Normen
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023190227.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 23. Februar 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass es „keine Sicherheit gebe“ und er verfolgt werde, weil er an Demonstrationen teilgenommen habe und den Militärdienst antreten müsse.
2 Mit Bescheid vom 3. November 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 28. November 2023, E 1939/2023-13, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Der Revisionswerber brachte daraufhin die vorliegende Revision ein.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit Verfahrensmängel (Begründungs‑ und Feststellungsmängel) geltend. Darüber hinaus sei die Beweiswürdigung unschlüssig und das BVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
10 Zu dem vom Revisionswerber gerügten Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht ist zunächst festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA‑VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA‑VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. zu diesen Leitlinien jüngst etwa VwGH 14.12.2023, Ra 2023/19/0453, mwN).
11 Dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre, vermag die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen, das BVwG habe sich keinen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft, nicht darzulegen.
12 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung ist, die grundsätzlich ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bildet. Dem Revisionswerber muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 3.10.2023, Ra 2023/14/0071, mwN).
13 Der Revision gelingt es fallbezogen nicht, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt eine Verknüpfung zu einem der Verfolgungsgründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK herzustellen (zum Erfordernis eines kausalen Zusammenhangs mit einem oder mehreren Konventionsgründen vgl. jüngst VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002, mwN) und damit darzulegen, dass die fallbezogene Einschätzung des BVwG, das sowohl eine Bestrafung des Revisionswerbers wegen einer Wehrdienstverweigerung als auch eine Einziehung zum Wehrdienst in der syrischen Armee oder eine Rekrutierung durch kurdische Milizen aufgrund der allgemeinen Ausführungen des Revisionswerbers und der herangezogenen Länderberichte in der vorliegenden Konstellation als nicht maßgeblich wahrscheinlich erachtete, unvertretbar wäre.
14 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.12.2023, Ra 2023/19/0194, mwN).
15 Das BVwG führte vorliegend nachvollziehbar aus, dass das Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich einer Einziehung zum Wehrdienst bei der syrischen Armee nicht glaubhaft sei. Außerdem ging es vor dem Hintergrund der Länderberichte davon aus, dass der IS aus der Herkunftsregion des Revisionswerbers vertrieben worden sei. Auf das Vorbringen des Revisionswerbers betreffend eine (unterstellte) politisch oppositionelle Gesinnung aufgrund einer Wehrdienstverweigerung, einer Demonstrationsteilnahme und der Asylantragstellung im Ausland wurde im Rahmen der Beweiswürdigung gleichfalls eingegangen und ausführlich dargelegt, warum eine solche nicht gegeben sei. Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht, die Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des BVwG aufzuzeigen.
16 Soweit die Revision rügt, das BVwG hätte feststellen müssen, ob dem Revisionswerber schon bei Grenzübertritt oder im Zuge des Erreichens der Herkunftsregion asylrelevante Verfolgung droht, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach dem Revisionswerber im gesamten Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung drohe, und zeigt schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. VwGH 29.6.2023, Ra 2023/19/0064, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2024
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