VwGH Ra 2020/14/0108

VwGHRa 2020/14/01088.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Jänner 2020, I405 2137901-1/19E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
FrPolG 2005 §52
MRK Art8
SMG 1997

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140108.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 2. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Mit Bescheid vom 13. September 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 4 Das BVwG führte - soweit für das gegenständliche Verfahren von Relevanz - aus, dass der Revisionswerber sich seit knapp vier Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind, die beide österreichische Staatsbürger seien, im gemeinsamen Haushalt, weshalb von einem Familienleben und erheblichen privaten Interessen am Verbleib im Inland auszugehen sei. Dabei sei auch das Kindeswohl zu berücksichtigen. Jedoch sei der Revisionswerber dreimal rechtskräftig wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) verurteilt worden. Die mit der Aufenthaltsbeendigung verbundene Trennung stelle auch unter diesem Gesichtspunkt einen erheblichen Eingriff dar. Es entspreche jedoch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass wiederholtes strafbares Fehlverhalten stärker wiege als selbst ausgeprägte private Beziehungen und familiäre Interessen des Fremden. Mit den wiederholten Übertretungen des SMG habe der Revisionswerber ein Verhalten gesetzt, das keine Achtung der (straf-)rechtlich in Österreich geschützten Werte zeige. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Revisionswerbers überwiege daher die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet. 5 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, sich mit den Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf die sich aus der Unionsbürgerschaft ergebenden Rechte des minderjährigen Sohnes des Revisionswerbers zu befassen. Das Kindeswohl sei nicht (ausreichend) in die Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts eingeflossen. Auch habe das BVwG der Entscheidung veraltete Länderberichte zugrunde gelegt und die Einvernahme der Lebensgefährtin unterlassen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Wenn der Revisionswerber behauptet, das Bundesverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung veraltete Länderberichte zugrunde gelegt, macht er damit Verfahrensfehler geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auch deren Relevanz dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 18.2.2020, Ra 2020/18/0032, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Revision nicht.

10 Soweit die Revision sich gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist auszuführen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 19.2.2020, Ra 2020/14/0001, mwN).

11 Es trifft zu, dass es notwendig ist, sich bei der nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz vorzunehmenden Interessenabwägung mit den Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl auseinanderzusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, im Ergebnis nur dann für gerechtfertigt erachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie dies insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug der Fall ist. Insbesondere schwerwiegende kriminelle Handlungen - etwa nach dem SMG -, aus denen sich eine vom Fremden ausgehende Gefährdung ergibt, können die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher auch dann tragen, wenn diese zu einer Trennung von Familienangehörigen führt (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0359, mwN).

12 Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Interessenabwägung berücksichtigt, dass der Revisionswerber dreimal nach dem SMG zu Freiheitsstrafen rechtskräftig verurteilt worden war; zuletzt mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. Mai 2018 wegen der gewerbsmäßigen, vorschriftwidrigen Überlassung von Suchtgift gegen Entgelt gemäß § 27 Abs. 2a zweiter Fall und Abs. 3 SMG.

13 Davon ausgehend stellt sich die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf das strafbare Verhalten des Revisionswerbers das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Revisionswerbers (auch unter Berücksichtigung des Wohls des Sohnes des Revisionswerbers) überwiegt, als nicht unvertretbar dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr, die sich im Fall des Revisionswerbers auch manifestiert hat, gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa VwGH 12.9.2019, Ra 2019/20/0322, mwN).

14 Der in der Revision erhobene Vorwurf, das Bundesverwaltungsgericht habe sich im Zuge der Interessenabwägung mit der Frage des Kindeswohls nicht auseinandergesetzt, trifft nicht zu. Dass der Revisionswerber die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht teilt, führt nicht dazu, dass dem Gericht ein Begründungsmangel anzulasten wäre (vgl. idS nochmals VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0359).

15 Soweit die Revision zur unterbliebenen Vernehmung der Lebensgefährtin lediglich ausführt, das Bundesverwaltungsgericht hätte - trotz der vor der Verhandlung erfolgten Mitteilung des Revisionswerbers, dass diese keinesfalls an einer Verhandlung teilnehmen könne - auf eine Einvernahme hinwirken müssen, legt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar. Dazu wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung aussagen hätte können und welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0502; 27.6.2019, Ra 2019/14/0085).

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 8. April 2020

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