VwGH Ra 2025/01/0024

VwGHRa 2025/01/002420.3.2025

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des W H in A, vertreten durch Mag. Rudolf Vouk, MMag. Maja Ranc und Mag. Matej Zenz, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 13. März 2023, Zl. KLVwG‑86/4/2023, betreffend Übertretung nach dem Grenzkontrollgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Kärnten), den Beschluss gefasst:

Normen

EURallg
32016R0399 Schengener Grenzkodex Art25
32016R0399 Schengener Grenzkodex Art25 Abs4
32016R0399 Schengener Grenzkodex Art27
62020CJ0368 NW VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2025:RA2025010024.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten (Verwaltungsgericht) wurde ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ in der Sache gegen den Revisionswerber wegen Übertretung des § 16 Abs. 1 Z 3 iVm § 11 Abs. 1 Grenzkontrollgesetz (GrenzkontrollG) eine Geldstrafe in der Höhe von € 50,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe: 23 Stunden) verhängt und der Revisionswerber zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 10,‑‑ verpflichtet (I). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt (II.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der von Slowenien kommende Revisionswerber habe sich als PKW‑Lenker bei seiner Einreise in das Bundesgebiet am 26. Dezember 2021, um 13:27 Uhr, in Bleiburg, Grenzübergangsstelle Grablach, nicht der Grenzkontrolle gestellt, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre. Im Bereich der Grenzübergangsstelle sei das Verkehrszeichen „Halt Zoll“ mit der Aufschrift „Polizei Grenzkontrolle“ aufgestellt gewesen. Der Revisionswerber sei „ohne anzuhalten durchgefahren“.

3 Mit der ‑ in Durchführung des § 10 Abs. 2 GrenzkontrollG ergangenen ‑ Verordnung BGBl. lI Nr. 457/2021 (in der Folge: GrenzkontrollVO), sei festgelegt worden, dass die Binnengrenze zur Republik Slowenien im Verkehr zu Lande nur an Grenzübergangsstellen überschritten werden dürfe.

4 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe in seinem Urteil vom 26. April 2022, C‑368/20 [und C‑369], ausgeführt, dass einer vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen Art. 25 und 27 des Schengener Grenzkodex entgegenstehe, wenn deren Dauer die Gesamthöchstdauer von sechs Monaten überschreite und keine neue Bedrohung vorliege, die eine erneute Anwendung der in Art. 25 vorgesehenen Zeiträume rechtfertigen würde; weiters habe der EuGH ausgesprochen, dass eine Regelung, mit der ein Mitgliedstaat eine Person bei Androhung einer Sanktion dazu verpflichte, bei der Einreise einen Reisepass oder Personalausweis vorzuzeigen, dann unzulässig sei, wenn die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen gegen diese Bestimmung verstoße.

5 Mit der GrenzkontrollVO seien die Grenzkontrollen für die Zeit von 12. November 2021 bis 11. Mai 2022, somit für eine den Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreitende Dauer eingeführt worden. Es hätten jedoch sowohl vorher als auch nachher „sinngleiche“ Verordnungen gegolten. Das Verwaltungsgericht gehe aufgrund der „damaligen Gegebenheiten (u.a. Corona und Migranten)“ davon aus, dass eine neue Bedrohung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH gegeben gewesen sei und somit die gegenständliche Verordnung nicht rechtswidrig erscheine.

6 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 3. Oktober 2024, E 1192/2023‑18, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab.

7 Begründend führte der VfGH u.a. aus:

„[...] Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles die behauptete Rechtsverletzung ... als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Es bestehen keine Bedenken, dass die Verordnung des Bundesministers für Inneres über die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zur Republik Slowenien und Ungarn, BGBl. II 457/2021, gesetzwidrig ergangen wäre. § 10 Abs. 2 Bundesgesetz über die Durchführung von Personenkontrollen aus Anlaß des Grenzübertritts (Grenzkontrollgesetz ‑ GrekoG), BGBl. 435/1996 ermächtigt den Bundesminister für Inneres durch Verordnung zu bestimmen, dass für einen bestimmten Zeitraum auch bestimmte Abschnitte der Binnengrenze nur an Grenzübergangsstellen überschritten werden dürfen; der Grenzübertritt löst folglich eine Grenzkontrollpflicht (§ 11 Abs. 1 GrekoG) aus. [...]“

8 Mit weiterem Beschluss vom 23. Oktober 2024, E 1192/2023‑20, trat der VfGH die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

10 Die Revision führt im Zulässigkeitsvorbringen aus, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verordnung über die Einführung der Grenzkontrollen zwischen Österreich und Slowenien im fraglichen Zeitraum. Die zur Rechtmäßigkeit dieser Grenzkontrollen für einen Zeitraum unmittelbar davor ergangene Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf EuGH 26.4.2022, C‑368/20 und C‑369/20) besage eindeutig, dass die Grenzkontrollen „unionswidrig und damit rechtswidrig“ seien. Die „belangte Behörde“ [gemeint offenkundig: das Verwaltungsgericht] habe diese Rechtsprechung „völlig unbeachtet“ gelassen. In diesem Zusammenhang verweist die Revision („um Wiederholungen zu vermeiden“) zudem auf die ‑ unter Pkt. „V. Ausführungen der Revision“ ‑ wörtlich wiedergegebenen Ausführungen in der Beschwerde an den VfGH.

11 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die belangten Behörde eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Kostenersatz.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Die Revision zeigt eine vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage nicht auf.

16 Entgegen dem erwähnten Zulässigkeitsvorbringen ergibt sich aus dem erwähnten Urteil des EuGH vom 26. April 2022, Landespolizeidirektion Steiermark [Höchstdauer von Kontrollen an den Binnengrenzen], C‑368/20 und C‑369/20, gerade nicht, dass die ‑ auf der Grundlage unmittelbar aufeinanderfolgender Grenzkontrollverordnungen ‑ angeordneten Grenzkontrollen an der österreichisch‑slowenischen Grenze „unionswidrig und damit rechtswidrig“ waren. Der EuGH hat im erwähnten Urteil vielmehr zu Recht erkannt, dass Art. 25 Abs. 4 des Schengener Grenzkodex dahin auszulegen ist, „dass er einer vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen durch einen Mitgliedstaat auf der Grundlage der Art. 25 und 27 des Schengener Grenzkodex entgegensteht, wenn deren Dauer die in Art. 25 Abs. 4 dieses Kodex festgelegte Gesamthöchstdauer von sechs Monaten überschreitet und keine neue Bedrohung vorliegt, die eine erneute Anwendung der in diesem Art. 25 vorgesehenen Zeiträume rechtfertigen würde“ (Pkt. 1. des Urteilstenors).

17 Demnach ist auch nach Überschreitung einer sechsmonatigen Dauer („Gesamthöchstdauer“) die „erneute“ Einführung von Grenzkontrollen unter der Voraussetzung des Vorliegens einer „neuen Bedrohung“ zulässig.

18 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen hat das Verwaltungsgericht diese Rechtsprechung des EuGH auch nicht „völlig unbeachtet gelassen“. Dem angefochtenen Erkenntnis ist vielmehr zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht eine im Sinne dieser Rechtsprechung für die Erlassung der gegenständlichen Verordnung maßgebliche „neue Bedrohung“ angenommen hat und insofern von der (unions‑)rechtlichen Unbedenklichkeit der in Rede stehenden Verordnung ausgegangen ist (vgl. im Übrigen zur Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung sowie der dadurch ausgelösten Grenzkontrollpflicht die Begründung des VfGH im erwähnten Beschluss zur Ablehnung der Behandlung der Beschwerde).

19 Soweit („um Wiederholungen zu vermeiden“) in den Zulässigkeitsausführungen zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit der GrenzkontrollVO auf die wörtlich wiedergegebenen Beschwerdegründe in der erwähnten VfGH‑Beschwerde verwiesen wird, wird damit eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0037, mwN); im Übrigen erfolgt dadurch auch keine gesetzmäßige Darstellung der Revisionsgründe im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG (VwGH 13.1.2015, Ro 2014/02/0118, 0119).

20 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. März 2025

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte