VwGH Ra 2022/06/0056

VwGHRa 2022/06/005628.4.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des R S in P, vertreten durch die Kneissl Tuncer Ebermayer Rechtsanwälte GmbH in 6370 Kitzbühel, Vorderstadt 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 24. Februar 2022, LVwG‑2020/43/0663‑13, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Ellmau; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Tir 2018 §46
BauO Tir 2018 §46 Abs6 litg
BauRallg
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060056.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Ellmau vom 19. Februar 2020, mit welchem ihm als Eigentümer gestützt auf § 46 Abs. 6 lit. c und g Tiroler Bauordnung 2018 ‑ TBO 2018 die weitere Benützung seiner Wohnung in einem auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in E. befindlichen Gebäude zur Ausübung einer Gewerbetätigkeit sowie als Freizeitwohnsitz untersagt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 In seiner Begründung hielt das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die hg. Judikatur fest, dass von einem anderen Wohnsitz als einem Freizeitwohnsitz dann nicht gesprochen werden könne, wenn kein deutliches Überwiegen hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen des Revisionswerbers am konkreten Ort feststellbar sei. Fest stehe, dass der Revisionswerber seinen Hauptwohnsitz in P. in Deutschland habe und die Aufenthalte in der gegenständlichen Wohnung im weitaus überwiegenden Ausmaß als Erholungsaufenthalte zu qualifizieren seien. Dass vier der 29 Übernachtungen in der betreffenden Wohnung allenfalls auch beruflichen Zwecken gedient haben bzw. dort auch Wartungsarbeiten durchgeführt worden sein sollen, falle angesichts der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ins Gewicht. Die gegenständliche Wohnung diene dem Revisionswerber nicht zur Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnis, sondern diese werde als Freizeitwohnsitz im Sinn des § 13 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 ‑ TROG 2016 genutzt. Das Vorbringen des Revisionswerbers, wonach mittlerweile dessen Sohn seinen Hauptwohnsitz in der gegenständlichen Wohnung begründet hätte, sei schon im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei baupolizeilichen Aufträgen die Herstellung jedes Zustandes, der dem Auftrag entspreche, keine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes unbeachtlich. Gleiches gelte für die Art und das Ausmaß der jetzigen Nutzung der Wohnung durch den Revisionswerber. Soweit der Revisionswerber die Untersagung auch zur Ausübung einer Gewerbetätigkeit bekämpfe, sei er durch die gegenständliche Entscheidung nicht beschwert, weil von der Untersagung die bewilligte Wohnnutzung nicht betroffen sei.

6 In den zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision vorgetragenen Gründen führt der Revisionswerber aus, dass baupolizeiliche Aufträge nach der hg. Judikatur konstitutive Verwaltungsakte darstellten, für die die Sach‑ und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes maßgeblich sei (Hinweis auf VwGH 26.5.2008, 2005/06/0137 u.a., VwGH 20.3.2003, 2003/06/0004, VwGH 25.9.2018, Ra 2018/05/0216, und VwGH 24.5.2016, Ra 2016/07/0039). Das Verwaltungsgericht sei insofern von der ständigen Rechtsprechung abgewichen und habe überdies gegen das Überraschungsverbot verstoßen, zumal es den Revisionswerber aufgefordert habe, ergänzendes Vorbringen zu erstatten und Beweise vorzulegen.

7 Weiters stelle sich die Frage, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen auch nur einer Litera des § 46 Abs. 6 TBO 2018 zugleich eine Untersagung der Benützung einer baulichen Anlage gestützt auf eine oder sämtliche anderen Literae gerechtfertigt bzw. rechtlich zulässig sei, ohne dass der Betroffene dadurch beschwert wäre.

8 Schließlich habe das Verwaltungsgericht auch den Begriff „ganzjähriger Wohnbedarf“ falsch ausgelegt, indem es davon ausgegangen sei, die gegenständliche Wohnung dürfe ausschließlich als Hauptwohnsitz verwendet werden.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

9 Wie der Revisionswerber ‑ insoweit im Einklang mit dem Verwaltungsgericht ‑ zutreffend ausführt, hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung über Beschwerden gegen baupolizeiliche Aufträge grundsätzlich die Sach‑ und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht für solche Sachverhaltsänderungen, die in der Herstellung eines Zustandes bestehen, der dem erlassenen baupolizeilichen Auftrag entspricht; dabei handelt es sich um keine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Änderung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. etwa VwGH 4.7.2019, Ra 2017/06/0116, und VwGH 25.3.1999, 97/06/0216, jeweils mwN). Der Revisionswerber zeigt auch mit den von ihm zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes kein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der hg. Rechtsprechung auf, weil diesen Entscheidungen nicht eine zwischenzeitige Erfüllung des von der Baubehörde erlassenen baupolizeilichen Auftrages zugrunde lag. Sachverhaltsänderungen, die nicht in der Herstellung eines Zustandes bestehen, der dem erlassenen baupolizeilichen Auftrag entspricht, sind hingegen vom Verwaltungsgericht zu beachten, weshalb schon aus diesem Grund das Vorbringen des Revisionswerbers zum Überraschungsverbot ins Leere geht. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher insoweit nicht vor.

10 Inwiefern der Revisionswerber durch die Untersagung der Benützung der gegenständlichen Wohnung zur Ausübung einer Gewerbetätigkeit fallbezogen beschwert sein soll, ist angesichts der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, wonach der Verwendungszweck dieser Wohnung mit der Deckung eines ganzjährigen Wohnbedarfes festgelegt und diese bewilligte Wohnnutzung mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht untersagt wurde, nicht ersichtlich, sodass auch mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird.

11 Im Übrigen übersieht der Revisionswerber, dass das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Beurteilung der gegenständlichen Wohnung als Freizeitwohnsitz ‑ im Hinblick auf die auf § 46 Abs. 6 lit. g TBO 2018 gestützte Untersagung zutreffend ‑ nicht auf den in der Baubewilligung festgelegten Verwendungszweck, sondern auf die in § 13 Abs. 1 TROG 2016 enthaltene Definition im Zusammenhalt mit der dazu ergangenen hg. Judikatur abgestellt hat (s. Punkt 4. auf S 13 f. des angefochtenen Erkenntnisses). Die Auslegung des in der Baubewilligung enthaltenen Begriffs „ganzjähriger Wohnbedarf“ ist für diese Qualifikation nicht entscheidend, weshalb mit dem dazu erstatteten Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargestellt wird.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 28. April 2022

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