VwGH Ra 2022/08/0118

VwGHRa 2022/08/011830.8.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des A G in U, vertreten durch Mag. Bernhard Schuller, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Marktgasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21. Juni 2022, LVwG‑S‑1212/001‑2022, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach), den Beschluss gefasst:

Normen

ASVG §111 Abs1 Z1
ASVG §111 Abs2
ASVG §33 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VStG §5 Abs2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080118.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG bestraft, weil er es als Dienstgeber unterlassen habe, drei namentlich bezeichnete Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung anzumelden. Es wurden ‑ unter Anwendung des § 111 Abs. 2 letzter Satz ASVG ‑ drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 365,‑‑ verhängt.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass die „belangte Behörde“ im „angefochtenen Urteil“ von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem keine ausreichenden Feststellungen zum Verschulden des Revisionswerbers an der Verwaltungsübertretung getroffen worden seien. Bereits im Ermittlungsverfahren habe der Revisionswerber darauf hingewiesen, dass es sich bei den zur Last gelegten Taten um Delikte gehandelt habe, die „aus Fahrlässigkeit bzw. in Unkenntnis der Rechtslage“ begangen worden seien. Es sei dargetan worden, dass der Revisionswerber sich zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen sei, dass „die bloße Zurverfügungstellung von Kost und Logis für Hilfsdienste“ eine „entsprechende Meldepflicht nach dem ASVG“ auslöse. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass eine Erkundigungspflicht dem Revisionswerber zumutbar gewesen sei. Einer Privatperson wie dem Revisionswerber sei es nicht zumutbar, über „derartiges Wissen“ zu verfügen bzw. sich solches Wissen zu verschaffen.

7 Dass der Revisionswerber auf seiner privaten Baustelle der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliegende Dienstnehmer beschäftigt hat, wird somit nicht in Abrede gestellt. Den unbestrittenen näheren Feststellungen des Verwaltungsgerichts zufolge reisten die drei serbischen Staatsangehörigen am 31. März 2021 bzw. (einer von ihnen) am 30. April 2021 zum Zweck der Arbeit auf der Baustelle nach Österreich ein und waren hier bis zur Kontrolle am 17. Mai 2021 tätig. Zum Vorbringen des Revisionswerbers, dass er einem Rechtsirrtum über die Pflichtversicherung der Dienstnehmer unterlegen sei, führte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass ihn diesbezüglich eine Erkundigungspflicht getroffen hätte.

8 Nach dieser Rechtsprechung muss sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen. Er hat den Mangel im Fall einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten. Ein Meldepflichtiger, der nicht über alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verfügt, ist nicht schon deshalb exkulpiert, weil er sich mit der strittigen Frage ohnedies, wenn auch nur aufgrund seiner eingeschränkten Kenntnisse, auseinandergesetzt hat und dementsprechend vorgegangen ist. Einen solchen Meldepflichtigen trifft vielmehr grundsätzlich eine Erkundigungspflicht. Im Rahmen dieser Erkundigungspflicht ist der Meldepflichtige gehalten, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde bzw. bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewissheit zu verschaffen. Der Meldepflichtige ist also nur dann entschuldigt, wenn die zur Beurteilung im Einzelfall notwendigen Kenntnisse nicht zu dem einem Meldepflichtigen zu unterstellenden Grundwissen gehören und er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen, und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist (vgl. etwa den auch vom Revisionswerber zitierten Beschluss VwGH 11.11.2019, Ra 2018/08/0195).

9 Warum nun dem Revisionswerber ‑ sofern man nicht sogar davon ausgeht, dass die Sozialversicherungspflicht von (wenn auch nur gegen Kost und Logis beschäftigen) Dienstnehmern zum Grundwissen eines (sei es auch privaten) Bauherrn gehört ‑ Erkundigungen (etwa bei der Österreichischen Gesundheitskasse) nicht zumutbar gewesen sein sollen oder welche zusätzlichen Feststellungen das Verwaltungsgericht zu dieser Frage hätte treffen sollen, ist nicht ersichtlich und wird auch in der Revision nicht dargelegt.

10 Die Revision räumt sogar ausdrücklich ein, dass den Revisionswerber eine ‑ wenn auch „leichteste“ ‑ Fahrlässigkeit getroffen habe. Auf den damit angesprochenen geringen Grad des Verschuldens hat das Verwaltungsgericht aber ohnedies durch die außerordentliche Strafmilderung gemäß § 111 Abs. 2 letzter Satz ASVG Bedacht genommen.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. August 2022

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