VwGH Ra 2021/10/0171

VwGHRa 2021/10/017118.9.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision des J S in K, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz, Dr. Peter Petzer und Dr. Clemens Telser, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 1. September 2021, Zl. LVwG‑2017/44/1877‑23, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
NatSchG Tir 2005 §24 Abs3 lita Z5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021100171.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 1. September 2021 wurde die Beschwerde des nunmehrigen Revisionswerbers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 20. Juni 2017, mit welchem sein Antrag auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für eine Agrarstrukturverbesserung des Hofes R auf näher bezeichneten Grundstücken der KG N gemäß § 7 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a Z 2, § 9 lit. b und e sowie § 23 Abs. 2 lit. a iVm § 29 Abs. 8 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005 abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen diese Entscheidung eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die antragsgegenständliche Agrarstrukturverbesserung sehe ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ vor, dass auf den genannten Grundstücken eine ca. 8,1 ha große Fläche landwirtschaftlich kultiviert und bestehende Entwässerungsgräben instandgesetzt würden. Die bestehende Hut- bzw. Magerweide, die mit ihren Bodenunebenheiten ein Problem für die maschinelle Bewirtschaftung darstelle, solle durch schichtweises Abtragen des Bodens und anschließende Schaffung eines neuen Bodenaufbaus mit einer maximalen Geländeneigung von 40 % eingeebnet und so in eine intensive, ertragreiche und maschinell bewirtschaftbare Grünlandfläche bzw. Dauerweide umgewandelt werden. Weiters sei die Rodung von Gehölzgruppen und Heckenzügen geplant, die durch Neupflanzungen so ersetzt werden sollten, dass sie der maschinellen Bewirtschaftung nicht im Weg stünden. Zudem sollten zwei bestehende Entwässerungsgräben auf einer Länge von 300 m und 323 m durch Ausbaggern von eingebrochenem Böschungsmaterial und durch den Austausch der teilweise bestehenden Verrohrung wieder instandgesetzt werden. Abschließend solle die Fläche standortgerecht begrünt werden. Ziel dieser Agrarstrukturverbesserung sei die Umsetzung eines Bewirtschaftungskonzeptes, das zusätzliche Futterflächen für den Hof R zur Haltung von zusätzlichen 16 Großvieheinheiten (im Folgenden: GVE) vorsehe. Damit solle der Rinderbestand auf 28 GVE erhöht werden.

3 In weiterer Folge stellte das Verwaltungsgericht die Auswirkungen des beantragten Vorhabens auf den betroffenen Boden und den Ertrag, auf den landwirtschaftlichen Betrieb und auf die Naturschutzinteressen dar und legte offen, auf welcher Beweisgrundlage es zu den entsprechenden Feststellungen gelangte.

4 Zu den Bewilligungsvoraussetzungen führte das Verwaltungsgericht aus, es sei eine Interessenabwägung nach den §§ 23 Abs. 5 lit. c und 24 Abs. 5 lit. c TNSchG 2005 vorzunehmen, wonach Ausnahmen von näher dargestellten Verboten zum Schutz bestimmter Pflanzen und Tiere nur im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt bewilligt werden dürften. Damit sei ein besonders qualifiziertes öffentliches Interesse gemeint. Im Rahmen der Interessenabwägung gelangte das Verwaltungsgericht mit ausführlicher Begründung zum Ergebnis, dass ein solches besonderes öffentliches Interesse fallbezogen nicht vorliege, weil die beantragten Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung nicht erforderlich seien, um die Existenz des Betriebes des Revisionswerbers zu sichern. Es könne auch ‑ bezogen auf die Bewilligungsvoraussetzungen nach § 29 TNSchG 2005 für Vorhaben nach den §§ 7 und 9 leg. cit. ‑ kein langfristiges öffentliches Interesse daran bestehen, eine (artenreiche) Hut- bzw. Magerweide in eine Intensivwiese zu wandeln, die (aus näher dargestellten Gründen) langfristig weder beweidet noch mit Traktoren befahren werden könne.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wendet sich der Revisionswerber gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung, weil das Verwaltungsgericht zu den wesentlichen Fragen der Existenzsicherung bzw. der Tauglichkeit der beantragten Maßnahmen zur Existenzsicherung keine Feststellungen getroffen habe. Das angefochtene Erkenntnis leide daher an einem Verfahrens- und Begründungsmangel, sodass eine abschließende Beurteilung nicht möglich sei. Ebenso sei dem Erkenntnis „die dem innewohnende unrichtige Anwendung von Verfahrensvorschriften sowie der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes anzulasten“. Konkret seien für die Beurteilung des durchschnittlichen Viehbestandes des Hofes auch Flächen berücksichtigt worden, welche nicht die vom Antrag umfassten Flächen beträfen, sondern zusätzlich erfolgte Almzukäufe, sodass bei der Bewertung des öffentlichen Interesses von einer falschen Anzahl an GVE hinsichtlich des Hofes R ausgegangen worden und sohin zu Unrecht bereits ohne die beantragte Maßnahme eine Existenzsicherheit des Hofes angenommen worden sei. In der Begründung des Erkenntnisses habe auch keinen Niederschlag gefunden, dass die Amtssachverständige ihre ursprünglichen Ausführungen zu den zu erwartenden Kosten der beantragten Maßnahmen und dem zu erwartenden Mehrertrag nach ergänzenden Angaben des Revisionswerbers dahingehend geändert habe, dass eine Amortisation bereits nach 10,5 Jahren zu erwarten sei. Dagegen habe das Verwaltungsgericht in seiner Begründung beanstandet, dass keine Tierkartierung im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden sei, was jedoch zu keinem Zeitpunkt Thema des Verfahrens gewesen sei. Ein Abstellen auf ein von keiner Seite gefordertes Projekt der Tierkartierung in der letztlichen Gegenüberstellung der Interessen sei nicht mit den Verfahrensvorschriften vereinbar. Eine detailliertere Darstellung dieser Punkte erfolge zur Vermeidung von Wiederholungen im Rahmen der Revisionsgründe.

10 Bereits die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 18.5.2022, Ro 2021/10/0008, mwN).

11 Mit dem wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen legt der Revisionswerber allerdings die Relevanz des behaupteten Feststellungs- und Begründungsmangels nicht konkret dar, setzte dies doch voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des vorgeworfenen Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 24.8.2020, Ro 2020/10/0016, mwN).

12 Soweit in diesem Zusammenhang auf die weiteren Revisionsausführungen verwiesen wird, ist festzuhalten, dass die Gründe für die Revisionszulässigkeit gesondert anzuführen sind und ein Verweis auf sonstige Revisionsausführungen nicht genügt (vgl. etwa VwGH 29.6.2023, Ra 2023/06/0118; 26.11.2018, Ra 2018/02/0283).

13 Darüber hinaus geht das Vorbringen zur Zugrundelegung der „falschen Anzahl an GVE“, weil Flächen berücksichtigt worden seien, die nicht die vom Antrag umfassten Flächen beträfen, schon deshalb ins Leere, weil das Verwaltungsgericht die Anzahl der GVE ‑ wie sich aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses unzweifelhaft ergibt ‑ nicht unter Zugrundelegung bestimmter Flächen ermittelt hat, sondern diesbezüglich die Daten aus der Rinderdatenbank der Agrarmarkt Austria für den gegenständlichen Hof R des Revisionswerbers zugrunde gelegt hat.

14 Der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die geänderte Sachverständigenbeurteilung zur Amortisation der Investitionssumme außer Acht gelassen, lässt unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung sogar die ‑ günstigeren ‑ Angaben des Revisionswerbers über die zu erwartenden Investitionskosten und den jährlichen Mehrertrag zugrunde legte. Inwiefern vor diesem Hintergrund der behauptete Begründungsmangel vorliegen und von Relevanz sein sollte, legt die Zulässigkeitsbegründung nicht offen.

15 Zur Nichtvorlage einer Tierkartierung ist überdies Folgendes festzuhalten: Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht zwar ausgeführt, dass zur Beurteilung der Bewilligungspflicht nach § 24 Abs. 3 lit. a Z 5 TNSchG 2005, ob also der Lebensraum des Neuntöters so behandelt würde, dass der weitere Bestand in diesem Lebensraum unmöglich werde, zunächst der Lebensraum und die Größe der Population kartieren zu lassen wäre. Aus verfahrensökonomischen Gründen hat das Verwaltungsgericht jedoch von diesbezüglichen Ermittlungen abgesehen, weil es davon ausging, dass sich dadurch am Ergebnis des Beschwerdeverfahrens nichts änderte. Die Revisionszulässigkeitsbehauptung, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Tierkartierung gefordert, trifft sohin nicht zu.

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2023

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