VwGH Ra 2020/17/0084

VwGHRa 2020/17/008417.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 14. April 2020, LVwG‑413617/11/KI/HUE, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: Z B, vertreten durch Dr. Fabian A. Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/Top11), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170084.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 31. Oktober 2019 wurde der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der V s.r.o. der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall Glücksspielgesetz ‑ GSpG iVm § 9 Abs. 1 VStG mit zwei Glücksspielgeräten schuldig erkannt. Es wurden über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 30.000,‑ ‑ (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2 Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) gab mit dem angefochtenen Erkenntnis der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ insoweit statt, als es den Spruch des Straferkenntnisses in einer hier nicht maßgeblichen Form änderte, eine Gesamtstrafe in der Höhe von EUR 30.000,‑ ‑ (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängte und die Strafsanktionsnorm auf „§ 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG“ änderte (Spruchpunkt I.). Das LVwG setzte den behördlichen Verfahrenskostenbeitrag auf EUR 3.000,‑ ‑ herab und sprach aus, dass der Mitbeteiligte keine Kosten für das Beschwerdeverfahren zu leisten habe (Spruchpunkt II.). Überdies sprach es aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei (Spruchpunkt III.).

3 Das LVwG stellte im angefochtenen Erkenntnis im Rahmen der Strafbemessung u.a. fest, dass es sich bei den gegenständlichen Übertretungen um Wiederholungstaten gehandelt habe, die nach dem zweiten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG geahndet werden müssten. Unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 12. September 2019 in der Rechtssache Maksimovic u.a., C‑64/18 u.a., vertrat das LVwG die Auffassung, dass die „Sanktionsnorm“ des § 52 Abs. 2 GSpG nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der geahndeten Verstöße stehe. Die in dieser Bestimmung enthaltene Wortfolge „für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand“ habe daher unangewendet zu bleiben, um dem Erfordernis einer Höchstgrenze für die Summe aller Geldstrafen bei Verstößen gegen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit mehreren Glücksspielautomaten oder Eingriffsgegenständen Rechnung zu tragen. Es sei daher nur eine einzige Strafe zu verhängen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen, die sich im Rahmen ihrer Anfechtungserklärung ausschließlich gegen die Verhängung einer Gesamtstrafe und den Kostenausspruch wendet.

5 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Amtsrevision kostenpflichtig abzuweisen, in eventu zurückzuweisen. Sie regte an, „der VwGH möge einen Antrag an den EuGH mit nachstehenden Fragen“ (zur Unionsrechtskonformität des GSpG) stellen bzw. das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über näher genannte Vorabentscheidungsersuchen aussetzen bzw. unterbrechen. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Amtsrevision erweist sich als zulässig und begründet.

7 Im Revisionsfall hat das LVwG unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Rs. Maksimovic u.a., C‑64/18 u.a., trotz der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit zwei Glücksspielgeräten über die mitbeteiligte Partei eine Gesamtstrafe verhängt, weil die in § 52 Abs. 2 GSpG vorgesehenen Sanktionen nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der geahndeten Verstöße stünden.

8 Zu § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 6. Mai 2020, Ra 2020/17/0001, auf das zur näheren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass weder die einzelnen Elemente der gemäß dieser Strafsatznorm zu gewärtigenden Sanktionen noch die gemäß § 16 VStG zu bemessenden Ersatzfreiheitsstrafe(n) noch der Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 64 VStG noch diese Elemente in ihrem Zusammenwirken als unverhältnismäßig zu beurteilen sind.

9 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. September 2020, Ro 2020/17/0015, auf das ebenfalls zur näheren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, unter Hinweis auf die oben genannte Entscheidung ausgesprochen hat, steht auch in Bezug auf § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG das Unionsrecht der uneingeschränkten Anwendung des GSpG nicht entgegen, u.a. weil auch dieser Strafsatz sowohl eine klar definierte Höchstgrenze für die einzelne Übertretung als auch eine Obergrenze für die Summe der Strafen (in Summe EUR 90.000,‑ ‑) beinhaltet. Es ist nicht ersichtlich, dass die Strafdrohung des zweiten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG angesichts des in den Tatbildern des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG typisierten ‑ und vor allem wie vorliegend im Wiederholungsfall nochmals erhöhten ‑ Unrechts, des öffentlichen Interesses an der wirksamen Vollziehung des GSpG und des üblicherweise in beträchtlicher Höhe erzielten finanziellen Vorteils aus einer Verletzung dieser Vorschriften unter dem Blickwinkel des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Sachlichkeitsgebotes als unverhältnismäßig zu beurteilen wäre.

10 Indem das LVwG dies verkannt und im Revisionsfall eine Gesamtstrafe verhängt hat, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe und des davon abhängigen Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 17. März 2021

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