VwGH Ra 2022/01/0071

VwGHRa 2022/01/007124.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der 1. A D, 2. Z I, 3. H D, 4. M D und 5. mj. M D, alle in W, alle vertreten durch Mag.rer.soc.oec. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6. August 2021, Zlen. 1. VGW‑152/065/7041/2021/E‑8, 2. VGW‑152/065/7042/2021/E, 3. VGW‑152/065/7043/2021/E, 4. VGW‑152/065/7045/2021/E und 5. VGW‑152/065/7046/2021/E, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

StbG 1985 §10 Abs3 Z1
StbG 1985 §34 Abs1 Z3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010071.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 2021, Ra 2021/01/0027, verwiesen.

2 In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof zusammenfassend aus, das Verwaltungsgericht hätte in der Sache zu entscheiden gehabt, nachdem es festgehalten hatte, dass die Revisionswerber ausreichend gemäß § 34 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) belehrt worden seien und es ihnen zumutbar gewesen sei, die russische Staatsangehörigkeit zurückzulegen, sowie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die Frist nach § 34 Abs. 2 StbG (jedenfalls) abgelaufen war.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde im fortgesetzten Verfahren in der Sache den Revisionswerbern, Staatsangehörigen (auch) der Russischen Föderation, die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 34 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) entzogen.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht ‑ mit näherer Begründung ‑ aus, die Revisionswerber seien nach Verleihung bzw. Erstreckung der Verleihung „unter der Auflage des § 34 StbG“ nicht aus dem Staatsverband der Russischen Föderation ausgeschieden, obwohl ihnen die Zurücklegung der russischen Staatsangehörigkeit möglich und zumutbar gewesen sei. Die Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei auch nicht ‑ mit näherer Begründung ‑ vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C‑221/17, Tjebbes u.a., unverhältnismäßig.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 29. November 2021, E 4007‑4011/2021‑5, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Sodann erhoben die Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, die „BF“ (gemeint: Revisionswerber) hätten Nachweise erbracht, die belegten, „dass Bemühungen getätigt wurden aus dem russischen Staatenverband auszutreten“. Die „Beschwerdeführer“ seien ihrer Mitwirkungspflicht jedenfalls nachgekommen. Es bedürfe daher „einer Entscheidung des VwGH zu diesem Thema, um Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung entsprechend zu gewährleisten“. Insbesondere sei die Frage, ob „die strenge Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes“ (gemeint: Verwaltungsgericht?) „an das Vorliegen der Unzumutbarkeit des Austrittes aus dem Staatenverband der Russischen Föderation gerechtfertigt ist, bisher rechtlich ungeklärt“. Auch sei unklar, welche Nachweise für die Unzumutbarkeit des Austrittes aus dem Staatenverband ausreichend gewesen wären. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu diesem Thema bisher keine Stellung bezogen. Von der Problematik seien nicht nur die „BF“ (gemeint: Revisionswerber), „sondern auch zahlreiche vergleichbare Beibehaltungswerber betroffen, sodass rechtliche Klarstellungen durch den VwGH jedenfalls von grundsätzlicher Bedeutung sind“.

11 Mit diesem Vorbringen wird kein zur Zulassung der Revision führendes Vorbringen erstattet:

12 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 3.2.2022, Ra 2021/01/0407, mwN).

13 Wenn die Revision eine (noch nicht beantwortete) Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin sieht, dass unklar sei, welche Nachweise fallbezogen für die Revisionswerber für die Unzumutbarkeit des Austrittes aus dem Staatenverband ausreichend gewesen wären, begehrt sie eine Entscheidung im Einzelfall.

14 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z 3 StbG wurden durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits Leitlinien bzw. Grundsätze aufgestellt. Nach dieser Rechtsprechung ergibt sich aus § 34 Abs. 1 Z 3 StbG eine Handlungspflicht des Betreffenden, die allerdings ihre Grenze in der (rechtlichen und faktischen) Möglichkeit und Zumutbarkeit derartiger Handlungen findet (vgl. etwa VwGH 24.6.2010, 2008/01/0779, mwH auf die Vorjudikatur).

15 Die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen zutreffen, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa zu § 28 Abs. 1 Z 1 StbG VwGH 8.10.2020, Ra 2020/01/0343).

16 Ausländisches Recht ist, da in Bezug darauf der Grundsatz „iura novit curia“ nicht gilt, festzustellen (vgl. etwa VwGH 31.5.2021, Ra 2020/01/0284, mwN).

17 Eine derartige die Rechtssicherheit beeinträchtigende unvertretbare Beurteilung des Verwaltungsgerichts wird von der Revision nicht dargetan.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. März 2022

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