VwGH Ra 2020/21/0358

VwGHRa 2020/21/03589.10.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M E O in D, vertreten durch Mag. Manuel Dietrich, Rechtsanwalt in 6971 Hard, In der Wirke 3/13, gegen das am 11. November 2019 mündlich verkündete und mit 11. Februar 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I413 2222015‑1/7E, betreffend Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 und Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210358.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber, einem nigerianischen Staatsangehörigen, wurden ‑ gemäß den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) und dem Vorbringen in der Revision ‑ ab dem 23. Dezember 2014 wiederholt, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 15. April 2017, Aufenthaltsbewilligungen „Studierender“ erteilt. Der Verlängerungsantrag vom 29. März 2017 wurde mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck vom 11. Mai 2017 aufgrund mangelnden Studienerfolges rechtskräftig abgewiesen.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 25. Juni 2019 wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 11. Dezember 2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen. Zugleich erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA‑VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Weiters sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei im Jahr 2014 mit einem Visum D nach Österreich eingereist. Der Revisionswerber habe Verwandte in Nigeria. In Wien lebe die Schwester des Revisionswerbers, zu der er zwei‑ bis viermal im Jahr Kontakt habe. In Vorarlberg lebe sein Cousin, zu dem er jede Woche bzw. alle drei Tage Kontakt habe. Der Revisionswerber sei zuletzt 2017 an der Universität Innsbruck inskribiert gewesen. Er habe an der Universität keine Prüfungen absolviert und auch das Studium nie begonnen. Der Revisionswerber lebe von Zuwendungen von Verwandten und arbeite ab und zu in Vorarlberg, wo er zwischen € 300,‑ und € 400,‑ monatlich verdiene. Weiters spreche der Revisionswerber Deutsch auf dem Niveau B1 und habe am 20. Juli 2019 die Integrationsprüfung bestanden.

5 Bei der nach § 9 BFA‑VG vorgenommenen Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG die genannten Umstände und führte insbesondere aus, der Revisionswerber sei zwar aufgrund eines Studentenvisums in Österreich legal eingereist, habe aber nie ein Studium in Österreich begonnen. Die bescheidmäßige Abweisung seines Verlängerungsantrages vom 29. März 2017 sei mit 25. Juli 2017 rechtskräftig geworden. Seitdem halte sich der Revisionswerber unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dem Revisionswerber hätte bewusst sein müssen, dass sein Aufenthalt in Österreich unsicher bzw. unrechtmäßig gewesen sei. Daher seien seine Bemühungen um Integration in Österreich vor dem Hintergrund des unrechtmäßigen Aufenthalts zu beurteilen und komme solchen privaten Interessen geringes Gewicht zu. Zudem sei der etwa viereinhalbjährige Aufenthalt nicht so lange, dass eine maßgebliche Integration ins Gewicht fallen könne. Der Revisionswerber führe kein Familienleben in Österreich. Zu seinem Cousin in Vorarlberg habe er regelmäßigen, zu seiner Schwester in Wien nur selten Kontakt. Er habe auch ‑ von Grußbekanntschaften und dem regelmäßigen Besuch der Vorarlberg Youth Fellowship Dornbirn abgesehen ‑ kein maßgebliches Privatleben in Österreich. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Revisionswerbers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiege.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Juli 2020, E 2175/2020, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 Insoweit macht der Revisionswerber geltend, das angefochtene Erkenntnis sei aufgrund der sehr guten Integration des Revisionswerbers und seinem Bemühen, sich immer besser zu integrieren, rechtswidrig. Seit der rechtskräftigen Versagung der Verlängerung des Aufenthaltstitels im Jahr 2017 habe sich der Sachverhalt wesentlich geändert. Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes folgend, wonach bei Vorliegen eines wesentlich geänderten Sachverhaltes der Aufenthaltstitel zu erteilen sei, hätte „die belangte Behörde“ somit der Beschwerde des Revisionswerbers Folge geben und den Aufenthaltstitel erteilen müssen.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat aber schon vielfach ausgesprochen, dass die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK iVm § 9 BFA‑VG dann nicht revisibel ist, wenn sie im Ergebnis vertretbar ist und keinen maßgeblichen Begründungsmangel erkennen lässt (vgl. etwa VwGH 28.5.2020, Ra 2019/21/0320, 0321, Rn. 19, mwN). Im vorliegenden Fall kann das nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erzielte Ergebnis nicht als unvertretbar angesehen werden. Die Revision bezieht sich bei ihren Ausführungen ohnehin nur auf die vom BVwG festgestellten und in seine Interessenabwägung einbezogenen Umstände, ohne nachvollziehbar aufzuzeigen, dass das BVwG davon ausgehend zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Das BVwG hat alle zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände bei seiner Beurteilung berücksichtigt und musste angesichts des etwa fünfjährigen, nur aufgrund von Aufenthaltsberechtigungen zum Zweck des Studiums während etwa zweieinhalb Jahren rechtmäßigen Aufenthalts und des Fehlens maßgeblicher familiärer Bindungen nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen der Revisionswerberin an einem weiteren Verbleib in Österreich ausgehen.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. Oktober 2020

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