VwGH Ra 2022/20/0334

VwGHRa 2022/20/03347.9.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Oswald als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des J K, vertreten durch Lorenz Marek, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 24, dieser vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. September 2022, W127 2187720‑2/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
EURallg
32011L0095 Status-RL Art17 Abs1 litb

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022200334.L02

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 8. Juni 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 26. Jänner 2018 hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigen zu und erteile ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 25. Jänner 2019, welche mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. Jänner 2019 und vom 15. März 2021 verlängert wurde.

3 Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhängte über den Revisionswerber mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 10. Februar 2022 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 4 Z 2 SMG sowie wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel (als Mitglied einer kriminellen Vereinigung) nach § 28 Abs. 1 und Abs. 3 SMG eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten, wobei 13 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.

4 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1. Juni 2022 wurde dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigen aberkannt (Spruchpunkt I.), ihm die erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (Spruchpunkt II.), ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan für unzulässig erklärt (Spruchpunkt V.), eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.) und gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

5 Die dagegen erhobene Beschwerde, die sich nicht gegen die Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung gerichtet hatte, wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der Begründung für die Zulässigkeit der Revision, in der ausschließlich auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Bezug genommen wird, wird vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei bei seiner Einschätzung, wonach das vom Revisionswerber begangene Verbrechen eine schwere Straftat darstelle, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) abgewichen, weil es insbesondere das jugendliche Alter des Revisionswerbers nicht ausreichend berücksichtigt sowie nicht darauf Bedacht genommen habe, dass über ihn eine Strafe „im unteren Rahmen“ verhängt worden sei und er das Unrecht seiner Tat eingesehen habe.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht allein darauf gestützt werden, dass der Revisionswerber wegen eines Verbrechens im Sinn des § 17 StGB (hier: Vorbereitung von Suchtgifthandel als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach § 28 Abs. 1 und Abs. 3 SMG) rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/18/0295, vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 13. September 2018, Ahmed, C‑369/17, näher dargelegt, dass bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen ist, ob eine „schwere Straftat“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung sind auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch betont, dass der Zweck dieses Ausschlussgrundes darin besteht, jene Personen, die als des subsidiären Schutzes unwürdig anzusehen sind, von diesem Status auszuschließen (vgl. VwGH 4.5.2023, Ra 2021/20/0469, mwN).

11 Dass das Bundesverwaltungsgericht von diesen Vorgaben abgewichen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Beurteilung vorgenommen, bei der es die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Umstände einbezogen hat und die nicht als unvertretbar einzustufen ist. Dabei hat es auch auf die Höhe der verhängten Strafe, die vom Landesgericht für Strafsachen Wien herangezogenen Milderungs- und Erschwerungsgründe, die konkreten Tatumstände, das Alter des Revisionswerbers bei der Tatbegehung und die vom Revisionswerber artikulierte Reue ausreichend Bedacht genommen.

12 Dem Vorbringen in der Revision, es sei von einer „positiven Gefährdungsprognose“ auszugehen, weil der Revisionswerber in stabilen Verhältnissen lebe, einer Arbeit nachgehe und integriert sei, ist entgegenzuhalten, dass es bei der Anwendung von § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 (ebenso wie nach Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie) nicht gefordert ist, über die Einzelfallprüfung im oben genannten Sinn hinaus auch eine Gefährdungsprognose vorzunehmen (vgl. VwGH 22.10.2020, Ro 2020/20/0001).

13 Soweit der Revisionswerber Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen führt, unterlässt er es, auch nur ansatzweise deren Relevanz, weshalb also bei deren Vermeidung in der Sache ein anderes, für ihn günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, darzulegen (vgl. zum Erfordernis einer derartigen Relevanzdarlegung etwa VwGH 23.1.2023, Ra 2022/20/0328, mwN).

14 Zur in der Zulässigkeitsbegründung erhobenen Rüge, das Bundesverwaltungsgericht habe den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nicht substantiiert begründet, genügt es darauf hinzuweisen, dass selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu führt, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG gegeben wären (vgl. etwa VwGH 26.9.2022, Ra 2022/20/0150, mwN).

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. September 2023

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