, dass es für die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ankommt.

5.5.3. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung des (1987 geborenen) Revisionswerbers wegen mehrerer (2011 und 2012 begangener) strafbarer Handlungen, wobei in einem Fall bewusstes und gewolltes Zusammenwirken des - zum Zeitpunkt der Taten 24- bzw. 25-jährigen - Revisionswerbers mit mehreren Mittätern vorlag, kann von "Jugendsünde" bzw. "bloßer Dummheit" keine Rede sein; Jugendstraftaten im Sinne des § 1 JGG sind jedenfalls nicht vorgelegen. Demgegenüber argumentiert der Revisionswerber auch damit, die Vorgangsweise des Bestandgebers sei "unberechtigt gewesen" und er habe sich entschlossen "sein Hab und Gut zurückzuholen". Diese "Beurteilungen" des Revisionswerbers seiner rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung sind jedenfalls widersprüchlich.

5.5.4. Da sich die tatbestandsmäßige Befürchtung der belangten Behörde im Sinn des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 bereits in der Art der der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten (schwerer Einbruchsdiebstahl und Unterschlagung) manifestiert, bedurfte es keiner Einholung eines Gutachtens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 2004, 2004/04/0031, mwN).

5.5.5. Nach der hg. Rechtsprechung ist von der Entziehung der Gewerbeberechtigung nur dann Abstand zu nehmen, wenn die Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes gar nicht besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 2013, 2013/04/0084, mwN). Es ist im Ergebnis angesichts des durch die Tathandlungen (u.a. zum Nachteil eines Geschäftspartners) gezeigten Persönlichkeitsbildes des Revisionswerbers nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde das Vorliegen dieser Voraussetzung verneinte und somit die Befürchtung der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes bejaht hat.

5.6. Mit seiner - nicht näher substantiierten - Rüge, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt bzw. die Beweise einseitig erhoben und unrichtig gewürdigt, gelingt es dem Revisionswerber nicht, einen relevanten Verfahrensfehler aufzuzeigen, zumal er nicht darlegt, welche weiteren Ermittlungen vorzunehmen gewesen wären und inwieweit diese zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätten bzw. aus welchen Gründen die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig gewesen sei (vgl. zur Beweiswürdigung allgemein das hg. Erkenntnis vom 24. März 2011, 2010/09/0219).

5.7. Soweit der Revisionswerber - auch in der mündlichen Verhandlung - ins Treffen führt, ein Gewerbeentzug auf Zeit hätte jedenfalls gereicht, ist darauf hinzuweisen, dass eine Befristung der Entziehung nach § 87 Abs. 3 GewO 1994 nur dann in Betracht käme, wenn besondere Gründe gegeben wären, die erwarten ließen, eine bloß befristete Maßnahme reiche aus, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Revisionswerbers zu sichern (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2013, 2013/04/0036, mwN). Dass diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall vorlägen, ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens nicht zu erkennen.

6. Die Revision erweist sich somit im Ergebnis als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 9. September 2015

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