VwGH Ra 2023/04/0111

VwGHRa 2023/04/011112.10.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz‑Sator und den Hofrat. Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision 1. der R W und 2. des Mag. G R beide in Bad I, 3. der Dr. I R in S und 4. der R R in S, alle vertreten durch Dr. Kurt Waldhör, Rechtsanwalt in 4820 Bad Ischl, Schulgasse 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 22. Mai 2023, Zl. LVwG‑851740/42/Bm/AK ‑ 851744/2, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden; mitbeteiligte Partei: B GmbH in S, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs8
AVG §8
GewO 1994 §356b Abs1
GewO 1994 §356b Abs1 idF 2002/I/065
GewO 1994 §356b Abs1 Z2
GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §75 Abs2
GewO 1994 §75 Abs3
GewO 1994 §77
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwRallg
WRG 1959
WRG 1959 §31c Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023040111.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 2022 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Hotels mit Tiefgarage an einem näher bezeichneten Standort in der Stadtgemeinde B erteilt.

2 Die nunmehr revisionswerbenden Parteien erhoben, nachdem sie im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens bereits diverse Einwendungen erhoben hatten, gegen diesen Bescheid Beschwerde.

3 Gegen die daraufhin von der belangten Behörde erlassene Beschwerdevorentscheidung brachten die revisionswerbenden Parteien einen Vorlageantrag ein.

4 2.1. Mit Erkenntnis vom 22. Mai 2023 gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) den Beschwerden teilweise Folge und änderte den von der Behörde erteilten Genehmigungskonsens unter anderem dahingehend ab, dass von der Betriebsanlagengenehmigung nunmehr auch eine Heizungsanlage (bestehend aus einer Pellets-Feuerungsanlage und einer Grundwasserwärmepumpe) mitumfasst sei. Die Revision wurde für unzulässig erklärt.

5 2.2. Begründend verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass mit Eingabe vom 1. September 2022 das Projekt im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung der Heizungsanlage ergänzt worden sei. Eine derartige Projektänderung sei gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 13 Abs. 8 AVG auch im Beschwerdeverfahren zulässig. Das Gutachten des beigezogenen Sachverständigen für Gewerbetechnik habe ergeben, dass es durch die Änderung zu keiner nachteiligen Auswirkung auf die Rechte der revisionswerbenden Parteien komme. Weder durch die Holzpellets‑Feuerungsanlage noch durch die Wärmepumpenanlage sei mit zusätzlichen Emissionen für die Nachbarn zu rechnen. Dies gelte nach den Ausführungen des Amtssachverständigen auch in lärmtechnischer Hinsicht.

Die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung der Grundwasserwärmepumpe sei ‑ so das Verwaltungsgericht ‑ nicht Gegenstand des Betriebsanlagenverfahrens.

6 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 5. Die vorliegende Revision tritt in ihrer Zulässigkeitsbegründung der Genehmigung der Heizungsanlage entgegen und wendet ein, dass die Betriebsanlagengenehmigung nicht dem Eigentümer und Betreiber der Heizungsanlage, sondern der mitbeteiligten Partei erteilt worden sei. Zu dieser Konstellation fehle auch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

11 Darüber hinaus umfasse der nunmehrige Genehmigungskonsens auch eine Grundwasserwärmepumpe, weshalb insoweit auch eine wasserrechtliche Bewilligung zu erteilen gewesen wäre.

12 Zudem habe das Verwaltungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung den (aus näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ableitbaren) Grundsatz vernachlässigt, dass Modifikationen eines Einreichprojektes nur so weit möglich seien, als nicht der Prozessgegenstand, der den Inhalt des Spruches des verwaltungsbehördlichen Bescheides darstelle, ausgewechselt werde. Durch die (im Beschwerdeverfahren) hinzu gekommene Heizungsanlage sei der Prozessgegenstand gegenüber dem Verfahren erster Instanz ausgetauscht worden, wodurch die subjektiv‑öffentlichen Rechte der revisionswerbenden Parteien und aller Nachbarn betroffen würden. Mit der Pellets‑Feuerungsanlage und einer zusätzlichen Wärmepumpenanlage würden die Grenzen einer zulässigen Antragsänderung gemäß § 13 Abs. 8 AVG überschritten, weil eine derartige Änderung des ursprünglichen Projekts durchaus geeignet sei, gegenüber dem ursprünglichen Projekt neue Gefährdungen und Belästigungen im Sinn des § 74 Abs. 2 GewO 1994 herbeizuführen.

13 6.1. Soweit die revisionswerbenden Parteien rügen, dass das Projekt durch die im Beschwerdeverfahren erfolgte Änderung nicht mehr dem Gegenstand des Genehmigungsverfahrens erster Instanz entsprochen habe, verkennen sie die grundsätzliche Möglichkeit einer Projektänderung auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten.

14 Wie die Revision selbst einräumt, ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 13 Abs. 8 AVG zulässig, dass ein verfahrenseinleitender Antrag in jedem Stadium des Verfahrens geändert werden kann, sofern diese Änderung nicht wesentlich ist. Liegt hingegen eine wesentliche Änderung vor, ist dies als Zurückziehung des ursprünglichen Anbringens und Stellung eines neuen Anbringens zu qualifizieren. Wo die Grenze zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen verläuft, ist letztlich eine Wertungsfrage. Abgesehen von dem im Gesetz ausdrücklich genannten Fall einer dadurch bewirkten Änderung der Zuständigkeiten stellt die Rechtsprechung darauf ab, dass dadurch das Vorhaben in einer für andere Beteiligte nachteiligen Weise oder so geändert wird, dass zusätzliche und neue Gefährdungen entstehen.

So gilt etwa für den Bereich des Betriebsanlagenrechts, dass Änderungen des Projektes im Zuge des Genehmigungsverfahrens, die nicht geeignet sind, gegenüber dem ursprünglichen Projekt neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen usw. im Sinn des § 74 Abs. 2 GewO 1994 herbeizuführen, als gemäß § 13 Abs. 8 AVG nicht wesentliche Antragsänderung zulässig sind. Im Mehrparteienverfahren darf die Änderung somit keine zusätzlichen subjektiven Rechte mitbeteiligter Parteien berühren und darüber hinaus auch bisher geltend gemachte Rechte nicht anders tangieren.

Projektänderungen sind grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren zulässig. Modifikationen des Projektes sind allerdings nur so weit möglich, als nicht der Prozessgegenstand, der den Inhalt des Spruches des verwaltungsbehördlichen Bescheids dargestellt hat, ausgewechselt wird. Das Verwaltungsgericht hat also über die Angelegenheit abzusprechen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. zu alldem VwGH 26.5.2021, Ra 2019/04/0071, mwN).

15 Im vorliegenden Fall kam das Verwaltungsgericht gestützt auf das gewerbetechnische Sachverständigengutachten zum Ergebnis, dass die Projektänderung nicht geeignet sei, gegenüber dem ursprünglichen Projekt neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen usw. im Sinn des § 74 Abs. 2 GewO 1994 herbeizuführen. Dem ist die vorliegende Revision nicht substantiiert entgegengetreten. Ebenso wenig ist es als rechtswidrig anzusehen, dass in der Hinzunahme der Heizungsanlage keine Auswechslung des Projektgegenstandes gesehen wurde.

16 Ausgehend davon vermag die Revision keine Abweichung von der hg. Rechtsprechung aufzuzeigen.

17 6.2. Zwar weisen die revisionswerbenden Parteien im Rahmen ihres Zulässigkeitsvorbringens zu Recht darauf hin, dass der nunmehrige Genehmigungskonsens auch eine Grundwasserwärmepumpe umfasse, weshalb insoweit auch eine wasserrechtliche Bewilligung zu erteilen gewesen wäre.

18 Nach dem mit dem Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, neu geregelten § 356b Abs. 1 GewO 1994 entfällt eine gesonderte wasserrechtliche Bewilligung, wenn es sich um eine Maßnahme im Sinn der Z 1 bis 5 dieser Bestimmung handelt. In diesem Fall hat die Gewerbebehörde im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens die entsprechenden Bestimmungen des WRG 1959 mitanzuwenden (vgl. VwGH 19.12.2019, Ro 2019/07/0012).

Gemäß § 356b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 sind die Vorschriften des WRG 1959 von der Gewerbebehörde (dem Verwaltungsgericht) dann mitanzuwenden, wenn die zu genehmigende Betriebsanlage eine Erd- oder Wasserwärmepumpe (§ 31c Abs. 5 WRG 1959) umfasst. Während die Mitgenehmigung von Erdwärmepumpen an weitere Voraussetzungen gebunden ist, sind die wasserrechtlichen Vorschriften bei Vorliegen einer Wasserwärmepumpe schlechthin mitanzuwenden (vgl. Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO [2020] § 356b Rz. 20).

19 Wenn das Verwaltungsgericht daher davon ausgeht, dass die erforderliche wasserrechtliche Genehmigung der Grundwasserwärmepumpe nicht vom Gegenstand des vorliegenden Verfahrens umfasst sei, so verkennt es die Vorgaben des § 356b Abs. 1 GewO 1994 zur Verfahrenskonzentration im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (vgl. dazu nochmals VwGH Ro 2019/07/0012).

20 Allerdings kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum gewerblichen Betriebsanlagenverfahren vom Nachbar im Rahmen seiner Parteistellung die Verletzung von Rechtsvorschriften, die ausschließlich öffentlichen Interessen dienen, nicht geltend gemacht werden, weil die Wahrung anderer als seiner subjektiv‑öffentlichen Interessen dem Nachbarn nicht zusteht (vgl. VwGH 26.9.2017, Ra 2015/04/0011, sowie die Nachweise bei Stolzlechner/Wendl/Bergthaler [Hrsg.], Die gewerbliche Betriebsanlage4 [2016] Rz. 278).

Bei den Vorgaben des § 356b Abs. 1 GewO 1994 zur Verfahrenskonzentration handelt es sich um Vorschriften, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse (der Verfahrensbeschleunigung) dienen und deren Verletzung somit von den Nachbarn im Rahmen ihrer Parteistellung nicht geltend gemacht werden können.

21 Gleiches gilt für die von der Revision als „erheblich“ angesehene Frage, an wen im vorliegenden Fall die Genehmigung für die Heizungsanlage zu erteilen sei. Bei den von der Revision hier geltend gemachten Feststellungs- und Begründungsmängeln geht es ebenso nicht um die Wahrung von subjektiv‑öffentlichen Interessen der Nachbarn im Sinn der oben dargelegten Rechtsprechung.

22 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2023

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