VwGH Ra 2020/20/0227

VwGHRa 2020/20/02271.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, in der Rechtssache der Revision des Z S, vertreten durch Mag.a Julia M. Kolda, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 95/1/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2019, Zl. W155 2174458‑1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200227.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 12. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 3. Oktober 2017 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. Februar 2020, E 4527/2019‑7, die Behandlung derselben ablehnte und sie über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom 11. April 2020, E 4527/2019‑9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5 In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht sei bei der Annahme der Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Revisionswerber in der Stadt Herat von der Rechtsprechung zur Begründungspflicht abgewichen. Auf welche Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht seine Einschätzung gründe, sei mangels Feststellungen zur sozioökonomischen Lage sowie zur Arbeits- und Wohnsituation in Herat nicht nachvollziehbar. Im Übrigen seien die UNHCR‑Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 nicht berücksichtigt worden.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Feststellungs-, Ermittlungs- und Begründungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0452, mwN).

11 Welche Feststellungen vorliegend konkret zu treffen bzw. welche weiteren Umstände durch das Gericht zu erheben gewesen wären, ist der Zulässigkeitsbegründung nicht zu entnehmen. Mit dem Vorbringen, dem Revisionswerber wäre bei Verneinung des Vorliegens einer „Niederlassungsalternative“ in der Stadt Herat der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen, wird die Revision den oben genannten Anforderungen an eine ausreichend konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung nicht gerecht.

12 Darüber hinaus erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann (vgl. etwa VwGH 15.4.2020, Ra 2019/20/0340, mwN).

13 Weder EASO noch UNHCR gehen von der Notwendigkeit eines sozialen Netzwerkes in der Stadt Herat für einen alleinstehenden, gesunden, erwachsenen Mann ohne besondere Vulnerabilität für die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus (vgl. VwGH 15.4.2020, Ra 2019/18/0542, mwN).

14 Vor diesem Hintergrund begegnet die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, dem jungen und gesunden Revisionswerber, der eine der afghanischen Landessprachen spreche, über Schulbildung verfüge und Berufserfahrung als Koch und in einer Möbelfabrik gesammelt habe, werde es möglich sein, in der Stadt Herat nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen könnten, keinen Bedenken.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. Juli 2020

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