VwGH Ra 2020/13/0110

VwGHRa 2020/13/011019.10.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der H GmbH in W, vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. September 2020, RV/7100145/2014, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2008 bis 2012 und Jänner bis Juni 2013, zu Recht erkannt:

Normen

EURallg
UStG 1994 §1 Abs1 Z1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art30b
61996CJ0308 Madgett and Baldwin VORAB
62004CJ0041 Levob Verzekeringen und OV Bank VORAB
62011CJ0044 Deutsche Bank VORAB
62019CJ0581 Frenetikexito VORAB
62019CJ0907 Q-GmbH VORAB
62021CJ0519 ASA VORAB
62022CJ0282 Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020130110.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die in der Telekommunikationsbranche (Mobilfunkanbieter) tätige Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin erstattete mit Schriftsatz vom 22. November 2012 eine Selbstanzeige, in der sie die umsatzsteuerliche Behandlung verschiedener, seit dem Jahr 2008 bestehender Tarifaktionen, in deren Rahmen mit der Anmeldung zu einem bestimmten Tarif den Kunden auch ein Wertgutschein zur Einlösung beim Kauf eines Notebooks (oder vergleichbaren Endgeräts) übergeben wurde, offenlegte. Bei Einlösung des Gutscheines durch die Kunden sei der Gutscheinbetrag ‑ der in einen Nettobetrag und einen Umsatzsteueranteil aufgeteilt worden sei ‑ den Vertragshändlern, die den Gutschein entgegengenommen hätten (Einlöser), im Rahmen der laufenden Provisionsabrechnungen erstattet worden. Dabei habe die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin die den Einlösern bezahlte Umsatzsteuer (zur Gänze) als Vorsteuer geltend gemacht. Da diese Vorgehensweise der in den Umsatzsteuerrichtlinien des Bundesministeriums für Finanzen dargelegten Rechtsansicht der Finanzverwaltung offenkundig widerspreche, würden die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nach Erstattung der Selbstanzeige vollständig entrichtet.

2 Im Zuge der nachfolgend durchgeführten Außenprüfung bzw. Umsatzsteuernachschau kamen die Prüfer zum Ergebnis, die auf die Erstattung der Gutscheinbeträge an die Einlöser entfallende Vorsteuer sei zu versagen. Das Finanzamt folgte der Auffassung der Prüfer und erließ ‑ zum Teil nach Wiederaufnahme der Verfahren ‑ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die revisionsgegenständlichen Zeiträume.

3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Beschwerdevorentscheidungen als unbegründet abgewiesen, woraufhin die Revisionswerberin (als Gesamtrechtsnachfolgerin) Vorlageanträge stellte.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab und setzte die Umsatzsteuer 2011 und 2012 sowie die Umsatzsteuer für Jänner 2013 mit abweichenden Beträgen fest. Es sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 Das Bundesfinanzgericht führte nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensgeschehens im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) biete ihren Kunden Telekommunikationsdienstleistungen gegen Entgelt an, wobei sie zu diesem Zweck eigene „Shops“ betreibe sowie mit Vertragshändlern ‑ auf Grundlage abgeschlossener „Partnervereinbarungen“, in denen unter anderem geregelt sei, deren Tätigkeit sei in erster Linie die Erbringung von Vermittlungsleistungen gegen Entgelt ‑ zusammenarbeite.

6 Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum habe die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin verschiedene Tarife angeboten, einerseits solche ohne „Bindung“, andererseits solche mit fixen Mindestbindungsfristen von 12 bis 36 Monaten. Als „Anreiz“ für den Abschluss solcher langfristigen Verträge hätten die Kunden in der Regel Hardware (etwa Smartphones) ohne zusätzliches Entgelt oder gegen eine geringe Aufzahlung erhalten.

7 Im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Tarifaktionen hätten die Kunden bei Abschluss eines Vertrages mit Mindestbindungsfrist zusätzlich einen individualisierten Gutschein über einen bestimmten Betrag (je nach Tarif 300 € oder 500 €) erhalten. Die Kunden hätten den Gutschein beim Kauf von bestimmter Hardware (etwa eines Notebooks) ‑ auch solcher, die nicht von der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin bezogen worden sei ‑ bei einem Vertragshändler verwenden können. Die Vertragshändler, die sich zur Entgegennahme der Gutscheine gegenüber der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin vertraglich verpflichtet hätten, hätten in der Folge den aufgrund des Gutscheins gewährten Preisnachlass von der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin rückvergütet bekommen. Kunden, die vor Ablauf der vereinbarten Mindestvertragsdauer aus dem Telekommunikationsvertrag ausgeschieden seien, hätten entweder die Entgelte bis zum Ende der Mindestvertragsdauer oder den Wert des erhaltenen Gutscheins entrichten müssen. Alternativ seien auch vergleichbare Tarife ohne Mindestvertragsdauer und ohne Gutscheine zu einem niedrigeren monatlichen Entgelt angeboten worden.

8 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ aus, bei den verfahrensgegenständlichen Gutscheinen handle es sich unstrittig um Preisnachlassgutscheine, womit die Zahlungen für die eingelösten Gutscheine aus Sicht der Vertragshändler ein Entgelt von dritter Seite darstellten. Da die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin unbestreitbar nicht in die Leistungskette zwischen den Vertragshändlern und den Kunden eingebunden gewesen sei, stehe ihr kein Vorsteuerabzug zu.

9 Die weitere (bzw. alternative) Argumentation der Revisionswerberin, wonach nicht das gesamte von den Kunden anlässlich des Abschlusses des Telekommunikationsvertrages zu leistende Entgelt auf die Telekommunikationsdienstleistungen entfalle, sondern ein Teil des Entgelts den Preisnachlassgutscheinen zuzuordnen sei, sei auch im Hinblick auf die EuGH‑Rechtsprechung nicht nachvollziehbar. Die diesbezüglich angeführten Urteile des EuGH (vom 24.10.1996, Elida Gibbs, C‑317/94 , und 15.10.2002, Kommission/Deutschland, C‑427/98 ) hätten lediglich die Problematik behandelt, dass ein Hersteller seine eigene Waren betreffende Gutscheine ausgibt und den Wert dieser Gutscheine bei Einlösung durch den Endverbraucher dem Einzelhändler erstattet. Diese Gutscheine hätten sich somit im Gegensatz zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt auf Produkte des Gutscheinausstellers bezogen. Im ebenfalls angesprochenen Urteil des EuGH vom 27. April 1999, Kuwait Petroleum, C‑48/97 , sei der Streitpunkt im Wesentlichen nicht die Frage der Bemessungsgrundlage gewesen, sondern die Zulässigkeit des Vorsteuerabzuges hinsichtlich Gegenständen, die von den Kunden des Unternehmers nach Sammlung einer ausreichenden Anzahl von Gutscheinen aus einem „Geschenkkatalog“ ausgewählt werden konnten.

10 Bei der Aushändigung von Gutscheinen durch die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin handle es sich wirtschaftlich betrachtet um eine plakative Werbeaktion, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens von den Kunden auch als solche verstanden werde. Die dadurch erwachsenden finanziellen Aufwendungen würden in den Bereich jener Kosten fallen, die nur hinsichtlich der Kalkulation der Entgelte von Einfluss seien, sich aber nicht auf das einzelne, vom Kunden für die Zurverfügungstellung der Telekommunikationsdienstleistung (monatlich) entrichtete Entgelt mindernd im Sinne des § 16 Abs. 1 UStG 1994 auswirken würden.

11 Das Umsatzsteuerrecht behandle nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung die wirtschaftliche Einheit mehrerer Leistungen als eine einzige Leistung, die Aufspaltung in Einzelleistungen sei unzulässig. Bei Vorliegen eines „Leistungsbündels“ sei ‑ aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers ‑ festzustellen, ob mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbracht werde. Eine einheitliche Leistung liege insbesondere dann vor, wenn ein Teil die Hauptleistung, ein anderer Teil aber eine Nebenleistung sei, die für den Kunden keinen eigenen Zweck erfülle, sondern nur das Mittel darstelle, die Hauptleistungen unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die Zurverfügungstellung der Telekommunikationsdienstleistungen durch die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin die Hauptleistung sei und die Gutscheinaushändigung eine unselbständige Nebenleistung.

12 Soweit vertreten werde, es sei denkbar, die „Überlassung des Gutscheins“ durch die Einlöser an die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin als steuerpflichtige Leistung anzusehen, die vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 29. Juli 2010, Astra Zeneca, C‑40/09 , zur Vorsteuerabzugsberechtigung führe, werde der vom genannten Urteil abweichende Sachverhalt verkannt. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um von Dritten gekaufte Gutscheine, sondern um solche, die von der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin ausgegeben worden seien. Es sei daher kein Anhaltspunkt für eine Leistung der Einlöser erkennbar, die zum Vorsteuerabzug führen könne.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Das Finanzamt hat nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof (§ 36 VwGG) eine Revisionsbeantwortung erstattet.

14 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. vorgebracht, es fehle eine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob im Fall eines Kombi‑Angebots, das neben Telekommunikationsdienstleistungen aus einem Hardware‑Gutschein von erheblichem Wert (mehreren Hundert Euro) bestehe und für das die Kunden wesentlich mehr bezahlen würden als für dieselben Telekommunikationsdienstleistungen ohne den Hardware‑Gutschein, ein Teil des vom Kunden für dieses Kombi‑Angebot bezahlten Entgelts dem Erwerb des Gutscheins zuzuordnen sei ‑ womit der Wert des Gutscheins das Entgelt für die Telekommunikationsdienstleistungen mindern würde ‑, oder ob das gesamte Entgelt den Telekommunikationsdienstleistungen zuzuordnen und der Gutschein als unbeachtliche Werbemaßnahme zu betrachten sei.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.

17 Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist die einzelne Leistung. Der Umfang der einzelnen Leistung ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen (vgl. VwGH 3.4.2019, Ro 2017/15/0043, mwN).

18 Bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst. Eine Leistung ist als einheitlich anzusehen, wenn zwei oder mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. EuGH 17.12.2020, Franck, C‑801/19 , Rn. 23 und 25).

19 Eine einheitliche Leistung liegt auch dann vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile dagegen als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. VwGH 22.3.2023, Ra 2022/13/0084, mwN; EuGH 20.4.2023, Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej, C‑282/22 , Rn. 30).

20 Ein weiteres Kriterium, das in Wirklichkeit ein Indiz für das erstgenannte Kriterium ‑ ob aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers ein eigenständiger Zweck der Leistung fehlt ‑ darstellt, zielt auf die Berücksichtigung des jeweiligen Wertes jeder der Leistungen, aus denen sich der wirtschaftliche Vorgang zusammensetzt, wobei sich der eine im Verhältnis zum anderen als gering oder gar marginal herausstellt (vgl. dazu EuGH 4.3.2021, Frenetikexito, C‑581/19 , Rn. 42; 22.10.1998, Madgett und Baldwin, C‑308/96 und C‑94/97 , Rn. 24).

21 Ob in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung vorliegt oder mehrere aus umsatzsteuerlicher Sicht getrennt zu betrachtende Einzelleistungen, haben nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Gerichte festzustellen, die unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zwecks des Umsatzes und des Interesses des Leistungsempfängers die typischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln und dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (vgl. erneut EuGH 20.4.2023, C‑282/22 , Rn. 31; 16.2.2023, ASA, C‑519/21 , Rn. 62; 25.3.2021, QGmbH, C‑907/19 , Rn. 25 f).

22 Vorliegend wurden nach den ‑ unbestrittenen ‑ Feststellungen des Bundesfinanzgerichts die verfahrensgegenständlichen Gutscheine in Verbindung mit der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen (Datentarife für mobile Internetnutzung) ‑ konkret bei Abschluss eines Datentarifes unter längerfristiger Bindung in Form eines Kündigungsverzichtes ‑ an Kunden abgegeben. Die Kunden leisteten dabei ein einheitliches Monatsentgelt in ‑ je nach Tarif unterschiedlicher ‑ näher genannter Höhe und erhielten im Gegenzug die Möglichkeit der mobilen Internetnutzung während der Vertragslaufzeit (weitgehend ohne Datenlimitierung in Form sogenannter „Flat“‑Tarife) sowie einmalig einen Wertgutschein. Demgegenüber seien die Monatsentgelte bei Abschluss derselben ‑ oder weitgehend vergleichbarer ‑ Tarife ohne Beigabe eines Gutscheins geringer gewesen. In diesem Fall sei auch keine Mindestvertragsdauer vertraglich vereinbart worden.

23 Bei dieser Sachlage kann allerdings ‑ entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ‑ die Aushändigung von Wertgutscheinen nicht als nach dem erfolgten Vertragsabschluss erfolgte bloße „Zugabe“, die nur Ausfluss einer Marketingaktion gewesen sei, angesehen werden. Einer derartigen Beurteilung steht schon entgegen, dass die Gutscheine nur abgegeben wurden, wenn der Kunde bereit war, für einen bestimmten Tarif ein höheres laufendes Entgelt ‑ im Vergleich zum Vertragsabschuss ohne Inanspruchnahme der Wertgutscheine ‑ zu bezahlen, sowie eine längerfristige vertragliche Bindung durch Abgabe des Kündigungsverzichtes auf sich zu nehmen.

24 Diese Umstände sprechen zugleich gegen die Einstufung der Abgabe von Wertgutscheinen als Nebenleistung zur als Hauptleistung anzusehenden Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen (mobile Datennutzung) ‑ das Vorliegen untrennbar miteinander verbundener Leistungen in Form eines Leistungsbündels, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. erneut EuGH 20.4.2023, C‑282/22 , Rn. 28), wird vom Bundesfinanzgericht nicht angenommen ‑ und damit für das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen einheitlichen Leistung. Schon die Entscheidung der Kunden, für den gewählten Tarif das höhere von zwei möglichen Leistungsentgelten zu entrichten, um zusätzlich zu den erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen einen Wertgutschein zu erhalten, zeigt, dass die Abgabe der Gutscheine für sie einen eigenen Zweck dargestellt hat und nicht nur das Mittel, die Hauptleistung des Leistungserbringers ‑ die Telekommunikationsdienstleistungen ‑ unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

25 Auch die Tatsache, dass die im Rahmen der verfahrensgegenständlichen „Tarifaktionen“ abgegebenen Gutscheine auf eine mobile Nutzung der von der Revisionswerberin erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen mittels der unter Anrechnung des Gutscheinbetrages erwerbbaren Endgeräte abgezielt haben, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

26 Gegen das Vorliegen einer Nebenleistung spricht - wie von der Revisionswerberin zutreffend aufgezeigt ‑ auch der Nennbetrag der abgegebenen Gutscheine von, je nach Tarif, 300 € oder 500 €. Im Vergleich zu den bei Abschluss der betreffenden Tarife ohne Abgabe der Gutscheine zu entrichtenden monatlichen Entgelten in Höhe von ‑ nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes ‑ 20 € bzw. 25 € können diese Nennbeträge, die aus der Sicht der Kunden als Leistungsempfänger auch dem „Wert“ der Gutscheine entsprachen, nicht als gering und erst recht nicht als marginal eingestuft werden (vgl. erneut EuGH 4.3.2021, C‑581/19 ; vgl. demgegenüber EuGH 5.10.2023, Deco Proteste, C‑505/22 , zur Abgabe von Tablets oder Smartphones mit einem Wert von weniger als 50 € als Prämien bei Abschluss eines Zeitschriftenabonnements).

27 Stellt sich die bei Abschluss des Vertrags über die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen (aufgrund der „Aufzahlung“) erfolgte Abgabe der Wertgutscheine als dem Grunde nach eigenständige Leistung dar, entfällt darauf ein ‑ näher festzustellender, im Revisionsfall wohl nicht dem Nennbetrag des jeweiligen Gutscheins entsprechender ‑ Teil des vom Kunden geleisteten Gesamtentgelts. Nach der einhellig im Schrifttum vertretenen Rechtsansicht, der sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt, stellt die ‑ im vorliegenden Fall vor Inkrafttreten der mit der Richtlinie (EU) 2016/1065 vom 27. Juni 2016 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen eingefügten Bestimmungen erfolgte ‑ Ausstellung eines Wertgutscheins, dessen Nennwert beim Kauf von Waren einer bestimmten Warenkategorie bei einer Vielzahl von Händlern vom Kaufpreis in Abzug gebracht werden kann, noch keine ausreichend spezifizierte, der Umsatzsteuer unterliegende Lieferung oder Leistung dar (vgl. etwa Ruppe/Achatz, UStG5 § 3 Rz 21; Bräumann, Gutscheine, in Achatz/Tumpel (Hrsg.), Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer 61 [70 f, 75]; vgl. ebenso BFH 15.3.2022, V R 35/20; vgl. Korn in Bunjes, UStG14 § 2 Rn. 74 ff).

28 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit schon deshalb als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im angefochtenen Umfang aufzuheben. Auf das übrige Revisionsvorbingen braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

29 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Oktober 2023

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