VwGH Ra 2022/21/0145

VwGHRa 2022/21/014526.9.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätinnen Dr. Wiesinger und Dr.in Oswald als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des C L, vertreten durch Mag.a Julia Kolda, Rechtsanwältin in 4400 Steyr, Pacherstraße 17/5A/3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Dezember 2021, W150 2249206‑1/3E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Jänner 2022, W150 2249206‑1/6E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

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European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022210145.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10. November 2021 wurde dem Revisionswerber, einem algerischen Staatsangehörigen, gemäß § 46 Abs. 2 und 2b FPG aufgetragen, binnen zwei Wochen bei der Botschaft der Republik Algerien ein Reisedokument einzuholen und die Erfüllung dieses Auftrages dem BFA nachzuweisen.

2 Mit Schriftsatz seiner rechtsanwaltlichen Vertretung vom 29. November 2021 erhob der Revisionswerber gegen diesen Bescheid Beschwerde, welche er am selben Tag beim BFA per E‑Mail einbrachte. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2021 legte das BFA die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss des BVwG vom 14. Dezember 2021, berichtigt durch Beschluss vom 25. Jänner 2022, wurde das „mittels E‑Mail übermittelte Anbringen [...] gemäß § 1 Abs. 1 BVwG‑EVV iVm. § 21 Abs. 3 BVwGG als unzulässig zurückgewiesen“. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 In der rechtlichen Begründung des Beschlusses ging das BVwG davon aus, dass die Beschwerde vom 29. November 2021 „an das BVwG“ ausschließlich per E‑Mail übermittelt worden sei. Dies widerspreche den Vorgaben der Verordnung über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten (BVwG‑EVV), die normiere, dass E‑Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung sei. Sofern Rechtsanwälte Schriftsätze nicht im elektronischen Rechtsverkehr einbringen, hätten sie (überdies) in der Eingabe zu bescheinigen, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht vorlägen. Die rechtsanwaltliche Vertreterin des Revisionswerbers habe weder behauptet noch bescheinigt, dass in ihrer Kanzlei die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht vorlägen. Das auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachte Anbringen gelte daher als nicht eingebracht und sei ohne vorherigen Auftrag zur Mängelbehebung zurückzuweisen.

5 Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit dem Beschluss VfGH 29.4.2022, E 274/2022‑5, ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit dem Beschluss VfGH 2.6.2022, E 274/2022‑7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 Über die in der Folge rechtzeitig ausgeführte außerordentliche Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

7 Die Revision erweist sich ‑ wie die nachstehenden Ausführungen zeigen ‑ entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B‑VG als zulässig; sie ist auch berechtigt.

8 Denn, wie die Revision zu Recht ins Treffen führt, ist die Annahme des BVwG, der Revisionswerber habe die Beschwerde vom 29. November 2021 per E‑Mail beim BVwG eingebracht, mit der Aktenlage nicht in Einklang zu bringen. Aus den vorgelegten Akten ergibt sich vielmehr, dass die Beschwerde ‑ wie oben in Rn. 2 dargestellt ‑ am 29. November 2021 per E‑Mail ‑ entsprechend § 12 VwGVG ‑ beim BFA eingebracht und von diesem in der Folge mit Schreiben vom 7. Dezember 2021 dem BVwG vorgelegt wurde.

9 Dass die Einbringung der Beschwerde beim BFA mit E‑Mail unzulässig gewesen sei, wird vom BVwG aber gar nicht angenommen. Das ist auch nicht der Fall. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass die an die ‑ sowohl in der Kundmachung des BFA gemäß § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG als auch im Bescheidkopf als Korrespondenzmöglichkeit angeführte ‑ E‑Mailadresse des BFA (mailto:BFARDWEinlaufstelle@bmi.gv.at ) übermittelte Beschwerde nicht in einer gemäß § 13 Abs. 2 erster Satz AVG zulässigen Form eingebracht worden wäre (zu § 13 Abs. 2 AVG vgl. allgemein VwGH 18.4.2024, Ra 2024/02/0049, Rn. 19 ff, mwN).

10 Da die aktenwidrige Annahme im angefochtenen Erkenntnis, wonach die Beschwerde per E‑Mail beim BVwG eingebracht worden sei, für die rechtliche Beurteilung des BVwG somit wesentlich war, belastete es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (vgl. VwGH 7.8.2023, Ra 2023/03/0046, Rn. 13, mwN).

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG aufzuheben.

12 Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. September 2024

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