VwGH Ra 2022/19/0095

VwGHRa 2022/19/009517.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des S F A (alias S A),vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 2022, W253 2180596‑2/43E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022190095.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 21. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Beschwerdeweg mit am 19. Februar 2018 mündlich verkündetem und mit 9. März 2018 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis vollumfänglich abgewiesen wurde.

2 Am 18. Juli 2019 stellte der Revisionswerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den er neben seinen alten Fluchtgründen unter anderem damit begründete, dass er homosexuell sei. Homosexualität sei im Iran verboten und werde bestraft.

3 Mit Bescheid vom 2. Juli 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach aus, dass einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt werde sowie dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 12. Mai 2017 verloren habe.

4 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis insofern statt, als es für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen festlegte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 Begründend ging das BVwG davon aus, dass der Revisionswerber die vorgebrachte drohende Verfolgung wegen Homosexualität nicht glaubhaft gemacht habe. Dem Revisionswerber drohe im Herkunftsstaat keine Verletzung seiner durch Art. 2 bzw. 3 EMRK gewährleisteten Rechte. Im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK würde das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Revisionswerbers überwiegen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision, die sich der Sache nach nur gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wegen einer Verfolgung aufgrund der behaupteten Homosexualität des Revisionswerbers wendet, wird zunächst die Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des BVwG geltend gemacht. Das BVwG habe die Frage, ob der Revisionswerber homosexuell sei, tendenziös und voreingenommen beurteilt sowie die „SOGI‑Richtlinien“ des UNHCR zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer vorgebrachten Homosexualität nicht berücksichtigt.

10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 4.4.2022, Ra 2021/19/0227, mwN).

11 Das BVwG setzte sich umfassend mit dem Antragsvorbringen auseinander und begründete in seiner Beweiswürdigung ausführlich, weshalb es von der Unglaubwürdigkeit der verfolgungsrelevanten Angaben des Revisionswerbers ausging. Diese Annahme stützte das BVwG sowohl auf den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und von den einvernommenen Zeugen als auch auf zahlreiche Ungereimtheiten in den Aussagen des Revisionswerbers zu seiner sexuellen Orientierung sowie auf Widersprüche zwischen den Angaben des Revisionswerbers und jenen der einvernommenen Zeugen. Die Revision zeigt ‑ auch im Lichte der SOGI‑Richtlinien des UNHCR ‑ nicht auf, dass diese Beurteilung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde bzw. insgesamt unvertretbar wäre.

12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit überdies vor, das BVwG habe gegen seine amtswegige Ermittlungspflicht verstoßen, weil es den Revisionswerber und die einvernommenen Zeugen nur unzureichend zur sexuellen Orientierung befragt habe.

13 Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei deren Vermeidung in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 14.1.2022, Ra 2021/19/0009, mwN). Diesen Anforderungen kommt die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht nach.

14 Schließlich moniert die Revision, das BVwG habe in Zweifel gezogen, dass die vorgelegte Briefkorrespondenz zwischen dem Revisionswerber und seinem Partner tatsächlich von den Beteiligten verfasst worden sei, obwohl ein handschriftlicher Abgleich problemlos möglich gewesen wäre. Mit diesem Vorwurf werden jedoch die Ausführungen des BVwG außer Acht gelassen, wonach auch unabhängig von der Frage der Zurechenbarkeit der vorgelegten Briefe aus deren Inhalt nicht zwingend darauf geschlossen werden könne, dass sich der Revisionswerber in der behaupteten Beziehung befinde. Dem setzt die Revision nichts entgegen.

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Mai 2022

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