VwGH Ra 2022/11/0044

VwGHRa 2022/11/004424.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz‑Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der M H in M, vertreten durch Dr. Christian Ortner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Wilhelm‑Greil‑Straße 14, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 21. Februar 2022, Zl. LVwG‑2022/48/0439‑1, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA COVID‑19‑Impfpflichtgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022110044.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde der Revisionswerberin gegen eine E‑Mail der belangten Behörde mangels Vorliegens eines Bescheides als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung als Sachverhalt zu Grunde, die Revisionswerberin habe am 9. Februar 2022 eine E‑Mail mit dem Betreff „Antrag auf Feststellung der Ausnahme von der Impfpflicht im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 2 Impfpflichtgesetz“ gestellt, mit dem sie einen entsprechenden Antrag übermittelt habe und um ein Beratungsgespräch bei einem Amtsarzt, eine Terminvergabe und Information ersucht habe.

3 Mit einer ‑ nicht amtssignierten ‑ E‑Mail vom 10. Februar 2022 habe eine Mitarbeiterin der belangten Behörde der Revisionswerberin wie folgt geantwortet:

„Sehr geehrte Frau [...]!

Bezugnehmend auf Ihre E‑Mail wird mitgeteilt, dass die Amtsärzte für eine Impfpflichtbefreiung nicht zuständig sind. Voraussichtlich soll ab 14.02.2022 ein Formular online gestellt werden, womit der Antrag gestellt werden kann.

Ich hoffe Ihnen damit gedient zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Für die Bezirkshauptfrau:

[Name]

Bezirkshauptmannschaft Imst

Gesundheitswesen (Amtsärzte)“

4 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, aus der E‑Mail vom 10. Februar 2022 ergebe sich nicht, dass es sich um einen Bescheid handle. Die E-Mail sei weder als Bescheid bezeichnet, noch werde eine Geschäftszahl angeführt oder weise sie das äußere Erscheinungsbild eines Bescheides (wie Kopf, Geschäftszahl, Spruch, Begründung, Fertigungsklausel oder Rechtsmittelbelehrung) auf. Aus der E‑Mail lasse sich nicht entnehmen, dass normativ über den Antrag der Revisionswerberin auf Terminvergabe und Information entschieden werden sollte. Zwar sei der E‑Mail der Revisionswerberin im Anhang ein Antrag auf Feststellung der Impfpflichtbefreiung angeschlossen gewesen, in dieser E‑Mail sei jedoch nur um Terminvereinbarung und Information ersucht worden. Die bloße Mitteilung von Informationen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise bei Beantragung einer Ausnahme von der Impfpflicht sei nach (näher genannter) ständiger Rechtsprechung nicht als normative Erledigung zu sehen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass mit der E‑Mail der belangten Behörde nur die Informationsmitteilung erfolgt sei, dass ein Antrag zur Feststellung der Ausnahme von der Impfpflicht voraussichtlich ab 14. Februar 2022 online eingebracht werden könne.

5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

6 Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es stelle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, ob die vorliegende Willensäußerung der belangten Behörde Bescheidcharakter habe, auch wenn die Bezeichnung als Bescheid und andere formale Merkmale fehlten. Die belangte Behörde habe in der namentlich gezeichneten Mail einer für den Bereich Gesundheitswesen zuständigen Mitarbeiterin zum Ausdruck gebracht, dass eine Entscheidung über den von der Revisionswerberin gestellten Antrag verweigert werde.

10 Damit wird eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht dargelegt:

11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Frage, ob eine nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung auf Grund ihres konkreten Erscheinungsbildes, insbesondere ihres konkreten Aufbaues und ihrer konkreten sprachlichen Fassung als Bescheid zu beurteilen ist, eine einzelfallbezogene Auslegungsfrage dar und ist daher im Regelfall nicht revisibel. Anderes gilt, wenn das vom Verwaltungsgericht erzielte Auslegungsergebnis vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unvertretbar ist (vgl. etwa VwGH 21.12.2020, Ra 2020/12/0076, mwN).

12 Derartiges legt die Revision, welche ohne nähere Begründung lediglich behauptet, die belangte Behörde habe mit der gegenständlichen E‑Mail zum Ausdruck gebracht, eine Entscheidung über den Antrag der Revisionswerberin zu verweigern, nicht dar. Sie zeigt nicht auf, inwiefern das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der rechtlichen Qualität dieser ‑ keines der Formerfordernisse des § 58 AVG aufweisenden und ihrer Formulierung nach als Mitteilung ausgestalteten ‑ E‑Mail von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung von Bescheiden und sonstigen Erledigungen (vgl. etwa VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0033, 0047, 0048; 22.9.2020, Ra 2019/12/0033; jeweils mwN) abgewichen wäre.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. März 2022

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