Normen
AsylG 2005 §56 Abs1 Z1
AsylG 2005 §56 Abs1 Z3
AsylG 2005 §56 Abs2
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a Satz2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022170231.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, reiste am 31. Dezember 2018 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 6. August 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag blieb letztlich erfolglos und wurde im Instanzenzug mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 2022 als unbegründet abgewiesen. Unter einem wurde gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen. Ein durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) verhängtes Einreiseverbot wurde durch das Bundesverwaltungsgericht ersatzlos aufgehoben.
2 Die gegen das (soeben erörterte) Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobene außerordentliche Revision der Revisionswerberin wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Mai 2022, Ra 2022/20/0108, mangels Relevierung einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zurückgewiesen.
3 Am 22. Juni 2022 stellte die Revisionswerberin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
4 Nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens wies das Bundesamt den Antrag mit Bescheid vom 22. September 2022 der Formulierung des Spruches nach „zurück“, jedoch der Sache nach ab. Diese Abweisung des Begehrens auf Erteilung des Aufenthaltstitels begründete das Bundesamt damit, dass die Revisionswerberin das Erteilungserfordernis eines durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet von zumindest fünf Jahren im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 56 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht erfülle. Unter Berufung auf § 59 Abs. 5 FPG sah das Bundesamt davon ab, unter einem eine (neuerliche) Rückkehrentscheidung gegen die Revisionswerberin zu erlassen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.
6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Demgemäß erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 24.10.2022, Ra 2022/17/0162, mwN).
11 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 29.9.2022, Ra 2022/17/0052, mwN).
12 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit zunächst ins Treffen, das Bundesverwaltungsgericht hätte angesichts der Integrationsleistungen der Revisionswerberin ‑ insbesondere ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit durch Sexarbeit sowie ihrer Lebensgemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger ‑ von dem von ihr nicht erfüllten Erteilungserfordernis eines Mindestaufenthalts im Bundesgebiet für den begehrten Aufenthaltstitel nach § 56 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 absehen müssen.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin setzt die Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 jedoch zwingend die Erfüllung einer Mindestdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet von fünf Jahren im Zeitpunkt der Antragstellung voraus (vgl. VwGH 29.3.2022, Ra 2021/22/0069). Eine Befugnis der Behörden, von der Erfüllung dieses Erteilungserfordernisses abzusehen, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dies kommt insbesondere in § 56 Abs. 2 AsylG 2005 deutlich zum Ausdruck, wo ausschließlich für den Fall des Fehlens der Voraussetzung gemäß § 56 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 (Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung oder nicht nur geringfügige Erwerbstätigkeit) ‑ und somit nicht auch für den Fall des Unterschreitens des Mindestaufenthalts im Bundesgebiet von fünf Jahren gemäß § 56 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ‑ dennoch die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung“ angeordnet wird. Daher zeigt das Vorbringen, es wäre wegen der Integration der Revisionswerberin von der Erfüllung der Voraussetzung eines Mindestaufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 56 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels abzusehen gewesen, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
13 Die Revisionswerberin führt zur Zulässigkeit der Revision weiters aus, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
14 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß dem ‑ hier maßgeblichen ‑ ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFA‑VG („wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“) dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA‑VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 25.4.2022, Ra 2022/20/0088, mwN).
Die Revisionswerberin tätigt freilich keine auch nur ansatzweise hinreichenden Ausführungen dazu, weswegen das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Abweisung ihres Begehrens auf Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht hätte absehen dürfen. Auch diese Rüge der Verletzung der Verhandlungspflicht zeigt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
15 Im Übrigen weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG insbesondere dann nicht entsprochen wird, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinn der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. VwGH 29.9.2022, Ra 2022/17/0158, mwN).
16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Februar 2023
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