VwGH Ra 2020/21/0001

VwGHRa 2020/21/000127.8.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel, die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des K M in F, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. November 2019, W103 2223440‑1/3E, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 68 Abs. 1 AVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1
FrPolG 2005 §92 Abs1 Z3
FrPolG 2005 §94 Abs5
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210001.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen Somalias, wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. September 2010 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

2 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 4. Mai 2015 wurde über den Revisionswerber wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie des Verbrechens des Handels mit psychotropen Stoffen (Einfuhr von in neun Reisekoffern verpackten Kath‑Pflanzen mit einem Gesamtgewicht von rund 223 kg von Addis Abeba, Äthiopien, nach Österreich am 18. Dezember 2014) eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten verhängt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt ‑ nach deren Ablauf mittlerweile endgültig ‑ nachgesehen.

3 Am 30. September 2015 hatte der Revisionswerber die Ausstellung eines Konventionsreisepasses beantragt. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 12. November 2015 gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 FPG (unter Hinweis auf das dargestellte Suchtgiftdelikt mit Auslandsbezug sowie die daraus gefolgerte aktuell noch aufrechte Annahme, er wolle das Dokument benützen, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen) ab. Dieser Bescheid ist unbekämpft geblieben.

4 Am 16. November 2018 beantragte der Revisionswerber neuerlich die Ausstellung eines Konventionsreisepasses. Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 22. November 2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Begründend verwies es auf das dargestellte Suchtgiftdelikt. Das seit der strafgerichtlichen Verurteilung (laut Rn. 2) gezeigte Wohlverhalten dauere nicht lange genug an, um die vom Revisionswerber ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte als (gegenüber der mit Vorentscheidung laut Rn. 3 beurteilten Situation) weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert ansehen zu können. Auch dieser Bescheid ist unangefochten geblieben.

5 Am 18. Jänner 2019 beantragte der Revisionswerber unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formulars wiederum die Ausstellung eines Konventionsreisepasses. In den Verwaltungsakten erliegt dazu eine (unvollständige) Ausfertigung des Beschlusses des Landesgerichtes Korneuburg vom 12. Dezember 2018, mit dem gemäß § 43 Abs. 2 und § 49 StGB die endgültige Nachsicht der bedingt verhängten Freiheitsstrafe (Rn. 2) festgestellt worden war.

6 Das BFA wies auch diesen Antrag mit Bescheid vom 22. August 2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. November 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

8 Begründend vertrat das BVwG die Ansicht, Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens iSd § 28 Abs. 2 VwGVG sei nur die Frage, ob das BFA den neuerlichen Antrag (laut Rn. 5) zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen habe. Die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft dürfe dabei ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung des Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden seien. Im vorliegenden Fall habe der Revisionswerber ‑ selbst unter Berücksichtigung dessen, dass die Straftat bereits mehr als vier Jahre zurückliege und die verhängte Strafe zwischenzeitig endgültig nachgesehen worden sei ‑ keine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts aufgezeigt, die eine neue Entscheidung in der Sache gebieten würde.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen hat:

10 Die Revision erweist sich ‑ entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG ‑ aus den nachstehend angeführten Gründen unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B‑VG als zulässig; sie ist auch berechtigt.

11 „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war die Frage, ob die Zurückweisung des wiederholten Antrags auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses durch das BFA zu Recht erfolgt ist. Das BVwG hatte demnach zu prüfen, ob das BFA auf Grund des von ihm zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, es sei gegenüber der Vorentscheidung zu keiner Änderung der maßgeblichen Umstände gekommen.

12 Dazu ist klarzustellen, dass es sich bei der insoweit relevanten Vorentscheidung um jene handelt, mit der zuletzt inhaltlich entschieden ‑ und nicht nur der erste Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen ‑ wurde (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0329, Rn. 17, oder VwGH 23.1.2020, Ra 2019/21/0356, Rn. 11). Es kommt also auf eine (potentielle) Änderung der Verhältnisse in Bezug auf den Bescheid vom 12. November 2015 (siehe Rn. 3) an.

13 Das hat das BVwG zwar offenbar richtig erkannt. Seiner Auffassung, der seit Erlassung des Bescheides vom 12. November 2015 verstrichene Zeitraum und die mittlerweile eingetretene endgültige Strafnachsicht begründeten keine Sachverhaltsänderung, die eine ‑ im Folgenden das BVwG wörtlich ‑ „andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe“, kann allerdings nicht beigetreten werden. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

14 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.

15 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014. Das in deren Ansätzen nicht gedeckte Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am 27. August 2020

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