VwGH Ra 2023/03/0145

VwGHRa 2023/03/014522.12.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des M A in W, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2‑4/23, gegen das am 7. Dezember 2022 mündlich verkündete und am 12. Juni 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW‑121/039/6567/2022‑8, betreffend Ausstellung eines Taxiausweises (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3
StVO 1960 §38 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023030145.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde ‑ den Antrag des Revisionswerbers vom 4. Februar 2022 auf Ausstellung eines Taxiausweises gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit ab. Unter einem erklärte es die Revision gemäß § 25a VwGG für nicht zulässig.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber weise vier ‑ näher beschriebene ‑ nicht getilgte verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen aus dem Bereich des Straßenverkehrsrechts auf (mit Tilgungsbeginn zwischen 26. Oktober 2019 und 27. März 2021).

3 In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht, gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 sei ein Taxiausweis auszustellen, wenn der Bewerber vertrauenswürdig sei. Die Vertrauenswürdigkeit müsse zumindest in den letzten fünf Jahren vor Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein. Nicht als vertrauenswürdig gelte insbesondere, wer nicht als verkehrszuverlässig im Sinne des § 7 FSG anzusehen sei, oder wer durch wiederholte rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretungen der die Ordnung und die Sicherheit des Straßenverkehrs regelnden Vorschriften eine auffallende Sorglosigkeit gegenüber diesen Vorschriften erkennen lasse.

Im vorliegenden Fall sei festzuhalten, dass jene drei verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen, die (zweifach) eine Missachtung einer Bodenmarkierung (nach § 9 Abs. 6 bzw. Abs. 8 StVO 1960) und (einmal) die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges mit einer defekten Kennzeichenleuchte (nach §§ 102 Abs. 1 iVm 14 Abs. 6 KFG) zum Gegenstand hatten, für sich allein aufgrund des Grades der Übertretungen und der seit deren Begehung verstrichenen Zeit den vorliegenden Bescheid nicht getragen hätten; sie seien jedoch zur Abrundung des Bildes heranzuziehen, das sich aus der entscheidenden Vormerkung, nämlich der Missachtung des Rotlichts einer Verkehrslichtsignalanlage (nach § 38 Abs. 5 iVm Abs. 1 lit. a StVO 1960) in Zusammenhang mit diesen Vormerkungen ergebe. Damit zeige sich nämlich, dass es sich bei der Übertretung nicht um eine völlige Ausnahme gehandelt habe, die einem ansonsten unbescholtenen Lenker in einer für diesen untypischen Weise unterlaufen wäre. Die Missachtung des Rotlichts einer Verkehrslichtsignalanlage stelle unzweifelhaft einen erheblichen Eingriff in das geschützte Rechtsgut der Verkehrssicherheit dar. Die Missachtung dieser Bestimmung ziehe ein überdurchschnittliches Risiko für Verkehrsunfälle nach sich, sodass eine derartige Übertretung durchaus geeignet sei, jenen strengen Maßstab zu verletzen, den sowohl das Gesetz als auch die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 anlegten. Zudem sei seit dieser am 11. Oktober 2020 begangenen Übertretung auch noch nicht eine derart lange Zeitspanne verstrichen, dass mit der erforderlichen Sicherheit auf eine grundlegende Verhaltensänderung geschlossen werden könne.

4 Gegen dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird zusammengefasst vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von ‑ näher bezeichneter ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit eine Gesamtbetrachtung anzustellen und das Persönlichkeitsbild des Antragstellers zu untersuchen sei, was gegenständlich unterblieben sei. Das Verwaltungsgericht hätte das zugrundeliegende Verhalten feststellen und begründen müssen, warum aufgrund der begangenen Verwaltungsübertretungen auf eine charakteristische Eigenschaft zu schließen sei, auf Grund derer die Vertrauenswürdigkeit zu verneinen sei. Darüber hinaus sei zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen das Gewicht des Fehlverhaltens unter Bedachtnahme auf die seither verstrichene Zeit zu beurteilen. Zudem habe das Verwaltungsgericht bei der Prüfung des Persönlichkeitsbildes zu berücksichtigen, dass die verhängte Strafe an der absoluten Untergrenze des Strafrahmens liege.

In diesem Zusammenhang zitiert die Revision auch mehrere (zur BO 1994 ergangene) Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes und führt dazu aus, dass die in diesen Verfahren zu Grunde liegenden Ausgangsfälle durch gravierendere und überwiegend um ein Vielfaches häufigere Bestrafungen der Antragsteller geprägt gewesen seien.

9 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

10 Das Verwaltungsgericht hat dem Revisionswerber die Ausstellung des Taxiausweises mangels Vertrauenswürdigkeit versagt.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt dem in der BO 1994 nicht näher definierten Begriff der Vertrauenswürdigkeit unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs inhaltlich die Bedeutung von „sich verlassen können“ zu. Durch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit soll das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, insbesondere in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen, gewährleistet werden. Die Frage, ob eine Person vertrauenswürdig ist, ist auf Grund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens dieser Person zu beurteilen.

Im Verfahren über einen Antrag auf Ausstellung eines Taxiausweises ist eine Wertung des Verhaltens des Antragstellers innerhalb des Fünf‑Jahres‑Zeitraums dahin vorzunehmen, ob die Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung des Taxilenkerausweises gegeben ist oder nicht. Bei dieser Beurteilung ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgt, feststeht. Ob die im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 erforderliche Vertrauenswürdigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. nur etwa VwGH 31.3.2023, Ra 2023/03/0012, mwN).

12 Der Verwaltungsgerichtsgerichtshof hat auch schon festgehalten, dass die Behörde bei fortlaufend gesetzten Verwaltungsübertretungen gegen die Sicherheit des Straßenverkehrs ‑ selbst bei Delikten mit geringem Unrechtsgehalt ‑ das Fehlen der erforderlichen Vertrauenswürdigkeit annehmen kann, und dass eine Person, die einen Hang zur Nichtbeachtung von im Interesse der Verkehrssicherheit erlassenen Vorschriften erkennen lässt, als zum Lenken eines Taxis nicht geeignet angesehen werden kann (vgl. VwGH 28.1.2021, Ra 2020/03/0138, mwN).

13 Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die dem Revisionswerber angelasteten Verwaltungsübertretungen im Einzelnen angeführt, die übertretene Norm und den Beginn der Tilgung festgehalten sowie ‑ in Stichworten ‑ dargelegt, welches Verhalten ausschlaggebend für diese Bestrafung gewesen ist (Missachtung des Rotlichts; defekte Kennzeichenleuchte; Missachtung einer Bodenmarkierung). Hinsichtlich der vorgeworfenen Missachtung des Rotlichtes einer Verkehrssignalanlage hat das Verwaltungsgericht ‑ wenn auch disloziert in der rechtlichen Beurteilung ‑ auf das Datum der Begehung dieser Übertretung (am 11. Oktober 2020) Bezug genommen und ausgeführt, dass seit der Begehung noch nicht eine derart lange Zeitspanne verstrichen sei, dass mit der erforderlichen Sicherheit auf eine grundlegende Verhaltensänderung geschlossen werden könne. Diese verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen hat das Verwaltungsgericht ‑ wie oben dargelegt ‑ in einer Gesamtschau mit näherer Begründung dahingehend bewertet, dass sie der Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers nach § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 entgegenstehen. Dabei berücksichtigte das Verwaltungsgericht, dass die Missachtung des Rotlichtes einen schwerwiegenden Verstoß gegen maßgebliche Sicherheitsvorschriften im Verkehr darstellt, der die Zuverlässigkeit eines Taxilenkers in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen entscheidend beeinträchtigt (vgl. dazu etwa schon VwGH 17.3.1999, 97/03/0303).

14 Der Revision gelingt es mit ihrem Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Einschätzung der Vertrauensunwürdigkeit des Revisionswerbers von den durch die hg. Rechtsprechung gezogenen Leitlinien abgewichen wäre: Der Hinweis auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, in deren Ausgangsfällen ‑ nach Ansicht des Revisionswerbers ‑ wesentlich gravierendere, jedenfalls aber mehr verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen der dortigen Antragsteller vorgelegen seien, ist nicht geeignet, eine Unvertretbarkeit der hier angefochtenen Entscheidung zu belegen. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof auch schon in Fällen, denen nur vereinzelte (entsprechend gravierende) Verwaltungsübertretungen oder gerichtliche Verurteilungen eines einen Taxiausweis begehrenden Antragstellers zu Grunde lagen, das von der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht angenommene Fehlen der Vertrauenswürdigkeit bestätigt hat (vgl. etwa VwGH 28.2.2005, 2001/03/0104; 14.11.2006, 2006/03/0153; 30.4.2003, 2000/03/0082).

15 Auch der Hinweis, dass die gegen den Revisionswerber wegen Missachtung des Rotlichts verhängte Verwaltungsstrafe an der absoluten Untergrenze des Strafrahmens gelegen sei, ist nicht zielführend, ist doch die Vertrauenswürdigkeit im Wesentlichen auf Grund des bisherigen Verhaltens des Antragstellers zu beurteilen, nicht aber auf Grund von allenfalls wegen dieses Verhaltens verhängten Strafen (vgl. VwGH 30.6.1999, 96/03/0304).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2023

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